Benehmen Glücksache?

Bei einigen Menschen, man muss es leider sagen, ist Benehmen Glücksache. Dabei wäre guter Rat gar nicht mal teuer. In verschiedenen Antiquariaten kann man heute noch das seinerzeit für den Preis von 3 1/2 Mark angebotene Buch “Der gute Ton oder das richtige Benehmen” für 9 bis 58 Euro (dann aber mit Goldschnitt) erwerben – je nach Zustand. Das Büchlein stammt aus dem Jahre 1898 und ist “ein Ratgeber für den Verkehr in der Familie, in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben. Ein Hausschatz, in dem man Belehrung über das findet, was sich schickt und nicht schickt, wie man sich in diesem oder jenem Falle zu benehmen hat.” Heute nun soll vom Essen die Rede sein. Dazu weiß der Ratgeber: “Jeder bemühe sich, die Kunst des Essens recht vollkommen zu erlernen und zu handhaben, damit dem Zuschauer nicht der Appetit vergehe, sondern er welchen bekomme. Wie jede Kunst, so ist auch diese keineswegs leicht und einfach. Es ist viel Geduld, Ausdauer und beständige Uebung nötig, um sie in allen Winkelzügen zu begreifen und richtig auszuüben. Darum ist es am besten, man gewöhnt die Kinder gleich vom dritten Jahre an den richtigen Gebrauch der Werkzeuge, welche wir beim Essen benutzen; denn ‘früh übt sich, was ein Meister werden will’, und ‘jung gewohnt, alt getan’.” Was soll ich sagen? Ziemlich spät finde ich. Unsere Enkel können mit zwei bzw. drei Jahren schon ziemlich perfekt mit ihren Werkzeugen umgehen.

Der gute Ton                                 Guter Rat für gutes Benehmen muss nicht teuer sein.

 

Warum ist Gott lieb?

Radtouren können, man mag es kaum glauben, hochphilosophisch enden. Jedenfalls kamen meine Tochter und ihr Sohn an einer Kirche vorbei, die unseren Enkel zu der Frage bewegte: “Warum ist Gott lieb?” Eine gute Frage, an deren Beantwortung sich schon Generationen von Theologen die Zähne ausgebissen haben. Denn alle Erklärungsversuche, wie beispielsweise weil “wir zu essen und zu trinken haben” oder “er auf dich aufpasst” enden bei Kindern üblicherweise in einem Desaster. “Essen und Trinken kaufen wir doch im Supermarkt ein” oder “du passt doch auf mich auf” sind die durch die Realität geprägten Reaktionen. Richtig kompliziert wird es, wenn die kleinen Geister auch schon Querverbindung herstellen können: “Warum denkt Fatima (*Name von Opa geändert) an einen anderen Gott?”, wollte der kleine Mann wissen. Was soll ich sagen? Es wird noch viel, viel schlimmer werden. Denn die eigentliche Frage hat er noch gar nicht gestellt.

Wenn aus Kindern Leute werden

Oma hat eine Mail von unserem früheren Babysitter bekommen: “Ich bin gerade über den Opa Blog gestolpert und bin begeistert. Es geht nichts über Großeltern, die sich hingebungsvoll und mit mehr oder weniger gesundem Menschen(Großeltern)verstand liebevoll um ihre Enkel kümmern. – Meine Eltern kommen nach wie vor einmal in der Woche zu uns. Vorzugsweise samstags, dann ist meistens unser Jüngster zu Hause. Mit mir alleine ist es halt nicht soooo interessant. Früher haben meine Eltern den Jungen stundenlang vorgelesen, alle möglichen und unmöglichen Fragen beantwortet, Spiele gespielt, gemalt … und meine sonst so ungeduldige Mutter hat ihren Enkeln gegenüber eine schier unerschöpfliche Geduld bewiesen. – Heute beobachte ich immer mehr, dass das Blatt sich langsam wendet. – Unser Jüngster erzählt Opa mit einer Engelsgeduld Episoden aus seinem Studentenleben, wie er sich seine Zukunft vorstellt usw. Wobei ich anmerken muss, dass er jedes Mal kurz davor ist, sich die Stimmbänder zu ruinieren. Mein Vater ist mittlerweile stark schwerhörig, was unseren Jüngsten aber nicht daran hindert, ihn mehr als eine Stunde liebevoll anzuschreien. – Unser Ältester wohnt inzwischen in einem Ort in Westfalen und ist, dank unserer guten Erziehung, durchaus in der Lage, seinen WG-Haushalt alleine zu gestalten. Was meine Mutter nicht davon abhält, ihm so oft wie möglich seine dreckige Wäsche abzuschwatzen. Er gab diesem Drängen erst nach, nachdem ich ihm erklärt habe, dass die Beiden dadurch einen Vorwand haben, ihn 2 x in der Woche zu sehen, ohne aufdringlich zu wirken. Laut unserem Ältesten läuft die Abholung der Wäsche fast jedes Mal nach dem gleichen Muster ab: Opa sitzt bei laufendem Motor hinterm Steuer, Oma springt aus dem Auto, der Wäschekorb samt div. Geldbeträge wird übergeben, und weg sind sie. Seine Einladungen zu einer Tasse Kaffee werden jedes Mal ausgeschlagen mit dem Hinweis, er hätte doch so viel zu lernen. Diese Geschichte, mit der Bemerkung, er käme sich jedes Mal vor wie bei einer Drogenübergabe, hat er uns mit sehr liebevollem Unterton erzählt. – Meine Eltern sind bis heute ein wichtiger Bestandteil im Leben unserer erwachsenen Kinder. – Ach übrigens, meinem Mann und mir geht es auch sehr gut, wir haben im Mai unseren 25. Hochzeitstag ‘gefeiert’.” Was soll ich sagen? Wenn aus Kindern Leute werden … Einfach toll.

PS: Alle Namen sind kursiv anonymisiert.

Nur im richtigen Leben

Während das Thema Friseur bei Opa, wie treue Leser wissen, ein besonders haariges ist, haben unsere Enkel damit überhaupt kein Problem. Sie gehen anstandslos zum Friseur oder lassen sich die Haare von Mama oder Papa schneiden. Unser ältester Enkel war jetzt gerade wieder zum Haarschneiden bei der Friseurin, der auch Opa seine Mähne schweren Herzens anvertraut. Sie hat das einmal mehr toll gemacht. Der Kleine sieht noch süßer aus, als er das ohnehin schon tut. Und das Ganze muss ihm auch noch Spaß gemacht haben. Denn kurz nach diesem Friseurbesuch wollte er unbedingt mit seiner Mutter Friseur spielen. Als er ihr dann symbolisch die Haare schnitt, begann er plötzlich genau die Konversation, die im echten Friseursalon genauso stattfindet: “Wohin geht’s denn in diesem Jahr in den Urlaub”, fragte er ebenso eloquent, wie dies unsere Friseurin auch immer tut. Was soll ich sagen? Diese Art von Sozialkompetenz, auch mal einen unverfänglichen Plausch zu halten, lernt man nicht von Erzählungen oder vor dem Fernseher, sondern eben nur im richtigen Leben.

Nicht alles schlecht

Unsere beiden Enkel sind ja ziemlich technikaffin. Jedenfalls können sie mit den iPhones und iPads ihrer Eltern schon problemlos umgehen. Wer die beiden Geschichten “Wie iPad-Puzzle!” und Schon toll unsere Enkel gelesen hat, ist ja bestens im Bilde. So mancher Leser wird sich dabei allerdings gefragt haben, was passiert, wenn die Jungs dann irgendwann einmal auch bis zum Internet vordringen. Die Sorge, die da mitschwingt, ist durchaus berechtigt, zumal viele Eltern selber nicht genau wissen, wie sie mit dem Medium umgehen sollen. Bei meinen Streifzügen durchs Netz und der Suche nach nützlichen Familienthemen bin ich jetzt auf eine Seite gestoßen, die für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet ist und Eltern die Möglichkeit bietet, gemeinsam mit ihren Kinder erste Gehversuche durch die große weite Welt des Internets zu unternehmen. klick-tipps.net heißt die Seite, die ich guten Gewissens empfehlen kann. Was soll ich sagen? Es ist nicht alles schlecht, was im Netz steht. Man muss die guten Sachen eben nur finden.

“Die RechtSchreip-Katerstrofe”

Der aktuelle “SPIEGEL” spricht Opa aus der Seele, was zugegebener Maßen nicht immer der Fall ist. “Die RechtSchreip-Katerstrofe” lautet die plakative Überschrift der Titelseite, die derzeit die Menschen von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen von den Kiosken aus anlacht. Doch zum Lachen gibt es leider gar nichts. Vielmehr wird da eine bittere Wahrheit verkündet: Viel zu viele Kinder sind unfähig, sich auch nur einigermaßen nach den Regeln des Dudens schriftlich auszudrücken. Dabei können die Jungen und Mädchen am wenigsten dafür. Vielmehr haben vermeintliche Pädagogen nichts unversucht gelassen und mit sogenannten Reformen die Schüler traktiert. Politiker taten mit ihren ideologischen Grabenkämpfen ein Übriges und beglückten die Schulen ebenfalls mit Reformen, die nach dem nächsten Wahlgang natürlich wieder reformiert werden mussten. Was soll ich sagen? In Anlehnung an den Spruch auf einem bildungskritischen T-Shirt: Die kinda prauchen keine Leerer und politika mär, die sin nähmlich Selba shon shlau!

Hochzeit, was war das nochmal?

Kinder wissen ja eigentlich schon alles, vergessen bloß hin und wieder mal was. (Geht Opas übrigens auch nicht anders.) Und so wollte unser ältester Enkel neulich, als die Erwachsenen über heiraten, Hochzeit und Ehe redeten, von seiner Mutter wissen: “Hochzeit, was war das nochmal?” Unsere Tochter dachte kurz nach und ließ hiernach hören: “Na ja, wenn ein Mann und eine Frau sich ganz toll lieb haben und beschließen, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen, dann sagen sie: Okay, dann können wir auch heiraten und Hochzeit feiern.” Ihr Kleiner dachte ebenfalls kurz nach und gab dann zum Besten: “Ach ja, und dann kommen die Babys.” Was soll ich sagen? Kann so sein, muss es aber nicht und ist leider ziemlich oft ganz anders, wenn man beide Antworten zusammen nimmt. Aber unser junger Freund ist ja Gott sei Dank, was diese Thematik betrifft, noch ziemlich unbefangen. Und ganz sicher hat er noch nie davon gehört, dass Zyniker die Ehe gemeinhin als den Versuch definieren, gemeinsam Probleme zu lösen, die man alleine nicht gehabt hätte.

“Den Teller aufessen”

Wer erinnert sich nicht an den Spruch seiner Eltern: “Du gehst erst raus, wenn du deinen Teller aufgegessen hast.” Totaler Blödsinn. Das belegt auch eine aktuelle Untersuchung von Wissenschaftler der Universität Minnesota, auf die jetzt Focus online hingewiesen hat. Der Bericht bringt die US-Studie auf den Punkt: “Wenn Eltern ihre Kinder zwingen, immer aufzuessen, tun sie ihrem Nachwuchs keinen Gefallen. Genauso verkehrt ist es, bestimmte Lebensmittel komplett zu verbieten. Beides setzt falsche Impulse – und kann dazu führen, dass Kinder dick werden.” Was soll ich sagen? Der oben zitierte Elternspruch ist nicht nur unter Ernährungsgesichtspunkten unsinnig, sondern auch semantisch total daneben. “Den Teller aufessen”, na denn guten Appetit. Bleibt nur zu hoffen, dass kein Kind das wirklich wörtlich nimmt. Andernfalls sieht das dann so aus wie in dem Werbespot, den ich immer wieder faszinierend finde.

Tage der Ungewissheit

Meiner ältesten Tochter steht eine harte Woche bevor. Ihr Sohn wird nämlich verreisen. Ohne sie, und ohne den Vater. Auch nicht mit Opa und Oma. Nein, mit dem Kindergarten. Als sie von den Plänen der Kita erfuhr, war sie ja ganz happy. Eine Woche ohne Sohn, sturmfreie Bude sozusagen. Vermutlich wurden Erinnerungen an alte Zeiten wach. Doch mittlerweile ändert sich die Gemütslage meiner Tochter. Denn nun werden weitere Einzelheiten bekannt, wobei das Schlimmste wohl ist: Keine Telefonate, wenn überhaupt nur in dringenden Notfällen. Keine Informationen also, ob es dem Kleinen gut geht. Und das eine Woche lang. So langsam schwant ihr, dass das quälende Tage der Ungewissheit werden. Immer wieder unbeantwortete Fragen wie: Schläft er? Isst er genug? Hat er sich verletzt? Denkt er an mich? Und so weiter und so weiter. Als sie einer Bekannten von den bevorstehenden Reiseaktivitäten ihres Sohnes erzählte, meinte diese nur kurz und trocken: “Du wirst mit der freien Zeit nichts anzufangen wissen.” Sie selbst sagt bereits: “Ich vermisse ihn jetzt schon.” Was soll ich sagen? Ich weiß nicht so recht, wer unter dem Abnabelungsprozess mehr leidet: Meine Tochter oder mein Enkel?

Opa und das Mittelalter

Bei uns in der Familie ist niemand auf den Mund gefallen. Ein gutes Beispiel dafür lieferte der jüngste Besuch unserer Ältesten, die mit Mann und Maus, sprich Sohnemann, an Pfingsten zum Essen bei uns war. Für den Hauptgang war dieses Mal Oma zuständig. Es gab Spargel satt, Schinken, Ei und wirklich leckere Kartoffeln. Als wir mit der Hauptspeise fertig waren, kam natürlich sofort die Frage unseres Enkels: “Was gibt es denn zum Nachtisch?” Als ich meine Nachtisch-Hamburger in Aussicht stellte, war er ganz aus dem Häuschen und wollte gleich in die Küche, um zu helfen. Als ich daraufhin sagte: “Warte noch, bis Oma abgeräumt hat”, schaute mich meine Tochter völlig ungläubig an und fragte: “In welcher Zeit lebst du denn? In unserer Welt räumen alle ab.” Oma ergänzte nur kurz und trocken: “Im Mittelalter”, was wiederum zu der Erläuterung meiner Tochter führte: “Als Opa noch klein war.” Was soll ich sagen? Da hatte ich mein Fett weg. Und was Passendes fiel mir auch nicht ein. Dabei räume ich sonst immer, na sagen wir meistens, mit ab.