Helmut Newton. Berlin, Berlin
Es ist wirklich ein Genuss, das neue Buch über Helmut Newton und sein Werk aus dem Taschen Verlag in die Hand zu nehmen, durchzublättern und zu lesen. Denn Matthias Harder, der das Buch geschrieben und herausgegeben hat, ist es gelungen, gleich mehrere Themen miteinander zu verbinden und beeindruckend in Szene zu setzen. Denn die Bilder – überwiegend in Schwarzweiß – spiegeln nicht nur die unnachahmliche Ästhetik der Newton-Fotografie wider, sondern zeichnen auch ein grandioses Bild von dessen Geburtsstadt Berlin, die den Ausnahmefotografen so sehr geprägt hat. Und dann sind da noch die Frauen, die Newton wie kein Anderer in seinen Aktbildern abgebildet hat. Dabei konkurrieren die vielfältigen Motive in kleinster Weise miteinander, sondern fügen sich zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen – ergänzt durch fundierte Informationen des Autors und das in Deutsch, Englisch und Französisch. Akt, Mode, Porträt, Landschaft, Berliner Mauer, Travestie-Kabarett – die Vielfalt ist beeindruckend. Wenn man überhaupt ein Bild herausgreifen möchte, dann wäre es sicher das von Jenny Capitain, die Newton wohl einmalig, nämlich nackt mit Gipsbein inszeniert hat. Was würde Oma wohl dazu sagen? Nomen est omen: Helmut Newton. Berlin, Berlin – Das Buch ist ein Muss für Berlin-Fans ebenso wie für Freunde ästhetischer Fotos. Insofern hätte am Ende des Buches auch kein besseres Zitat gepasst als das von Helmut Newton selbst: „Auf Wiedersehen und best regards from Berlin.“
Matthias Harder, Helmut Newton. Berlin, Berlin
TASCHEN, Köln, 2024, 244 Seiten, 50,00 Euro, ISBN 978-3-7544-0068-5
Herr Raue reist
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was (v)erzählen“, wusste schon Matthias Claudius anno 1786, als er in seinem Gedicht einen gewissen Herrn Urian von dessen Reiseerlebnissen erzählen lässt. Doch während dieser Reisebericht eher der Schilderung eines Horrortripps gleicht, erscheinen die Reiseerzählungen eines gewissen Herrn Raue knapp 250 Jahre später eher wie die Choreographie einer Traumreise. Dabei ist „Herr Raue reist“ nicht nur ein bemerkenswertes Kochbuch, das die gleichnamige Fernsehserie einmal mehr erlebbar macht. Es ist auch ein sehr persönliches Tagebuch, in dem der Zwei-Sterne Koch aus Berlin seine Leser so nah an sich heranlässt wie selten. Das fängt schon mit dem Vorwort an, das ungewöhnliche wie tiefe Einblicke in dessen Seelenleben gewährt. Doch eingefleischten Fans von Tim Raue wird es eher um die 90 Rezepte gehen, mit denen der Spitzenkoch den 18 Destinationen, die er für die Fernsehserie besucht hat, die Ehre erweist. Amerika mit Vancouver, New Orleans, Mexico City, Havanna und Rio de Janeiro, Afrika mit Marrakesch und Kapstadt, Europa mit Lissabon, Madrid, Lyon, St. Moritz, Sizilien, Warschau und Kreta sowie Asien mit Istanbul, Phuket, Singapur und Tokio sind dabei die Inspirationsquellen für die Rezepte, die allesamt zum Nachkochen gedacht sind. Auch wenn das eine oder andere Rezept selbst für fortgeschrittene Hobbyköche eine echte Herausforderung darstellen dürfte, ist kein einziges Rezept dabei, in dessen Wesenskern man nicht eindringen möchte. Als Liebhaber der asiatischen Küche haben es mir besonders die Rote-Bete-Schweinebauch-Dim-Sum und das Sushi nach Hausfrauenart angetan, gefolgt von weniger aufwendigen Gerichten wie Ramiro’s Garnelen im Sud oder Leberpaté mit Tomatensauce und Zitronenthymian. Aber auch der leicht zu bewältigende Kabeljau-Auflauf Bacalao oder der Frischkäse à la Sophie lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auch wer Raue nicht nur nachkochen, sondern auch nachreisen will, hat Glück. Denn zu jedem Reiseziel gibt es besondere Tipps und Hinweise, die sicherlich nicht in jedem Reiseführer stehen. Während das Gedicht von Claudius mit der unmissverständlichen Aufforderung endet, „Da hat Er übel übel dran getan; Verzähl er nicht weiter Herr Urian!“, möchte man Herrn Raue zurufen: „Das waren keine Rezepte die flaue; mache er bloß weiter Herr Raue!“
Tim Raue, Herr Raue reist
Callwey, München, 2023, 304 Seiten, 39,95 Euro, ISBN: 978-3-7667-2610-0
Die Weltköche zu Gast im Ikarus
Von Alex Atala aus dem D.O.M. in Sao Paulo bis zu Jin Jie Zhang aus dem Green T. House in Peking – über 200 Sterneköche aus der ganzen Welt haben sich mittlerweile im Ikarus im Hangar 7 in Salzburg die Kochlöffel in die Hand gegeben. Seit 2003 geht das schon so und seit 2014 wird diese einmalige Erfolgsgeschichte von einem Buch begleitet, das unter dem Titel “Die Weltköche zu Gast im Ikarus” einmal jährlich – wie es im Untertitel heißt, “außergewöhnliche Rezepte und wegweisende Chefs im Porträt” präsentiert. War es anfangs noch Roland Trettl, der unter der Schirmherrschaft von Eckart Witzigmann als Chefkoch die Verantwortung trug, ist es seit 2014 Martin Klein, der das Zepter schwingt. Und nun erscheint Band 8 dieser Dokumentation der weltweiten Spitzenküche. So wie das Küchenkonzept im Ikarus über all die Jahre gleich geblieben ist, ist auch die Konzeption des Buches unverändert geblieben. Nur in Nuancen und der Gestaltung hat sich an der einen und der anderen Stelle immer wieder etwas geändert. Der Konstanten “Qualität” indes hat das keinen Abbruch getan. Das gilt sowohl für die hochwertige Aufmachung und das exzellente Material sowie die eindrucksvollen Bilder und die gelungenen Texte, vor allem aber die Beschreibung der Zutaten und Rezepte, die in ihrer Detailtiefe ihresgleichen suchen. Insofern ist es auch für Hobbyköche durchaus möglich, das eine oder andere Gericht oder zumindest Teile davon nachzukochen, auch wenn diese alle ausgesprochen anspruchsvoll sind. Insofern ist – wie all seine Vorgänger auch – dieser achte Band wieder einmal eine im wahrsten Sinne des Wortes Sternstunde für alle begeisterten Köche.
Uschi Korda und Martin Klein, Die Weltköche zu Gast im Ikarus
PANTAURO, Elisabethen, 2022, 344 Seiten, 69,95 Euro, ISBN 978-3710500602
Ralf Dahrendorf – Eine Biographie
Ralf Dahrendorf – „Deutschlands größter Liberaler – manche sagen: der einzige große“, schrieb die Süddeutsche Zeitung 2009 zu seinem Tod. Ist das so? Vor allem sein Ausflug in die Politik wird mitunter kritisch gesehen. Da ist es gut, wenn jemand einmal genauer hinsieht. Getan hat dies Franziska Meifort, nicht zuletzt in dem sie ihre geschichtswissenschaftliche Dissertationsschrift veröffentlicht hat – bei C.H. Beck in einem Publikumsverlag wohlgemerkt. Auch wenn dies „ungewöhnlich“ ist, wie sie selbst schreibt, so hat sie doch viele Facetten zusammengetragen, die durchaus ein breiteres Publikum verdient haben und sich so mancher in der Politik auch heute noch zu Herzen nehmen sollte.
Also bleiben wir zunächst bei der Frage: „Waren Dahrendorfs Jahre in der Politik nun ein gescheitertes Experiment?“ Meifort beantwortet dies so: „Zunächst schien Dahrendorf als Politiker überaus erfolgreich. Mit seinen Parteitagsreden und seiner Forderung nach Reformen traf er den Zeitgeist. Ihm gelang ein gelassener Umgang mit den protestierenden Studenten, selbst mit dem ‚Bürgerschreck’ Rudi Dutschke. Auch im Wahlkampf und als stellvertretender Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag konnte Dahrendorf mit seinem Profil als begabter Redner und origineller Ideenentwickler punkten. Doch dieser anfängliche Erfolg schlug bald um, als Dahrendorf zunehmend in Konflikt mit seiner Partei geriet, weil er auf innerparteiliche Bündnisse und Konsensbildung verzichtete und weil ihm das Gespür für Parteitaktik fehlte. Dahrendorf blieb in der FDP ein Einzelkämpfer.“
An späterer Stelle kommt Meifort dann aber zu dem Schluss: „Durch sein entschiedenes Eintreten für die zugegebenermaßen etwas diffuse Forderung nach Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft gab Dahrendorf dem linken Flügel der FDP entscheidenden Auftrieb und ebnete der Partei und Walter Scheel so den Weg zu einer sozialliberalen Koalition mit der SPD. Durch seinen Wahlkampf, mit dem er der zeitgenössischen Forderung nach Diskussion entsprach, und durch seine hohe Präsenz in der Öffentlichkeit gelang es ihm, den öffentlichen Diskurs zu prägen und neue Wählerschichten, insbesondere junge Akademiker, zu erschließen. In diesem Sinne ist Dahrendorfs Phase in der Politik nicht als Geschichte des ‚Scheiterns’ zu beurteilen. Vielmehr geht es um eine Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllung.“
Wer dies vertiefen will, kann dies in dem Buch tun, in dem Meifort viele Aussagen Dahrendorfs zusammengetragen hat, über die es sich auch heute noch lohnt nachzudenken. Ein Beispiel: „Liberalismus ist im Grundsatz eine durchaus klare und einfache Zielrichtung politischen Handelns: Es kommt darauf an, alles zu tun, um die Lebenschancen des Einzelnen zu erweitern. Je mehr Menschen mehr Lebenschancen haben, um so liberaler ist eine Gesellschaft.“ Oder: „Politik heißt für viele die Beschäftigung mit staatlichen Angelegenheiten; mein Verständnis war von Anfang an angelsächsischer. Politik heißt Wahlkampf, öffentliche Debatte, vor allem aber Parlament, Auseinandersetzung mit anderen.“
Besonders interessant wird es, wenn Meifort Dahrendorfs Warnung vor „verfehltem Gleichheitswahn“ widergibt: „Daß es Menschen gibt, die den Ton angeben, ist für mich unentbehrlicher Teil der Freiheit. Wenn alle sich hinter Mehrheiten verstecken, schließt sich die Gesellschaft in einem Zirkel des Mittelmaßes. Niemandem darf gestattet werden, seinen Ton allen anderen auf Dauer aufzudrängen. Nicht nur eine Vielfalt von Tonlagen, sondern auch die Einführung neuer Kombinationen und die Abschaffung alter ist nötig, um ein lebendiges Gemeinwesen zu erhalten. Aber daß überhaupt Richtungen gewiesen, Stile geprägt und Ideen vorangetrieben werden, ist unentbehrlich – und daher ist es von Interesse, mit denen umzugehen, die derlei versuchen.“ Da fragt man sich doch unwillkürlich: Wie würde Dahrendorf heute der AfD begegnen, deren Ideen ihm ganz sicher zuwider gewesen wären, und denkt gleichzeitig an seine legendäre Diskussion mit Rudi Dutschke.
Nachdenklich macht ganz sicher auch, wenn Meifort Dahrendorf zitiert: „Macht ist die Umsetzung von Zielen. Nun gibt es eine ganze Menge Leute, die geraten in Führungspositionen, haben aber keine (inhaltlichen) Ziele. Die haben dann sozusagen ‚leere’ Macht, womit man nicht so viel anfangen kann. Dann kommen Leute, die Ideen haben, ganz gut zum Zuge. Wenn sich Leute in Führungspositionen diese Ideen zu eigen machen, dann bewegt sich eine ganze Menge.“
Meiforts Fazit fällt eher sachlich nüchtern aus, so wie das ganze Buch geprägt ist: „Mit seinen Einlassungen als Intellektueller und seiner Forderung nach Demokratie, Anerkennung von Konflikten und Chancengleichheit, auch mit seinem Slogan ‚Bildung ist Bürgerrecht’ traf er den Geist der Zeit und prägte ihn zugleich. … Dahrendorf wahr Pragmatiker, kein Ideologe und die FDP für ihn vor allem Mittel zum Zweck.“
Wer nicht nur den Politiker Dahrendorf kennenlernen will, sondern auch den Soziologieprofessor, Bildungsreformer, EG-Kommissar, Direktor der London School of Economics oder den Lord und das Mitglied im britischen Oberhaus kommt in Meiforts Biographie voll auf seine Kosten. Mehr noch: Am Ende steht gleichsam Dahrendorfs Vermächtnis, das, was er als „staatsbürgerliche Pflicht“ ansah, nämlich „den Mund aufzumachen (…) im Bewusstsein des großen Privilegs, in einer liberalen Ordnung und Demokratie zu leben – wachsam gegenüber jeder, auch der geringsten Beeinträchtigung der Freiheit.“
Was soll ich sagen? Für Liberale ein Muss, für alle anderen mehr als empfehlenswert.
Franziska Meifort, Ralf Dahrendorf C.H. Beck, München, 2017, 489 Seiten, 38,00 Euro, ISBN 978-3-406-71397-2
Die “Weine von Gala“ sind ein Hammer, der einen – wie sollte es bei dem Autor Dalí anders sein – bildgewaltig trifft. Wie schon die Diners mit Gala nichts für zartbesaitete Gemüter waren, lassen auch die Weine von Gala kaum eine Provokation aus: Hier ein Penis, da eine Vagina und viel Busen nicht zu vergessen.
Wie Dalí das Lebensmotto Wein, Weib und Gesang interpretiert, wird im Kapitel Weine der Wollust deutlich. Da heißt es gleich zu Beginn: „Denen, die diesen Titel als maßlos empfinden könnten, schulde ich eine begründete Erklärung. Im Larousse steht: ‚Wollust ist vergnügte Sinnlichkeit, die zu lebhaftem Sinnenrausch führt.’ Und das gleiche Werk definiert Sinnenrausch unter anderem als „eine Freude der Seele und ein lebhaftes Vergnügen der Sinne.’ Der Kreis ist geschlossen und die Sachlage eindeutig.“
Wer nun glaubt, das Buch habe weniger mit Wein als mehr mit ungezügelten Ausschweifungen zu tun, der irrt gewaltig. Die Texte von Max Gérard und Louis Orizet zeugen von beeindruckendem Sachverstand, der am Ende des Buches mit den Weingärten der Welt und Frankreichs sowie den Ratschlägen an den Weinliebhaber seine – man könnte sagen – nüchterne Verdichtung findet.
Wer jedoch lieber trunken dieses Faksimile des 1977 erstmals veröffentlichten und schon allein visuell berauschenden Werks beenden will, hört nach dem Epilog auf, der sich so liest: „In Ländern mit gutem Wein führen alle Straßen in einen Keller. Das ist ein Ziel, eine Bestimmung! Rufen Sie, dann kommt der Winzer herbei. Er ist der ‚Heilige Vater’ dieses kleinen Paradieses, aber er wird Sie niemals nach Ihren Sünden fragen, bevor er Sie in sein Eden einläßt. Nein, scheinheiliger Leser, diese Dialektik ist keine Sprachübung. Sie ist der Schrei des Volkes der Winzer. Wenn Sie ihn verstanden haben, werden Sie von nun an keinen Wein mehr trinken, sondern Geheimnisse kosten.“
Was soll ich sagen? Ich weiß zwar nicht, wie Dalí zu Konfuzius gestanden hat. Aber nachfolgendes Zitat des Philosophen hätte dem Maler bestimmt gefallen: Am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker. In diesem Sinne: Wohl bekomms!
Dalí, Die Weine von Gala Taschen, Köln, 2017, 296 Seiten, 50,00 Euro, ISBN 978-3-8365-7029-9
Wie sag ich’s meinem Kinde, ist zumeist schon ein schwieriges Unterfangen. Für viele noch schwieriger ist es, die richtigen Worte bei Glückwünschen aller Art zu finden. Dabei kann es so einfach sein. Mit einem treffenden Zitat, einem passenden Gedicht oder einer geistreichen Äußerung verleiht man einem Glückwunsch nicht nur eine individuelle Note, sondern unterstreicht, dass man sich auch ernsthaft Gedanken gemacht hat. Wer dazu nicht stundenlang dicke Schinken wälzen möchte, findet eine echte Alternative in „Die herzlichsten Glückwünsche“ aus dem Dudenverlag. Auf den 128 Seiten dürfte jeder fündig werden, der etwas für Geburt und Taufe, Kommunion und Konfirmation, Verlobung und Hochzeit, Geburtstag, Schule und Beruf, Hausbau und Einzug, Genesung, Frühling und Ostern oder Weihnachten und Jahreswechsel sucht. Verschiedene Toasts und Glückwünsche in verschiedenen Sprachen runden das Angebot ab, das einem das Glückwünsche-Schreiben ganz schön erleichtern kann. Was soll ich sagen? „Das richtige Wort am richtigen Ort, das ist die wahre Definition von Stil“, wusste schon der anglo-irische Schriftsteller Jonathan Swift, dessen Zitat sich allerdings nicht in dem Büchlein findet. Aber man kann auch nicht alles haben.
Duden – Die herzlichsten Glückwünsche Dudenverlag, Berlin, 2015, 128 Seiten, 8 Euro, ISBN: 978-3-411-72473-4
Das Buch ist eine Offenbarung. Jeder, der auch nur einen Funken Leidenschaft fürs Kochen in sich hat, wird begeistert sein. Dabei geht es noch nicht einmal um das Vorgängerwerk “Modernist Cuisine – Die Revolution der Kochkunst”. Das wird wohl mit seinen 2.438 Seiten, die auf sechs Bände verteilt sind, für alle Zeiten das Maß aller Dinge in Sachen Kochen bleiben. Nein, hier ist jetzt die Rede von “Modernist Cuisine at Home”, das – ohne auch nur den Anschein eines Kondensats zu erwecken – locker mit dem Qualitätsanspruch des Ursprungswerkes mithalten kann. Papier, Druck und Bindung sind ebenso überzeugend wie die Inhalte, die im wahrsten Sinne mit faszinierenden Schnittbildern von Apparaten und gleichermaßen einprägsamen Schritt-für-Schritt-Fotos glänzen. Auch das Rezepthandbuch wurde wieder auf abwaschbarem, Faszinierende Schnittbilder lassen die Inhalte glänzen.wasserabweisendem Papier gedruckt. War schon der Vorläufer nicht nur für Profis, werden sich auch bei diesem Werk blutige Anfänger und Kochnovizen ebenso wie versierte Hobbyköche ziemlich schnell wohlfühlen und nachvollziehen können, worum es es in diesem Buch und worum es den Autoren geht. Teil 1 dreht sich um das A und O der modernistischen Küche und konzentriert sich dabei auf Küchengeräte, Sous-Vide-Garen und Zutaten. Da wird dann schon mal ein Fisch in der Küchenspüle und ein Steak in der Kühlbox gegart. Teil 2 enthält dann 406 Rezepte, die weit über das übliche Maß von Kochbüchern hinausgehen. Was soll ich sagen? Die Vision von Modernist Cuisine zieht sich wie ein roter Faden auch durch Modernist Cuisine at Home, das damit ein Kompendium ist für alle, die einen ersten Schritt in die modernistische Küche wagen wollen. Wer dann ganz hinein gehen will, wird um die sechs Bände nicht herum kommen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie … am besten einen Koch oder Lebensmittelhändler.
Nathan Myhrvold & Maxim Bilet, Modernist Cuisine at Home Taschen, Köln, 2017, 688 Seiten, 99,00 Euro, ISBN 978-3-8365-4648-5
Brot backen in Perfektion mit Sauerteig
Wer sich bereits vom Plötz-Prinzip für Hefebrote von Lutz Geißler hat infizieren lassen, der dürfte auch für den Plötz-Virus mit Sauerteig empfänglich sein. Denn das, was der Autor jetzt nachgelegt hat, steht dem Vorgängerwerk in nichts nach. Tatsächlich ist es ihm gelungen, die so einfache Methode des ersten Buches auch auf “Brot backen in Perfektion mit Sauerteig” zu übertragen. Mehr noch: Mit seinen einfachen wie präzisen Rezepten, den leicht und gut verständlichen Anleitungen beweist er, dass sich entgegen jeder Lehrmeinung hervorragende Brote und Brötchen sowie Feingebäcke mit einem Sauerteig backen lassen, den man normalerweise noch nicht einmal als einen gut geführten Sauerteig bezeichnen würde. Geißler nennt das, was er da entwickelt hat, „nullstufigen Sauerteig“. Wie schon in seinem ersten Buch hat der „Backpapst“ auch alle Schritte bei der Arbeit mit Sauerteig auf ein Minimum reduziert, ohne bedeutende Verluste in der Brotqualität zu erleiden. „Wenn man nichts mehr reduzieren kann, dann ist die Perfektion erreicht“, umschreibt Geißler das Motto, das sich wie ein roter Faden durch beide Bücher zieht: Weniger ist mehr. Dabei ist sein neues Werk so angelegt, dass beide Bücher, wie er es nennt, „auf eigenen Beinen stehen können“, da sich an manchen Stellen Inhalte des ersten Buches wiederholen. Insofern ist die Sauerteig-Variante für Anfänger ebenso geeignet wie für Fortgeschrittene, die ihre bisherigen Backergebnisse bei den 60 beschriebenen Klassikern sicher optimieren können. „Mehl und Wasser. Mehr brauchte das erste Brot der Welt vor Jahrtausenden nicht“, beginnt Geißler sein neues Buch. Schön, dass es dabei bis heute geblieben ist. Was soll ich sagen? Wer bei der Lektüre nicht endgültig zum Backfan wird, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen.
Lutz Geißler, Brot backen in Perfektion mit Sauerteig Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2017, 192 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-95453-139-4
Michelangelo und Hieronymus Bosch
Dass Größe nicht alles ist, beweist der TASCHEN Verlag mit seiner Buchreihe Bibliotheca Universalis, die im „TASCHEN-Format“ ziemlich „kompakt, smart und unschlagbar günstig“ daherkommt, wie es der Verlag zu Recht selbst so beschreibt. Rund 100 seiner Lieblingstitel hat der Verlag in eine neue Form gegossen und damit sozusagen für jedermann die Möglichkeit geschaffen, sich für einen erschwinglichen Preis von 14,99 Euro seine eigene Bibliothek zu Kunst, Kultur und Körperkult zusammen zu stellen.
Doch können Kunstbücher in so einem Mini-Format wirklich überzeugen, vor allem wenn man schon durch XL-Formate des Verlages im positiven Sinn „verdorben“ worden ist? Oma und Opa haben die Probe aufs Exempel gemacht: Opa hatte Oma 2003 zum Geburtstag, also im Erscheinungsjahr des Buches, „Leonardo da Vinci . Sämtliche Gemälde und Zeichnungen“ geschenkt. Seitdem liegt dieser beeindruckende Bild-Band, der zudem noch viele, viele Hintergründe enthält, immer offen da und gibt fast täglich immer ein anderes Bild zum Besten. Jetzt wollten wir wissen, ob auch das neue Format gleichermaßen begeistern kann. Und um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Ja, es kann!
Die beiden Bücher, die wir zum Vergleich herangezogen haben, sind „Hieronymus Bosch“ und „Michelangelo“, jeweils das vollständige Werk und das im Format 14 x 19,5 Zentimeter. Auch wenn diese Größe noch nicht einmal die Hälfte von dem Format ausmacht, was bei uns mit 30 x 45 Zentimeter (herum) liegt, so stellen beide Werke mit ihren Bildern, Texten und Zitaten wunderbare Nachschlagewerke dar, die in keiner Kunstbibliothek fehlen sollten.
„Michelangelo“ umfasst das ganze Werk des vielseitigen Renaissance-Künstlers, bestehend aus Malerei, Skulptur und Architektur. Die beiden Autoren Frank Zöllner und Christof Thoenes sind auf den 800 Seiten ihrem Ruf als ausgewiesene Experten der Kunst und Architektur der Renaissance mehr als gerecht geworden. Die abgebildeten Werke sind einmal im Ganzen und dazu mit vielen Detailausschnitten gut zu betrachten. Ergänzt werden die Fotos und Kapitel mit Zitaten.
Auch bei „Hieronymus Bosch“ zeigt das „TASCHEN-Format“, dass diese Größe gegenüber der XXL-Ausgabe nicht unbedingt ein Nachteil sein muss, um das vollständige Werk von Jeroen Bosch ganzseitig und in gelungenen Ausschnittvergrößerungen auf 517 Seiten abzubilden. Zudem vermittelt Autor Stefan Fischer seine Expertise über Bosch erwartungsgemäß brillant und gut verständlich.
Auch wenn man sich die Abbildung natürlich immer so groß wie möglich wünscht, besteht der Nachteil doch eben darin, dass man sich dann die XL- bzw. XXL-Formate von TASCHEN anschaffen muss, und damit richtig große und schwere Bücher im Schrank hat, mit denen man beim Nachschlagen nicht so bequem hantieren kann wie mit den beiden kleineren Werken.
Michelangelo. Das vollständige Werk. Malerei, Skulptur, Arichitektur
TASCHEN, Köln, 2017, 800 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-8365-3714-8
Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk
TASCHEN, Köln, 2016, 520 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-8365-3839-8
In dem Jahr, in dem Opa das Licht der Welt erblickt, erscheint auch die „Bild Zeitung“ zum ersten Mal – knapp fünf Monate zuvor am 24. Juni 1952. Zum 65. Jahrestag haben der Axel Springer Verlag und TASCHEN in einer einzigartigen Kooperation das BILD-Buch in einer aktiualisierten Neuauflage herausgegeben, die ein beachtliches Dokument deutscher Geschichte ebenso wie eine Chronik der Weltpolitik darstellt. Die Wirtschaftswunderjahre der jungen Bundesrepublik, Pillenknick und erste Mondlandung, den Terror der RAF, Bumm-Bumm-Boris und „Wir sind Papst” sowie die Politikeraffären unserer Tage findet man auf den 781 Titel-Seiten, die es lohnt, sich Blatt für Blatt anzuschauen. An Opas Geburtstag beispielsweise zeigt die BILD „erste Funk-Photos aus USA“ und vermeldet u.a.: Tausende von Lesern suchen Frau X, Schulen haben genug Kohlen, Freispruch für Thorbeck und Huppenkothen und Picasso bemalte Mauer. Ein Jahr später, am 6. November 1953, steht die Ehe-Reform im Brennpunkt, was die BILD zur Schlagzeile veranlasst: Wer seine Braut verlässt, der zahlt. Als Opa zehn Jahre alt wird, befindet sich die Spiegel-Affäre auf einem ihrer Höhepunkte, die BILD mit der Überschrift dokumentiert: Auch für 1 Million Augstein nicht frei. Und einen Tag, bevor Opa Oma am 20. Januar 1974 kennenlernt, weiß BILD zu berichten: Uri Geller verbiegt ganz Deutschland. Gleichzeitig explodiert über Deutschland ein Meteorit und Opel macht 14 Tage zu. So gehen die Jahre dahin. Als Opa sich entschließt, seinen Blog zu starten und den ersten Post live zu stellen, findet das zwar keinen Widerhall in der BILD, dafür bewegt aber ein anderes Jahrtausend-Ereignis die Welt, das sie so seit 719 Jahren nicht mehr erlebt hat: Mit Benedikt XVI. tritt der Papst zurück. Was soll ich sagen? Das Buch ist ein wunderbares Kaleidoskop: vielfältig, bunt und abwechslungsreich. Auch so kann man im digitalen Zeitalter Geschichte noch haptisch vermitteln. Auch die BILD sagt mehr als tausend Worte.
Julian Reichelt, Jean-Remy von matt, Vitali Klitschko, Das BILD-Buch TASCHEN, Köln, 2017, 812 Seiten, 39,99 Euro, ISBN 978-3-8365-7074-9
Die 70 einfachsten Gesund-Rezepte
Haute Cuisine und gesundes Essen – für viele ist das ein Widerspruch in sich. Denn all die Zutaten, mit denen Sterneköche ihre Kreationen so gerne abrunden, gelten als die Cholesterin-Bomben, die den Genussmenschen den Garaus machen. Dass dem nicht so sein muss, hat jetzt einmal mehr die Medizinerin Anne Fleck gemeinsam mit der Spitzenköchin Su Vössing unter Beweis gestellt. Die 70 einfachsten Gesund-Rezepte, heißt ihr neuestes Werk, mit dem sie Mut machen und dem Mainstream widersprechen will: „Gesundes Essen ist einfach! Modernes gesundes Essen bedeutet weg vom Komplizierten hin zum Einfachen und orientiert sich – ohne rigide Dogmen – am Stand der Wissenschaft. Gesundes Essen und Lässigkeit gehören zusammen.“ Wer erst einmal noch Zweifel hat und fade wie fett- und farblose Gerichte vor sich sieht, wird schnell eines Besseren belehrt. Doc Fleck, als die sie durch die Fernsehserie „Die Ernährungsdocs“ im NDR-Fernsehen bekannt ist, und Su Vössing haben in der Tat „köstliche Rezepte entwickelt, die in ihrer Einfachheit sorgsam und liebevoll ausgeklügelt sind und ganz ohne komplizierte Nährstofftabellen auskommen.“ Eine kleine Auswahl gefällig: Gebundene Fischsuppe, Matjessalat mit Linsen und Apfel, Süßkartoffelpuffer mit Knoblauchschmand, gebratene marinierte Lammfilets mit Süßkartoffeln aus dem Ofen, Saltimbocca in Zitronensauce mit Drillingen, Hähnchenspieße mit pikantem Melonensalat, Rindtatar mit Papaya, gebratener Lachs auf Austernpilzen, Mango-Gratin oder Beerensalat mit Birne und Joghurtnocke – also, von der Vorspeise bis zum Nachtisch, alles, was das Herz begehrt. Was soll ich sagen? Da halte ich es ganz mit Doc Fleck: „Die Ausrede: ‚Ich kann nicht kochen.’ zählt nicht wirklich“, und schließe mit ihren Worten: „Machen Sie was draus, denn gesund zu essen ist einfach. So is(s)t es!“
Anne Fleck und Su Vössing, Die 70 einfachsten Gesund-Rezepte Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2017, 192 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-95453-137-0
Smart Cooking – Einfacher geht’s nicht
Wer mag schon nach einem langen und harten Arbeitszeit noch stundenlang in der Küche stehen? Eigentlich niemand. Und dennoch kann es „leicht, frisch, möglichst gesund, aber vor allem richtig lecker“ sein. Björn Freitag, Deutschlands jüngster Sternekoch, als er 2001 zum ersten Mal die „Guide Michelin“-Auszeichnung erhielt, zeigt in seinem neuen Buch, wie es geht. In „Smart Cooking“ beschreibt er, wie man mit einer Grundausstattung von 61 Basics, einem Einkauf, der in 3 Minuten erledigt sein sollte, und Rezepten, die nur wenige Minuten in nur einem Topf oder einer Pfanne benötigen, ein Abendessen ohne viel Aufwand, aber trotzdem mit viel Raffinesse zubereiten kann. Dabei reicht die Bandbreite der 70 Gerichte von Fleisch über Geflügel, Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte bis hin zu Suppen und Salaten. Wer denn alles selber machen möchte, bekommt noch einige Grundrezepte geliefert, so dass er wie beispielsweise bei den Maultaschen gar nicht mehr einkaufen gehen muss – so er Feldsalat und Meerrettich bereits im Haus hat. Die schnellsten Gerichte sind mit 15 Minuten Schweinebraten/Eisbergsalat/Erdnüsse, Spiegelei/Schmortomaten/Kirschtomaten und Thunfisch/Kapern/Jogurthmayo/Röstbrot. Getoppt wird das nur noch von Krustenbrot/Artischocken/Edamer/Ricotta, was mit 12 Minuten zu Buche schlägt. Was soll ich sagen? Endlich mal ein Kochbuch für, wenn man so will, “Fast Food mit Stern” – eine echte Alternative für Berufstätige und Studierende, die nicht nur auf Kantine oder Mensa beschränkt bleiben oder auf den Lieferservice warten wollen. Das Ganze macht im konkreten Fall in der Summe 70 Sterne. Danke Björn Freitag.
Björn Freitag, Smart Cooking Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2017, 168 Seiten, 28,00 Euro, ISBN 978-3-95453-128-8
Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Buchrezension gleich hinter der von Die japanische Küche kommt. Denn “Washoku” ist die logische Fortsetzung des Grundlagenbuches von Kimiko Barber, der in London lebenden japanischen Erfolgsautorin. Man kann es auch anders formulieren: Erst die Pflicht und dann die Kür. Denn “Washoku” gleicht eher einer Praxisanleitung nach dem Motto: Japanische Küche leicht gemacht. Insofern kann man an dieser Stelle ruhig den Pressetext zitieren: „Auf 256 Seiten finden sich jede Menge leicht umsetzbare traditionelle und moderne Rezepte der japanischen Küche sowie geniale Interpretationen und Ideen der Autorin, die es ermöglichen, die japanische Art zu kochen auf unkomplizierte Art und Weise in den europäischen Küchenalltag zu integrieren.“ Was soll ich sagen? Besser hätte ich das auch nicht zusammenfassen können. Wer sich für die japanische Küche interssiert, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen. Dass die als “Washoku“ bezeichnete japanische Küche im Dezember 2013 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Kimiko Barber, Washoku
Hädecke Verlag, Weil der Stadt, 2017, 256 Seiten, 32,00 Euro, ISBN 978-3-7750-0766-5
Der Buchrücken verspricht nicht zuviel: „Das Standardwerk zur Küche Japans“ heißt es da, das gelobt wird als „Authentisches Zeitdokument und Kochbuch in einem: Philosophie, Brauchtum und Kultur der japanischen Küche“. Insofern kann es nicht verwundern, dass „Die japanische Küche“ aus dem Hädecke Verlag bereits in der 4. Auflage erschienen ist. Und obwohl auch das schon etwas zurückliegt, ist das Buch aus dem Jahre 2015 unverzichtbar für all diejenigen, die nicht nur in diese einzigartige asiatische Küche eintauchen wollen, sondern denen es auch um Land und Leute geht. Dabei schließt das Buch in der Tat eine Lücke, die nicht selten in Kochbüchern zu finden ist. Denn neben der Vorstellung des Landes, seiner Rezepte und Küchentradition erklärt es „auch die wichtigsten Grundzutaten, wie sie verwendet, hergestellt und gelagert werden sollten und was beim kauf zu beachten ist.“ Was soll ich sagen? Wer sich von diesem Buch nicht sofort inspirieren lässt und in Anlehnung an eines der 200 Rezepte etwas Vergleichbares auf den Teller bringt, dem ist nicht zu helfen – und dieses Werk eigentlich zu schade.
Kimiko Barber, Die japanische Küche
Hädecke Verlag, Weil der Stadt, 2015, 240 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-7750-0477-0
China modern – Die neue chinesische Küche
Wer sich für die Küchen Asiens interessiert, kommt an der chinesischen Küche nicht vorbei – auch wenn es die – streng genommen – gar nicht gibt. Zu vielfältig sind die Regionalküchen, von denen hierzulande vor allem die Chuan-Küche aus Szechuan und die kantonesische Yue-Küche bekannt sind. Eines jedoch ist allen gemein: Das Kochen im Wok mit seinen Kochtechniken Pfannenrühren, Dämpfen und Frittieren. Einen begeisternden Einblick in diese exotische Küchenwelt gibt hier die in London lebende Fernsehköchin Ching-He Huang, die in ihrem Buch „China modern – Die neue chinesische Küche“ ihren ganz persönlichen Weg geht. Nach eigenen Interpretationen von chinesischen Snacks präsentiert sie die gute traditionelle Küche, von der sie dann Brücken gen Westen und andere asiatischen Länder schlägt. Das ist Fusionsküche at its best, wie man sie leider immer noch zu selten findet. Was soll ich sagen? Das Buch bietet nicht nur über 100 innovative wie relativ einfach nachzukochende Rezepte, sondern einen unendlichen Fundus für weitere Fusionsideen. Wer chinesisch kochen will – und modern dazu -, sollte dieses Buch unbedingt in seiner Kochbuchsammlung haben.
Ching-He Huang, China modern – Die neue chinesische Küche
Hädecke Verlag, Weil der Stadt, 2007, 160 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-7750-0508-1
Inside Chefs’ Fridges – Spitzenköche öffnen ihre privaten Kühlschränke
Es gibt sicher viele Möglichkeiten herauszufinden, wer jemand wirklich ist. Carrie Solomon und Adrian Moore haben eine ganz besondere genutzt, um hinter die Fassade europäischer Spitzenköche zu schauen und einen tiefen Blick ins private Innerste dieser kulinarischen Kunsthandwerker zu werfen. Zeige mir deinen Kühlschrank und ich sage dir, wer du bist, lautete ihr Motto bei der Suche nach Anwtorten auf Fragen wie: Was essen sie gerne abseits ihrer beruflichen Zwänge? Was kaufen sie für ihre Partrner oder Familien ein? Wo lagern sie die Zutaten für ihre Gerichte? Was bereiten sie für ihre Liebsten zu? Beruhigendes Ergebnis für all diejenigen, die nicht am kulinarischen Sternenhimmel strahlen: Zu Hause beim Küchenchef herrscht eine andere Realität als in seiner Profiküche. Das wird vor allem bei den angebotenen Rezepten deutlich. Da gibt es den Tomatensalat, toakanische Bohnen, ein Sandwich, gebratene Hähnchenoberschenkel, Omlette oder einfach nur einfache Salate. Es versteht sich aber natürlich von selbst, dass die meisten Rezepte mit kulinarische Finessen aufwarten. So finden sich neben den Tomaten Büffelmozarella, Kirschen, schwarze Oliven und Korianderblüten. Auf dem Bauernweißbrot liegt Ahornspeck. Die Hähnchenoberschenkel baden in einer Rotwein-Honig-Sauce. Das Omeltte ist gespickt mit Kartoffelchips. Und bei den Salaten geht es nicht ohne Apfelessig, Traubenkernöl, gemahlenen Safran, Ingwerwurzel oder Piment d’Espelette. Was soll ich sagen? Es macht richtig Spaß, die Vorlieben der großen Köche zu studieren. Anregungen zum Nachmachen gibt es genug. Und wenn man mal eine Zutat nicht im eigenen Kühlschrank findet? Egal? Man kann auch eine andere nehmen. Denn in seiner Küche ist jeder seiner eigener Chef.
Carrie Solomon und Adrian Moore, Inside Chefs’ Fridges
Taschen Verlag, Köln, 2015, 328 Seiten, 39,99 Euro, ISBN 978-3-8365-5352-0
Es klingt wie eine kulinarische Verheißung: Gut und günstig, frisch und nahrhaft, mit wenig Aufwand und ohne viele Geräte. Doch es gibt sie bereits diese Küche, in der die Tradition zählt, weniger das Experimentieren, in der es um Gerichte geht, die über Jahre, ja sogar Jahrzehnte perfektioniert wurden, Gerichte, bei denen nicht herumgepfuscht wird. Und wer könnte dem interessierten Leser diese Küche näher bringen als Tracey Lister und Andreas Pohl. Die australische Köchin lebt mit ihrem Mann in Hanoi und betreibt dort erfolgreich eine Kochschule. Dass sie die vietnamesische Straßenküche, um die es hier geht, liebt, wird schon auf den ersten Seiten deutlich. „In allererster Linie stehen die hier vorgestellten Rezepte für die Gerichte, die wir persönlich auf der Straße am liebsten essen“, heißt es da. Doch gleichzeitig haben die beiden – erfolgreich muss man sagen -versucht, „eine ausgewogene Auswahl von Gerichten aus dem ganzen Land vorzustellen und die verschiedenen Zubereitungsmethoden abzudecken, vom Frittieren bis zum Dämpfen.“ Die Rezepte sind auf sieben Kapitel aufgeteilt – fünf mit herzhaften Gerichten, eines mit Süßspeisen und eines zu den verschiedenen Dipsaucen und Beilagen, die jede vietnamesiche Mahlzeit begleiten. Dass das erste Kapitel den Frühlings- beziehungsweise Sommerrollen, Vietnams wohl berühmtestem Exportschlager, gewidmet ist, ist ein kluger Schachzug und dürfte den meisten Freunden der vietnamesischen Straßenküche so richtig Appetit machen. Was soll ich sagen? So schön kann Fast Food sein, jedenfalls die vietnamesische Version davon.
Tracey Lister und Andreas Pohl, Vietnamesische Straßenküche AT Verlag, Arau und München, 208 Seiten, 2016, 26,95 Euro, ISBN 978-3-03800-897-2
Steaks – Meisterstücke für Männer
Jedes Stück Rindfleisch, das auf einem Teller landet, war einmal ein Lebewesen. Das sollte man nicht vergessen, und nicht erst, wenn man zu Messer und Gabel greift. „Wahrscheinlich wären die meisten Umweltprobleme und Ernährungsskandale der Menschheit auf einen Schlag beseitigt, wenn jedermann nur noch das Fleisch von Tieren essen dürfte, die er mit seinen eigenen Händen ums Leben gebracht hat“, beginnt das Buch, dessen Titel eigentlich schon alles aussagt: STEAKS – Meisterstücke für Männer. Darin ist es Peter Wagner gelungen, den Weg des Fleisches von der Weide bis auf den Teller fachkundig zu begleiten und diesem Lebensmittel den Respekt entgegenzubringen, den es verdient. „Schlachtung, Zerlegung und Reifung“, „Trockenreifung“ sowie „Vor- und Zubereitung“ lauten die Kapitel, mit denen zielgerichtet auf die verschiedenen Cuts mit den dazu passenden Rezepten hingearbeitet wird. Vom Porterhouse bis zum Strip Loin vom Txogitxu ist alles zu finden, was der Steak-Liebhaber begehrt. Abgerundet wird das Ganze mit einem Überblick über Salze, Pfeffer- und Chilisorten sowie „Best of“-Rezepten von Rubs, Marinaden, Saucen, Chutneys und Butter. Wen dann noch Rindrassen und die Vermarktung des Fleisches interessieren, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Besondere Erwähnung verdienen noch die Fotos, die einfach Appetit und Lust auf mehr machen. Was soll ich sagen? Ein rundum gelungenes Buch, das Männerherzen höher schlagen lässt.
STEAKS – Meisterstücke für Männer Tre Torri, Wiesbaden, 2016 (3. Aufl.), 254 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-94468-48-6
Die Kochprofis – Unsere Kochschule
Sie sind immer noch auf RTL II im Einsatz am Herd, die Kochprofis Frank Oehler, Ole Plogstedt, Nils Egtermeyr und Andreas Schweiger. Aber nicht nur verzweifelte Wirte dürfen hoffen, auch für Menschen, die bislang das Wasser auf dem Herd haben anbrennen lassen, gibt es Hoffnung. Die Kochprofis gibt es zwar schon länger im Verlagsprpogramm von Tre Torri. Aber sie sind so aktuell wie eh und je. Vor allem Band 1 der mittlerweile auf 5 Bücher angewachsenen Reihe ist wirklich ein klassisches Standardwerk, in dem ein Kochanfänger alles, aber auch alles findet, was er für seinen ganz persönlichen Einsatz am Herd benötigt. Wer es mit diesem 1 X 1 des Kochens nicht schafft, sich ohne Tiefkühlkost und Fast Food zu ernähren, bei dem ist Hopfen und Malz verloren. Es fängt an mit den Utensilien, die man in der Küche so braucht. Und es hört auf mit dem Nachtisch-Klassiker Crème brûlée. Dazwischen liegen 140 Seiten geballtes Wissen, das selbst noch für erfahrene Hobbyköche den einen oder anderen guten Tipp auf Lager hat. Was soll ich sagen? „Ich kann nicht kochen“ gilt als Ausrede nicht mehr, jedenfalls nicht mehr, seit es dieses Buch gibt. Und wer sein Wissen mit den Kochprofis weiter vertiefen will, hat ja in den übrigen vier Bänden genügen Auswahl.
Die Kochprofis – Unsere Kochschule Tre Torri, Wiesbaden, 2015 (11. Aufl.), 160 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-944628-87-7
Das Buch ist der Hammer. Wenn es abc – Die Küchenbibel nicht schon gäbe, müsste diese Enzyklopädie der Kulinaristik noch, oder besser gesagt, sofort geschrieben werden. Da bleibt keine Frage offen. Auf 1.248 Seiten findet sich wirklich alles, was man rund um die Küche wissen muss. Das fängt bei % Vol. (Angabe zum Alkoholgehalt in Wein, Bier, Spirituosen usw. in Volumenprozenten) an und hört bei Zytotoxin (Zellgift) auf. Dazwischen findet man beispielsweise Estufa (Warmhaus in Portugal, um die Madeiraweine reifen zu lassen), Laguipière (Koch Napoleons I., später Murats, des Königs von Neapel, in dessen Diensten er mitzog beim Russland-Feldzug Napoleons, wo er 1812 bei Wilna erfror), Pithiviers (Blätterteiggebäck mit einer Fülle aus geriebenen Mandeln, Puderzucker, Ei, Butter und Rum), Souskai (Gericht aus Avocadowürfeln, die in Limettensaft, Knoblauch, Chilischoten, Salz und Piment mariniert wurden) oder Wologodski (russischer runder, geräucherter Käse aus Kuhmilch mit einem Gewicht von 2 kg). Selbst die Frage „Wie kommen die Löcher in den Käse?“ wird beantwortet, indem es auf Seite 481 unter Käse heißt: „Das sich bildende Kohlendioxid im Käse lässt die typischen Löcher entstehen.“ Und auch der Tipp, Artischocken nie im Eisen- oder Aluminiumtopf zu kochen, weil sie sonst grau-schwarz werden, kann durchaus nützlich sein. Etliche Tabellen runden das umfangreiche Werk von Gastronom Hans-Joachim Rose ab, das in dieser Form wirklich einzigartig ist. Was soll ich sagen? Ich bin restlos begeistert.
Hans-Joachim Rose, abc – Die Küchenbibel Tre Torri, Wiesbaden, 2015, 1.248 Seiten, 79,90 Euro, ISBN: 978-3-944628-82-0
Es ist schon bemerkenswert, wenn in einer Autobiografie mit dem Titel My Way das erste Bild des Protagonisten erst auf Seite 24 zu sehen ist und gerade einmal eine Größe von 4,2 x 6,2 Zentimeter aufweist. Aber Tim Raue hat es auch nicht nötig, sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Denn mit seiner durch zwei Sterne ausgezeichneten Küche hat er es als bester Deutscher auf Platz 34 von The World´s 50 Best Restaurants geschafft. Darauf kann er zu recht stolz sein, war sein Weg dorthin alles andere als vorgezeichnet. Und so erzählt das Buch, wie er selber sagt, seine Geschichte, seinen Weg „aus der Gosse in Kreuzberg in den kulinarischen Sternenhimmel. Es ist der Weg eines kleinen Berliner Jungen, der mit preußischem Fleiß, Willensstärke, Ehrgeiz, Disziplin und Struktur den Stromschnellen und Abgründen des Lebens trotzte und zu einem der besten Köche der Welt wurde.“ Die Auswahl der Zitate spiegelt dabei in trefflicher Weise seine Entwicklung wider. Da heißt es auf Seite 44, auf der Raue seine ersten kulinarischen Gehversuche beschreibt: „Ich hatte etwas gefunden, worin ich gut war, und ich erkannte in der Küche rasch etwas anderes: Ich konnte ein Tempo gehen und das über einen Zeitraum, den die meisten anderen nicht hinbekamen.“ Ein wenig später ist zu lesen: „Ich lernte, dass man seine Wünsche zuerst auch mit einem Lächeln vortragen konnte und dass diese Methode durchaus auch zum Ziel führte.“ Zur „Küchenbande“ im SWISSÔTEL schreibt er: „Ich schuf eine Gang, wie ich es schon als Jugendlicher von den 36 Boys gekannt hatte.“ Wer Raues Küchenphilosphie verstehen will, braucht eigentlich nur das Zitat auf Seite 60 zu lesen: „Hier zelebrierte ich meine Idealvorstellung aus thailändischer Aromatik, japanischer Produktperfektion und kantonesisch-chinesischerm Yummy-Essen.“ Dass er dabei „den Teil der Gäste aus den Augen verlor, der mich groß gemacht und der mir immer die Stange gehaltten hatte: Die Berliner“, erkannte er im MA TIM RAUE nicht, wusste diesen Fehler aber im RESTAURANT TIM RAUE zu vermeiden, denn dort, so schreibt er, „zelebriere ich, was ich am besten kann: Ich übersetze bestehende Gerichte in die Hochküche. Exemplarisch dafür steht der Wasabi-Kaisergranat, mein Signature-Gericht.“ Dieses Rezept ist denn auch eins von 70 seiner besten Rezepte, die er in dem Buch neben 40 Grundrezepten präsentiert und zu denen eine Japanische Tuna Pizza ebenso gehört wie Kaviar & Berliner Senfei. Was soll ich sagen? Dieses sehr persönliche Kochbuch gibt den Weg frei für einen Blick in Tim Raues Welt, die er als „egozentrisches Universum, völlig subjektiv und unangepasst“ bezeichnet, die aber auch wohl eines der genialsten kulniarischen Versuchslabors unserer Zeit darstellt.
Tim Raue, My Way Callwey Verlag, München, 2017, 288 Seiten, 49,95 Euro, ISBN: 978-3-7667-2265-2
Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt light
Wie kann man sich gut ernähren, ohne dabei zuzunehmen, wenn man etwas anderes essen will als drei Salatblätter, einen Joghurt und einen Apfel? Die Antwort lautet kurz und bündig: Man nehme Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt light zur Hand! Mit der bewährten Simplissime-Methode, bei der maximal sechs Zutaten zum Einsatz kommen, beweist Jean-François Mallet, dass man nicht nur lecker und abwechslungsreich, sondern gleichzeitig auch gesund und kalorienbewusst kochen kann. Selbst Ketchup und Mayonnaise oder die Gänsestopfleberterrine kommen da fast als Schlankmacher daher. Und auch die Light-Variante des Kochbuchbestsellers bleibt dabei: Schnell, unkompliziert und für jeden Geschmack, so dass man mit wenig Zeit meisterhafte Gerichte zubereiten und bei den Gästen richtig Eindruck schinden kann. Was soll ich sagen? Wer auf den 384 Seiten bei 200 zum Teil ausgesprochen einfallsreichen Rezepten nicht fündig wird, dem ist nicht (mehr) zu helfen.
Jean-François Mallet, Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt light Edition Michael Fischer, Igling, 2017, 384 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-86355-716-4
Was is(s)t Deutschland – Eine Kulturgeschichte über deutsches Essen
Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist. Ganz im Sinne des Franzosen Jean Anthelme Brillat-Savarin, der diesen wunderbaren Satz geschaffen hat, liest sich das Buch Was is(s)t Deutschland von Ursula Heinzelmann. Dass das Buch zuerst in englischer Sprache erschienen ist, beweist dabei nur, dass das Ausland offensichtlich längst weiter ist als manche Deutschen selbst, die nach wie vor, wie die Autorin es formuliert, „am Selbstbild der kulinarischen Banausen hängen“. Und so wundert es denn den geschichtsbewussten Leser auch nicht, wenn Heinzelmann zu einem Urteil kommt, das nur durch ihren „offenen, intelligenten und unerschrockenen Blick zurück“ möglich ist und sich dann gleich in der Einleitung so liest: „Deutschland liegt mitten in Europa, zwischen slawischer und römischer Historik, kaltem Norden und warmem Süden, Meer und Bergen. Immer wieder sind Menschen hier durchgezogen, haben ihre Essgewohnheiten mitgebracht und ihre Spuren hinterlassen. Die Offenheit und Aufnahmefähigkeit gegenüber diesen Einflüssen ist trotz aller geschichtlicher Störfaktoren bis heute ein wesentliches Merkmal unseres kulinarischen Wesens. Statt uns verzweifelt an etwas Statisches zu klammern, das unbedingt bewahrt werden muss, wie etwa die Haute Cuisine im Fall der Franzosen, haben wir Neues in immer neuen Schichten angenommen, unsere Esskultur den veränderten Bedingungen immer wieder angepasst. Die so häufig als Nachteil angeführte dezentrale Struktur unseres Landes, im Gegensatz etwa zu London und Großbritannien oder Paris und Frankreich, hat bei genauerer Betrachtung ihre positiven Seiten, weil sie Vielfalt und Aufgeschlossenheit auf die Dauer geradezu zwangsläufig unterstützen muss. Durch die lange politische Zerstückelung ist eine Vielzahl von Regionalküchen entstanden, von denen jede einzelne wiederum ein komplexes Gebilde mit unzähligen Soziologie-ökonomischen und kulturellen Schichtungen darstellt. Currywurst hin oder her, wir haben nicht nur nur keine nationale Haute Cuisine, sondern nicht einmal ein Nationalgericht, aber auch das hat durchaus seine Vorteile. Essen in Deutschland war nie einheitlich, sondern immer komplex.“ Und ihr Parforceritt durch die Essgeschichte dieses Landes macht das mehr als deutlich. Er fängt an in der Jungsteinzeit sowie der Bronze- und Eisenzeit, geht weiter über die Zeit der Römer in Germanien, schlängelt sich durch verschiedenen Abschnitte des Mittelalters, erreicht die frühe Neuzeit und endet heute im wiedervereinigten Deutschland. Wer nicht auf Rezepte aus ist, sondern sich für die dazu gehörende Zeit interessiert, ist in diesem Buch genau richtig. Und er wird auch nicht erstaunt sein, dass das Ende offen ist und mit der wohl zwangsläufigen Frage schließt: Wie werden sich die deutschen Essgewohnheiten entwickelt: was wird die nächste Schicht sein? Heinzelmanns Antwort ist komplex und einfach zugleich: „Unser fiktiver Nürnberger“, so schreibt sie, „isst heute vielleicht Sauerkraut und morgen Sushi, aber auch mittags gesunden Bio-Salat mit Tofu und am Abend schmalzduftende Pommes und ein Grillhaxe. Das is(s)t Deutschland heute.“ Was soll ich sagen? Es bleibt dabei: Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.
Ursula Heinzelmann, Was is(s(t Deutschland Tre Torri, Wiesbaden, 2016, 432 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-944628-78-3
BEEF! NOSE TO TAIL – Meisterstücke für Männer
Um es ganz vorsichtig zu sagen: Dieses Buch aus der BEEF! Kochbuch-Reihe ist ganz sicher kein Werk, das Frauen begeistert. Und das will es auch gar nicht, wie der Titel schon belegt. NOSE TO TAIL – Meisterstücke für Männer steht dort geschrieben – illustriert durch die, wie es im Buch später heißt, in Vergessenheit geratenen Teile von Rind, Schwein und Lamm, die da wären: Beinscheibe, Markknochen, Ohr, Rüssel, Schwanz, Spitzbein, Hachse, Magen. Den Herren der Schöpfung indes muss das Herz aufgehen. Dabei wird allerdings nicht nur der reinen Fleischeslust gefrönt, sondern, wenn auch zum Teil mit bildgewaltigen Ansichten aus dem Schlachthaus, inne gehalten. „Wenn ein Tier stirbt, damit wir sein Fleisch verzehren können“, schreibt BEEF!-Chefredakteur Jan Spielhagen in seinem Vorwort, „verdient es unseren Respekt. Erst gilt unser Respekt dem lebendigen Tier, dann dem Lebensmittel Fleisch.“ Denn, und da hat der Mann völlig recht: „Der Schlachtkörper eines Tieres besteht nicht nur aus Edelstücken wie Rumpsteak, Entrecôte, Schinken und Brust. Zu ihm gehört so viel mehr, auch Ohr, die Nase, die Hoden und der Schwanz.“ Und um „unsere moralische Verantwortung für die kulinarische Verwertung eines Schlachttieres“ wahrnehmen zu können, müssen wir wissen, „wie die einzelnen Stücke heißen, wo sie liegen, wie man sie küchenfertig machen und köstlich zubereiten kann. Und wonach wir unseren Schlachter fragen sollten. Genau dieses Wissen liefert dieses Buch.“ Obwohl es mehr Lust als Last ist, sich in diesem Sinne bis Seite 150 vorzuarbeiten, wird man hiernach fürstlich belohnt mit einer Rezeptemischung, die man aktuell so eher selten findet. Denn „Lamm Nuggets“ oder „Bull Tacos“ gehören nun nicht (mehr) gerade zu den Standard-Gerichten, die man täglich daheim zubereitet oder hierzulande im Restaurant bestellen kann. Das liegt nicht zuletzt darin begründet, dass die meisten Fleischtheken im Lande heute nicht mehr mit Lamm- bzw. Rinderhoden aufwarten, von Schwanz und Schnauze ganz zu schweigen. Was soll ich sagen? Wer sich auf diese Rückbesinnung zur Nachhaltigkeit nicht einlassen will, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Wer aber offen ist für Altes und Anderes, der wird hier auf seine Kosten kommen – ganz in dem Sinne: Wieder mehr Tier wagen!
BEEF! NOSE TO TAIL – Meisterstücke für Männer Tre Torri, Wiesbaden, 2016, 256 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-944-628-691
Simple – Kleiner Aufwand, grandioser Geschmack
Großen Hunger sollte man nicht haben, wenn man das erste Mal Diana Henrys Kochbuch Simple in die Hand nimmt. Denn viel weiter als Seite 16 kommt man nicht. Und dort steht nach dem Vorwort erst das fünfte Rezept: Huevos rotos – (spanische) Zerbrochene Eier. Wer Olivenöl, Zwiebeln, festkochenede Kartoffeln, Salz und Pfeffer, Knoblauch, Pimenton, Chiliflocken und Eier im Haus hat, wird vermutlich gleich loslegen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Buch der Britin hält, was es verspricht: Kleiner Aufwand, grandioser Geschmack! Dabei sind dort Rezepte beschrieben, die wirklich ohne großen Mühe geschmackliche Raffinesse erzeugen. „Im Großen und Ganzen finden sich zwei Arten von Gerichten in Simple“, schreibt die Autorin. „Die meisten sind einfache Alltagsgerichte. Manche sind eher für Wochenenden – Freitag- oder Samstagabend und Sonntagmittag – oder für Gäste gedacht. Sie sind immer noch einfach, erfordern jedoch ein wenig mehr an
Würste aus dem Ofen mit Wirsing, Äpfeln, Zwiebeln, Kartoffeln, in Calvados eingeweichten Rosinen und Cidre sowie braunem Zucker, Thymian und Kardamom (noch vor dem Ofen)
Aufwand. Es gibt niemanden, der sie nicht kochen kann. Sie brauchen keine besonderen Fähigkeiten, um sich, die Familie und Freunde gut zu bekochen. … Meist mangelt es nur an Ideen. Diese möchte ich in Simple geben.“ Und das tut sie. Noch ein Beispiel gefällig: Würste aus dem Ofen mit Äpfeln, Zwiebeln, in Calvados eingeweichten Rosinen und Cidre, die lediglich mit Thymian, braunem Zucker, Olivenöl sowie Salz und Pfeffer verfeinert werden. Das Rezept ist genial einfach und einfach genial. Vor allem aber eröffnet es noch Erweiterungs- und Variationsmöglichkeiten, die im konkreten Fall aus Wirsing, Kartoffeln und Kardamom bzw. Szechuanpfeffer bestanden. Dieses Essen können Sie jedem Gast, sei er noch so vornehm, vorsetzen. Was soll ich sagen? Man muss wirklich kein Profikoch sein, um, wie Henry es beschreibt, „die gewöhnlichen Bausteine der Gerichte in etwas Besonderes zu verwandeln.” Man muss es nur tun.
Diana Henry, Simple – Kleiner Aufwand, grandioser Geschmack ars vivendi, Cadolzburg, 2017, 336 Seiten, 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86913-759-9
Wer Hamburger nur mit Fast Food in einen sinnvollen Zusammenhang bringen kann, der hat keine Fantasie oder ihm fehlt einfach nur das Burger Unser. Denn dieses Buch ist mehr als nur ein Kochbuch, das sich um Hamburger dreht. Es ist vielmehr ein Standardwerk zu diesem Thema, das lange Bestand haben wird. Und, um in der Diktion der Autoren zu bleiben: Es dürfte schlechthin die wahre Burger-Bibel sein.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Verfasser von dem Credo haben leiten lassen: „Der Schlüssel zu perfektem Burger-Genuss ist schlicht, die Grundbestandteile zu perfektionieren.“ Und die sind nun mal in erster Linie das Brötchen und das (Hack-)Fleisch in Form eines Pattys sowie Sossen und Beilagen.
Foto: Daniel Esswein
Und wie die Götter vor den Erfolg den Schweiss gesetzt haben, haben die Buchautoren knapp ein Drittel der Seiten eben diesen Grundbestandteilen gewidmet, ehe man auch nur auf das erste Rezept eines Burgers stößt. Damit strafen sie all diejenigen Lüge, für die der Burger den Sündenfall in der (guten) Küche darstellt. Vielmehr handelt es sich hier um großes Küchenkino, wenn in Wort und Bild beschrieben wird, wie das perfekte Bun und das perfekte Patty hergestellt werden. Aber auch die Herstellung der Sossen und Beilagen ist eher als künstlerische Inspiration gedacht denn als sklavische Anleitung.
Wer sich denn genussvoll durch diese (ersten) 100 Seiten durchgearbeitet und noch nicht am Wasser verschluckt hat, das mittlerweile literweise im Mund zusammengelaufen ist, der hat es geschafft und ist bei den ersten beiden Burger(-Rezepten) angekommen: Der Cheeseburger und La Vie en Brie. Dabei stehen diese beiden Namen mehr oder weniger sinnbildlich für das, was den Burgerliebhaber im Folgenden erwartet. Das fängt an mit dem Klassik-Burger und endet mit K.-U.-K.-Monarchie. Dazwischen finden sich so klangvolle Namen wie: Der Germane, Der Fliegende Holländer, From Dusk till Burn, Burger mit den Scherenhänden, More Drama Baby, Der Imperator, So was von Davos, Low Carb Rider, Ente gut … und Puff Daddy sowie Ich bin kein Berliner.
Was soll ich sagen? Sicher gibt es bereits eine ganze Reihe guter Bücher über Burger. Aber das Bessere ist eben der Feind des Guten. Und so wird das „Burger Unser“ erst einmal das Nonplusultra der Burger-Küche sein.
Hubertus Tzschirner u.a., Burger Unser Callwey Verlag, München, 2016, 288 Seiten, 39,95 Euro, ISBN: 978-3-7667-2201-0
In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die dieser Ansicht sind, dann können Sie hier eigentlich aufhören weiterzulesen. Aber vielleicht wollen Sie ja doch Ihr bisheriges kulinarisches Universum verlassen und in die unbegrenzte Welt des Brotes eintauchen.
Und wenn Sie schon in die unendlichen Weiten neuer Esswelten vorstoßen wollen, dann hätten Sie es kaum besser treffen können, als auf das Plötz-Prinzip und das Buch Brot backen in Perfektion zu stoßen. Den Autor Lutz Geißler verfolgt nur ein Ziel: Einfaches, aber gutes Brot – ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr.
„Hartes Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart“, zitiert Geißler ein altes Sprichwort und reduziert seine Buchanleitungen auf das Wesentliche und beantwortet kurz und knapp die Frage: Was brauche ich zum Brotbacken? Das beinhaltet natürlich auch Zutaten, bevor er die einzelnen Arbeitsschritte erläutert. Und dann geht es auch schon los. 69 Rezepte warten darauf, ausprobiert und weiterentwickelt zu werden.
Dabei gilt eines unumstößlich: „Zeit ist die wichtigste Zutat im Brot. Je länger der Teig reift, umso bekömmlicher das Brot und umso mehr Geschmack.“ Damit die Messlatte nicht zu hoch liegt, gibt Geißler dem geneigten Leser Folgendes mit auf den Backweg: Für dieses Buch ist es nicht wichtig, dass die Brote und die Brötchen wie geleckt aussehen. Sie sehen aus wie handgemacht, aber in bescheidener Perfektion.“ Was soll ich sagen? Denn mal los!
Lutz Geißler, Brot backen in Perfektion Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2016, 192 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-95453-104-2
Deutscher Wein – Deutsche Küche
Deutscher Wein und deutsche Küche sind gemeinhin nicht das, was den meisten Menschen in den Sinn kommt, wenn von Haute Cuisine oder sternengekrönter Küche die Rede ist. Da denken viele noch an irgendwelche gesüßten oder gepanschten Himmelströpfchen und fettes Eisbein mit Sauerkraut. Doch weit gefehlt. Wer sich in der Küche nur ein wenig auskennt, weiß, dass das mittlerweile völlig anders ist. Die neue Generation Winzer hat sich längst von ihren Vätern und Großvätern losgesagt und produziert heute Weine, die international mehr als konkurrenzfähig sind. Und die deutsche Küche hat schon seit Jahren ihr verstaubtes Image abgelegt und kommt ziemlich modern daher. Diesem „emanzipierten Modernisierungsprozess“, wie Paula Bosch ihn nennt, tragen sie und Tim Raue mit ihrem Buch Deutscher Wein – Deutsche Küche Rechnung. Und die beiden hochkarätigen Genussexperten – sie Deutschlands Sommelière Nummer eins, er mit seinem nach ihm benannten Restaurant ebenfalls Deutschlands Nummer eins – lassen es richtig krachen. Während Paula Bosch dem Leser die wichtigsten Anbaugebiete, ihre
Foto: Joerg Lehmann
Winzer und Weine kompetent wie strukturiert näher bringt, beweist Tim Raue einmal mehr, dass Kochen eine Kunst ist – und er ein Meister. Da werden Kutteln zur Delikatesse, das Solei zur optischen Rarität und der Kopfsalat zur Aromenbombe. Die Bratwurst fehlt ebenso wenig wie Hühnersuppe, Pellkartoffeln oder Maultaschen. Und was dem Einen sein Rheinischer Sauerbraten ist, sind dem Anderen seine Königsberger Klopse. Im Grunde gibt es keinen Klassiker, der fehlt. Der absolute Hammer aber, und das kann ich als Allgäuer nun wirklich beurteilen, sind Spätzle & Mängisch. Also, Opas Kässpatzen sind ja schon nicht von schlechten Eltern. Aber das, was der Berliner aus dem schwäbischen Nationalgericht gemacht hat, ist wie von einem anderen Stern. Dabei sind die Spätzle in der Zubereitung noch das einfachste Gericht, wenn man sie mit anderen wie beispielsweise der Rehpastete vergleicht, die handwerklich in der Tat eine echte Herausforderung ist. Auch Köche mit Humor kommen auf ihre Kosten, wenn ich da an den Bienenstich denke, der mit einer Schokoladenbiene dekoriert wird. Was soll ich sagen? Wer Wert auf Details legt, sowohl beim Wein als auch bei den Gerichten, der ist bei diesem Buch genau richtig. Zeitgemäßer gehen deutscher Wein und deutsche Küche nun wirklich nicht.
Paula Bosch und Tim Raue, Deutsche Wein – Deutsche Küche Callwey Verlag, München, 2015, 28 Seiten, 39,95 Euro, ISBN 978-3-7667-2174-7
Querfeldein – Raffiniertes Foodpairing mit saisonalen Zutaten
„Was muss alles zusammenkommen und passieren, damit kein Mittelmaß entsteht?“ Wenn Frank Buchholz diese Frage in seinem Kochbuch Querfeldein stellt, darf man sich freuen. Denn die Antwort wird gleich mitgeliefert: „Wer Toplebensmittel produzieren will, darf nur ein Ziel haben: Das Stück, das nachher vor dem Koch liegt, muss perfekt werden!“ Zu dieser, seiner Philosophie gehört dabei auch der Verzicht darauf, „dass man beispielsweise Spargel und Erdbeeren durchgehend von Januar bis Dezember und für viel Geld von irgendeinem fernen Ort der Erde einfliegen muss.“ Auch das ist für ihn ein Stück Lebensqualität, die sich eins zu eins in seinen Rezepten widerspiegelt. Die orientieren sich dann auch an den Jahreszeiten und zeichnen sich durch Kombinationen aus, die selbst für fortgeschrittene Köche noch mit beachtlichen Überraschungen aufwarten können. Da darf man sich auf Schweinekinn, Morcheln, Mango und Malzbrot ebenso freuen wie auf Kalbsleber, Berberitze, Rucola und weiße Zwiebeln oder Schwarzfederhuhn, Haselnüsse, Eisenkraut und Champignons. Und wer würde schon nein sagen bei Lammrücken, Olivenkrokant, Artischocken und Paprika. Was soll ich sagen? Wer sich Qualität traut, ist bei Frank Buchholz richtig, auch wenn insbesondere bei seinen Rezepten gilt: Vor den Gaumengenuss haben die Küchengötter den Schweiß gesetzt.
Frank Buchholz, Querfeldein Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2016, 272 Seiten, 39,95 Euro, ISBN 978-3-95453-105-9
Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt
Sie haben Folgendes im Haus: Fließendes Wasser, einen Herd, einen Kühlschrank, eine Bratpfanne, einen gusseisernen Schmortopf oder Bräter, ein scharfes Messer, Salz und Pfeffer sowie Öl. Wenn Sie dann noch bis sechs zählen können, steht Ihrer Karriere als exzellenter Hobbykoch nichts mehr im Wege, sagen wir fast nichts. Sie müssen nur noch Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt erwerben oder sich schenken lassen, das gerade in zweiter Auflage bei der Edition Michael Fischer erschienen ist. Das Original stammt aus Frankreich und der Feder von Jean-François Mallet, der es unter dem Titel Le livre de cusine le plus facile du monde vergangenes Jahr veröffentlichte. In seinem Vorwort schreibt Mallet: „Dieses Buch ist genauso simpel wie eine Aufbauanleitung für schwedische Möbel: Zwei bis sechs Zutaten, jeweils mit Foto, ein paar Zeilen Zubereitungstext – das Ganze muss nur noch gar werden … und fertig!“ Und tatsächlich: Überraschend einfach und gleichzeitig raffiniert. Was soll ich sagen? Andere reduzieren stundenlang Saucen, Mallet hat die Rezepte auf das Wesentliche reduziert, so dass Sie mit wenig Zeit meisterhafte Gerichte zubereiten und bei Ihren Gästen richtig Eindruck schinden können. Guten Appetit.
Jean-François Mallet, Simplissime – Das einfachste Kochbuch der Welt Edition Michael Fischer, Igling, 2016, 384 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-86355-580-1
Die GU Kochbibel . Göttliche Rezepte von klassisch bis modern
Wer Das Prinzip Kochen durchschaut hat und nicht mehr erst kocht und dann entscheidet, was es ist, für den gibt es jetzt ebenfalls aus dem Hause Gräfe und Unzer Die GU Kochbibel mit den über 300 besten GU-Rezepten. Die reichen von den beliebtesten heimischen Klassikern wie Bayerischer Brotsuppe oder Königsberger Klopsen bis hin zu internationalen Hits wie Tom Kha Gai oder Tiramisu. Gegliedert ist das Ganze in acht Rezeptkapitel, angefangen bei Frühstück, Smoothies und Brotaufstriche über Fast- und Fingerfood, Salate und Vorspeisen, Suppen und Eintöpfe, vegetarische und vegane Hauptgerichte, Hauptgerichte mit Fleisch sowie Hauptgerichte mit Fisch und Meeresfrüchten bis hin zu Süßes und Desserts. Als Zugabe sozusagen gibt’s zu Beginn eines jeden Kapitels die “10 Gebote“ – Tipps und Tricks als – wie es der Verlag beschreibt – zeitlosen Beitrag für perfektes Gelingen. Was soll ich sagen? Da ist wirklich für jeden etwas dabei. Sogar für mich als Allgäuer Schwaben: Käsespätzle mit Zwiebeln. Allerdings werden die zu meinem Erstaunen nicht vom Brett geschabt. Aber es sind ja auch nicht die Allgäuer Kässpatzen von Opas Blog. 😉
Die GU Kochbibel
GRÄFE UND UNZER, München, 2016, 400 Seiten, 30,00 Euro, ISBN 978-3833857188
Das Prinzip Kochen . Kochen lernen? Im Prinzip ‘ne Kleinigkeit!
„Kannst Du kochen?“ Wer diese Frage mit der Gegenfrage beantwortet, „Ist das dieses Umrühren?“, für den gibt es jetzt was: Das Prinzip Kochen, ein Kochbuch, mit dem auch die etwas anfangen können, die bislang sogar Wasser haben anbrennen lassen. Dabei ist das Prinzip dieses Buch einfach genial, weil es genial einfach ist. Und dieses Prinzip funktioniert so: Bei jedem Grundrezept wird erst einmal das dahinterliegende Prinzip erklärt, damit klar wird, um was es eigentlich geht. Danach folgt als Rezeptbeispiel ein wirklich einfacher (aber leckerer) Prototyp, an dem man das Prinzip testen kann. Danach geht es schnurstracks rein ins Kreativlabor, in dem ausprobiert und variiert werden kann, bis man ganz ohne Rezept auskommt. Und wer immer noch nicht genug hat, für den gibt es noch zehn Zeitraffervideos, in denen jeweils ein Prinzip visualisiert wird. Was soll ich sagen? Wer nach der Lektüre dieses Buches nach wie vor erst kocht und dann entscheidet, was es ist, sollte seine Küche gleich ganz verkaufen und beim nächstliegenden Pizza-Service einen Dauerauftrag vergeben.
Matthias F. Mangold, Das Prinzip Kochen
GRÄFE UND UNZER, München, 2016, 336 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 978-3833857201
Das Auge isst mit. Bei keinem Kochbuch wird diese banale Erkenntnis so wahr, wie bei Salvador Dalís exotischem Meisterwerk Die Diners mit Gala. Allerdings ist diese Farbenexplosion auf 320 Seiten nichts für sanfte, zartbesaitete Gemüter. Denn der spanische Surrealist hat sich in seiner ihm eigenen Art nicht nur künstlerisch, sondern auch kulinarisch ausgetobt.
Bildgewaltig werden da Schweinsohrsuppe, durchbohrtes Herz, Blutwurstsoufflé mit Maronen oder gebackene Froschbällchen in Szene gesetzt. Da wirken Rinderhirn in Speck, Heringspüree oder Kutteln „anno dazumal“ schon fast wie Hausmannskost. Im Grunde ist das ganze Buch eine einzige Attacke auf Auge und Gaumen, die man aushält – oder auch nicht. Wenn man bedenkt, dass dieses verrückte(ste) Kochbuch aller Zeiten bereits 1973 erschien, muss man dankbar sein, dass der Taschen Verlag es jetzt nachgedruckt hat. Denn es wäre ausgesprochen schade gewesen, wenn die legendären Dinnerpartys von Dalí und seiner Frau Gala in Vergessenheit geraten wären. Auch wenn die 136 Rezepte für Kochanfänger zum Teil eine echte Herausforderung darstellen, handelt es sich hier doch um Kochkunst alter Schule, wie sie in Pariser Edelrestaurants wie Lasserre, La Tour d’Argent, Maxim’s und Le Train Bleu gepflegt wurde.
Dennoch sei an dieser Stelle die Warnung des Maestros höchstselbst zitiert: „Die ‚Gala-Diners‘ sind in Bild und Wort einzig den Freuden des Gaumens gewidmet. Daher werden Sie hier auch keine Diätentabellen finden. Tafeln, an denen die Chemie statt der Gastronomie Platz genommen hat, möchten wir übergehen. Sollten Sie ein Jünger jener Kalorienwieger und -wäger sein, die die Freuden des Mahles in Strafen verwandeln, so schließen Sie dieses Buch sofort: Es ist viel zu lebendig, viel zu agressiv und viel zu herausfordernd für Sie.“ Was soll ich sagen? Das nenne ich mal ein Kochbuch, das aus dem Rahmen fällt – ganz im Sinne Dalis: Wer interessieren will, muss provozieren!
Dalí, Die Diners mit Gala Taschen, Köln, 2016, 320 Seiten, 49,90 Euro, ISBN 978-3-8365-0875-9
Das Buch hält, was der Titel verspricht: Workshop Würzen ist eine leicht verdauliche Mischung aus theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Handlungsanleitung. So werden die 50 wichtigtsen Gewürze bzw. Gewürzfamilien in übersichtlichen Steckbriefen vorgestellt, in denen zunächst Aroma, Angebotsform, Anbaugebiet und andere Namen beschrieben und benannt werden. Danach folgen die Rubriken „Anwendung in der Küche“, „Geruch und Geschmack“, „Klassische Verwendung“, Beachtenswertes“, „Harmonische Kombinationen“ und „In raffinierter Verwendung mit“. Last but not least gibt es zu jedem Gewürz ein eigenes Gericht, dem noch kleine Ideen folgen. Abgerundet wird das Ganze mit einer kleinen Gewürz-Pflichtlektüre, die man sich genausowenig entgehen lassen sollte wie die Übersicht, welches Gewürz zu welchem Lebensmittel passt. Ebenso viel Appetit wie die Texte und Rezepte von Bettina Matthaei machen die Fotos von Hubertus Schüler, der die Gewürze eindrucksvoll in Szene setzt. Was soll ich sagen? Das Buch „Workshop Würzen“ hat das Zeug zum Klassiker, zumal es Kochanfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen anspricht. Es sollte in einer guten Küche nicht fehlen.
Bettina Matthaei, Workshop Würzen Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2016, 240 Seiten, 49,90 Euro, ISBN 978-3-95453-107-3
Der leise Atem der Zukunft . Vom Aufstieg nachhaltiger Werte in Zeiten der Krise
Als Großvater, das ist wohl auch altersbedingt, macht man sich mehr Gedanken um die Zukunft als in jüngeren Jahren. Umso interessanter findet man Bücher, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Ein solches Buch Der leise Atem der Zukunft von Ulrich Grober. Der bekannte Autor der beiden Klassiker „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit“ und „Vom Wandern“ geht erneut auf Wanderschaft und macht sich auf die Suche nach nachhaltigen Werten in Zeiten der Krise, die er im ganzen Lande aufsteigen sieht. Drei Jahre war Grober unterwegs – quer durch das Land: Wolfsburg und Erfurt, Ruhrgebiet und Breisgau. „Was also bleibt nach dieser lange Reise?“, fragt sich der Autor und beantwortet dies mit 15 Fragmenten, von denen hier vier im Sinne von pars pro toto wiedergegeben werden: „No future? Unterhalten sich zwei Embryonen im Mutterleib. Fragt der eine: Du, was meinst du, gibt es ein Leben nach der Geburt? Antwortet der andere: Man weiß es nicht. Es ist noch niemand zurückgekommen. … Auch Scheitern ist produktiv, >Immer wieder versucht. Immer wieder gescheitert. Egal! Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.< (Samuel Beckett). Doch dem wäre heute, da das Zeitfenster für die Lösung der Probleme schmaler wird, hinzuzufügen: Es gelingt hier. Es gelingt dort. Es gelingt an vielen Stellen. Es gelingt immer besser. Wenn es hier geht, geht es überall. … Die lange Kette der nachfolgenden Generationen beginnt mit unseren Kindern und Enkeln. Sie sind unsere Kontaktpersonen zur Zukunft. Das bedeutet freilich nicht, den Jungen alle Verantwortung für die Zukunft aufzubürden. Kindheit muss ein geschützter Raum, ein Freiraum bleiben. Eine Zeit, in der man sich spielerisch ausprobieren kann, Spielräume und Experimentierfelder entdecken, über die Stränge schlagen, Grenzen erkunden darf. Nachhaltigkeit ist Teil der jeweiligen Erwachsenenkultur. … Letzte Gewissheiten: Wir sind Sternenstaub. Wir sind Humus. Die Erde dreht sich weiter.“ Was soll ich sagen? Also, ich finde den letzten Satz irgendwie beruhigend und sage Danke für diese Fragemente eines gelassenen Zukunftsdenkens.
Ulrich Grober, Der leise Atem der Zukunft Oekom Verlag München, 2016, 320 Seiten, 19,95 €, ISBN-13: 978-3-86581-807-2
Slow Food Genussführer Deutschland 2017/2018
Der neue Genussführer Deutschland 2017/2018 ist da. Mit über 500 von Slow Food getesteten und empfohlenen Gasthäusern ist er so dick wie noch nie. Dabei erscheint allerdings das Angebot in Berlin und Brandenburg mit insgesamt 18 Adressen etwas mager. Und dass es in der Hauptstadt selbst nur vier Restaurants geben soll, die den Kriterien „gut, sauber, fair, regional, saisonal, frisch, authentisch und preiswert“ entsprechen, erscheint angesichts der kaum noch zu überblickenden Vielfalt in Berlin nicht ganz nachvollziehbar. Das wiederum soll nun nicht heißen, dass das Alte Zollhaus, das Braugasthaus Doldenmädel, Herz&Niere und das Weinstein keine ausgezeichnete Wahl wären – ganz im Gegenteil. Nicht umsonst heißt es ja: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Und warum sich die „kleine Warenkunden“ auf Bier, Brot, Fisch, Fleisch und Wein beschränkt, bleibt auch das Geheimnis von Slow Food. Wenn das tatsächlich die Umrisse der „Neuen Kultur des Essens“ sind, die Slow Food vorschweben, dann steht das im krassen Widerspruch zu dem, was im Nachwort steht: „Wenn jemand alle 500 Besprechungen in diesem Genussführer auf einen Rutsch druchlesen würde, dann fiele ihm auf, dass die meisten Lokale inzwischen ganz selbstverständlich mehrere vegetarische und manchmal auch vegane Gerichte auf ihrer Speisekarte anbieten.“ Ausgesprochen versöhnlich wirkt dagegen das ABC der regionalen Spezialitäten, das Töttchen aus dem Münsterland ebenso aufführt wie Kasspatzen aus Bayern. Was soll ich sagen? Wahrscheinlich wird man es bei einem Restaurantführer dieser Art keinem ganz recht machen können. Aber in sich schlüssig sollte das Ganze doch bitte sein. Aber: Der nächste Genussführer kommt bestimmt. Da kann man das ja ein bisschen nacharbeiten.
Slow Food Genussführer Deutschland 2017/2018
Oekom-Verlag, München, 2016, 608 Seiten, 24,95 Euro, ISBN-13: 978-3-86581-809-6
Hausmarke – Wie man beliebte Lebensmittel gesund und viel leckerer macht
Eigentlich hätte man darauf schon früher kommen müssen: Ein Kochbuch für beliebte Lebensmittel – selbstgemacht. Mit Hausmarke gibt es jetzt so ein Kochbuch, das im März dieses Jahres erschienen ist. Der leidenschaftliche Hobbykoch Kay Bach, freiberuflicher Grafikdesigner und Illustrator, hatte die Idee, die vom Genussmenschen und Radiokoch Helmut Gote (Rezepte) sowie der Lebensmittelchemikerin Christina Rempe (Text) umgesetzt wurde. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ansprechende Aufmachung, nette Gestaltung, schönes Format und leicht verständlicher Inhalt. „Wie man beliebte Lebensmittel gesund und viel leckerer selbst macht“, heißt es im Untertitel. Ob Götterspreise, Konfitüren, Marshmellows oder Zitronenkuchen ob ihres Zuckergehaltes wirklich „gesund“ sind, sei einmal dahingestellt. Aber „viel leckerer“, als die im Supermarkt angepriesenen Produkte, sind sie ganz sicher. Und mehr Spaß macht es auch, sich selbst an die Eigenproduktion von Aioli, Fruchtjoghurt, Kartoffelchips, Pesto oder Tomatenketchup zu machen. Gleichzeitig ist es verblüffend, wie einfach es beispielsweise ist, Remoulade herzustellen – mit selbst gemachter Mayonnaise versteht sich. „Diese Mayonnaise ist fast so schnell gequirlt, wie Sie ein Glas Fertigmayonnaise öffenen können, und sie gelingt garantiert immer“, verspricht Gote, der mit wertvollen Tipps für Nachahmer nicht spart. Was soll ich sagen? Hausmarke ist ein Buch mit hohem Spaßfaktor, der nicht zuletzt auch noch dadurch entsteht, dass man damit künftig seine Mitbringsel für andere in der eigenen Küche produzieren kann. Wem das zu viel Arbeit ist, kann ja das Buch verschenken. Das wird zumindest nicht aufgegessen.
So einfach geht Leberwurst: Nur diese und ein paar mehr Zutaten werden benötigt – fertig.
Christina Rempe, Helmut Gote: Hausmarke. Becker Jost Volk Verlag, Hilden, 2016, 184 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-95453-096-0.
Die Kochbibel – Göttlich kochen mit der Küchenmaschine
Es gibt ja die tollsten Küchemaschinen, die preislich gesehen nach oben kaum Grenzen haben. Aber auch alte Schätzchen können tapfer und ohne Murren ihren Dienst in der Küche verrichten. Ihnen allen ist allerdings gemein, dass sie zuweilen „in vielen Haushalten ein trauriges Dasein“ fristen, „weil sie viel zu selten zum Einsatz kommen“. Dies stellt Su Vössing, früher Deutschlands jüngste Sterneköchin, in ihrem gerade erschienenen Buch Die Kochbibel fest, die alleine schon mit dem Titel die Messlatte beachtlich hoch legt, und fährt fort: „Dabei kann man mit ihnen weit mehr als nur Teige kneten, Zwiebeln schneiden und Semmelbrösel herstellen. Bei mir ist die Küchenmaschine praktisch täglich im Einsatz. Ich stelle damit zum Beispiel Pürees, Farcen, Terrinen, Wurstbrät, Gemüsejulienne, Frischnudeln, Gebäck, frisch gemahlenes Mehl und jede Menge anderes her.“
Und Su Vössing ist ehrlich. „Ich kann sogar mit Gewissheit behaupten, dass selbst in meiner Küche die Küchenmaschine unterfordert wird. Warum? Wir spielen oder – besser – experimentieren viel zu wenig damit. Die Möglichkeiten, die sich durch die vielfältigen Zubehörteile ergeben, sind immens und dieses Buch bildet einen kleinen Aufriss der kreativen Zubereitungsmöglichkeiten leckerer Speisen ab.“
Wobei das fast ein wenig untertrieben ist. Von der einfachen bis zur raffinierten Küche, von der frischen Passta über selbst gebackenes Brot, feine Pasteten, würzige Terrinen, handgemachte Würste, Tartes und Pizzen, sowie Kuchen und Gebäck bis hin zu Sus Patisserie – der bekannten TV-Köchin gelingt es, ihren Leser mit ihren 81 Rezepten „eine sinnliche und genussvolle Gebrauchsanleitung“ an die Hand zu geben, „die weit über das Übliche hinausgeht. Sie zu inspirieren, gemeinsam mit mir himmlisch Neues und teuflisch Gutes auszuprobieren, das ist meine Idee für diese Kochbibel.“
Was soll ich sagen? Die Idee hat gezündet, kann, nein muss man feststellen. Meine zwei Lieblingsrezepte sind: Asia-Hirschbällchen mit Sesam und Zuckerschotensalat sowie Vitello tonnato mal anders. Es ginge zu weit, die Rezepte hier jetzt wiederzugeben. Da müssen Sie sich „Die Kochbibel“ schon selber zulegen. Aber es lohnt sich, das kann ich Ihnen versichern. Ach, Sie haben gar keine Küchenmaschine! Macht nichts, mit etwas Nachdenken und der freundlichen Unterstützung des Metzgers, bei dem Sie das Fleisch ja ohnehin kaufen müssen, kann man die Rezepte trotzdem nachkochen.
Su Vössing, Die Kochbibel Becker Joest Volk Verlag, Hilden, 2015, 200 Seiten, 29,95 Euro, ISBN 978-3-95453-083-0
Letzter Aufruf Tegel! – Geschichten vom tollsten Flughafen der Welt
Es ist eine einzige Liebeserklärung, die Julia und Evelyn Csabai da abgegeben haben. Letzter Aufruf Tegel! heißt das Buch der beiden Schwestern, die seit 20 Jahren in einem Nebenjob am Flughafen Tegel arbeiten: „Wir wollten bleiben und waren fest davon überzeugt, dass wir eines Tages von hier zu Grabe getragen würden. Doch dass dieses Schicksal nicht uns, sondern, vor unseren Augen, den Flughafen treffen würde, damit hatten wir nicht gerechnet. Der Termin stand fest. Nach mehreren Anläufen sollte am 3. Juni 2012 der Großflughafen Berlin BER eröffnet und gleichzeitig Tegel geschlossen werden. Langsam, fast unbemerkt legte sich eine Glocke der Traurigkeit über unseren Flughafen. … Dann schlug die Nachricht ein wie eine durch die Sicherheitskontrolle geschmuggelte Bombe. Drei Wochen vor der geplanten Schließung wurde offiziell bekanntgegeben, dass der BER nicht bereit sei, seine Passagiere zu empfangen, geschweige denn auf die Reise zu schicken. Neuer Eröffnungstermin wurde der 17. März 2013, und es gab viele Skeptiker (heute wissen wir, es waren Realisten), die über dieses Datum schmunzelten. Und recht behielten. Die BER-Blamage versetzte Tegel in Euphorie.“
In 24 Kapiteln erinnern sich die beiden Schwestern an all das, was sie gemeinsam gesehen und erlebt haben, wie z.B. das Blumengeschäft Aschenbach in der Haupthalle: „Entweder wurden die Blumen irgendwann zu teuer oder die verliebten Männer zu knauserig, eines Tages mussten die Blumen weichen, um, wie sollte es anders sein, dem neuen Statussymbol des Jet-Sets, einem schicken Kofferladen, Platz zu machen.“
Oder sie berichten, übrigens durchgehend in der Ich-Form: “Oft beginnt und endet ein Doppelleben am Flughafen. … Mal sind es die Frauen, die ihren Partner lächelnd belügen, mal die Männer. Aber zum Glück gibt es sie auch noch: die wahre Liebe. Zuerst habe ich sie kaum wahrgenommen, den Punk-Jungen und das Mädchen. Sie waren jung, vielleicht grad mal achtzehn. Seine Frisur fiel mir auf, sein schöner Irokese. Nicht zu lang und nicht zu kurz, hart wie ein Brett, und er stand ihm sehr gut. Die beiden hielten Händchen, während sie in der Check-in-Schlange nach London warteten, während sie gemeinsam ihren Koffer auf das Laufband hoben, während sie ihre Boardingkarte entgegennahm, während sie sich immer und immer wieder küssten. Sogar in der Schlange zur Passkontrolle ließen sie einander nicht los. Bis der Polizist an der Passkontrolle sagte: ‚Junger Mann, Sie dürfen ohne Boardingkarte nicht weiter.’“
Und auch die Wende und ihre Folgen für Tegel finden ihren Platz, was sich mit dem Einzug von Lufthansa manifestierte und dem Ende der amerikanischen Fluggesellschaft Pan Am einherging.
Die Beschreibung des Flughafens klingt fast poetisch: „Tegel ist ein kreisförmiges Gebilde. Die Gates liegen an diesem Kreis, ähnlich wie die Blumenblätter einer Sonnenblume.“ Der Vorzug der kurzen Wege kann allerdings offenbar auch zum Problem werden: „Der Klassiker in Tegel ist das Verlassen des Ankunft-Gates ohne den Koffer. An fast allen Flughäfen der Welt muss man einige Minuten laufen, bis man bei der Gepäckausgabe angekommen ist. Das sind die Passagiere gewohnt. Wer in Tegel landet, verlässt das Flugzeug und ist bereits nach einigen Sekunden am Gepäckband. Da aber keiner das Gepäckband nach nur wenigen Metern erwartet, ignorieren es viele Passagiere einfach, blenden es aus, sehen es nicht einmal. Den Blick starr auf das Schild mit der Aufschrift ‚Ausgang’ geheftet, müsste dabei eigentlich auch auf das Schild ,Haben Sie an Ihr Gepäck gedacht?’ ins Auge fallen, doch sie gehen wie ferngesteuert weiter durch die Ausgangstür – und schon befinden sie sich im öffentlichen Bereich. Ohne ihr Gepäck.“ „Aber“, so an anderer Stelle, „Fluggäste sind eine Schar von bunten Vögeln, und am Flughafen sieht man alle möglichen Vogelarten.“ Dazu gehören „Bekannte und unbekannte. V.I.P.s und v.i.p.s“ sowie der V.I.A., „nichts anderes als eine Warnung – das Kürzel für „Very Important Asshole“.
Aber auch der 1. Juni 2000 mit der Ankunft des amerikanischen Präsident hat bei den Schwestern nachhaltigen Eindruck hinterlassen: „Die Kameras wurden scharf gestellt. Denn sie war endlich da. Das majestätische Blau der Air Force One schimmerte elegant in der Abendsonne. Wie ein mächtiger Flugsaurier näherte sich der alleinige Herrscher der Lüfte im Landeanflug und berührte schließlich mit markerschütterndem Lärm um 16:58 Uhr Ortszeit den Boden.“
Und dann ist da noch die „Frau, die alle nur ‚Die sexy Stimme von Tegel’ nennen“, die ihre Ansagen aus den Megafons „haucht“ und offenbar signalisiert: „Alles geht seinen Weg, alles läuft in gewohnter Ordnung in Tegel an diesem Morgen. Ein ganz normaler Tag beginnt. Oder auch nicht …“ Was soll ich sagen? Wenn man dieses Buch gelesen hat, bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig als inständig zu hoffen, dass Tegel der Flugwelt erhalten bleibt – unbefristet.
Julia Csabai . Evelyn Csabai: Letzter Aufruf Tegel! be.bra verlag, Berlin, 2., korr. Auflage, Januar 2016, 304 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 978-3-8148-0214-5
„Wer lässt sich denn schon freiwillig ins Herz – und in den Kühlschrank – schauen?“, fragt Stephanie Bräuer eingangs und gibt die Antwort in und mit ihrem gerade erschienenen Buch Das erste Ma(h)l gleich selber: Eckart Witzigmann, Frank Oehler, Sven Elverfeld, Tim Raue, Su Vössing, Thomas Kellermann, Josef Floh, Martin Fauster, Karlheinz Hauser, Nils Henkel, Andrea Schirmaier-Huber, Stefan Marquard, Andreas Caminada, Simon Taxacher, Helmut Gote, Hans Jörg Bachmeier, Hans Stefan Steinheuer, Michael Käfer, Michael Kempf, Thomas Dorfer, Shane McMahon, Roland Trettl, Andreas Döllerer, Kolja Kleeberg und ihr Ehemann Bobby Bräuer sowie die dazu gehörenden Partnerinnen und Partner. Wer nun glaubt, dass angesichts dieser geballten Kochkompetenz ein Kochbuch herausgekommen ist, dass nur Sterneküche präsentiert und für Otto-Normal-Verbraucher nur bedingt taugt, sieht sich getäuscht. Die Herrschaften kochen ausnahmslos ziemlich bodenständig. „Nur gibt es eben privat keine Fünf-Gänge-Menüs mit ausgeklügelten Gerichten“, bringt es die Autorin auf den Punkt.
Das Zitronenhuhn ist bei Raues das klassische Familiengericht. Fotos: Michael Schinharl
Bei Raues beispielsweise ist das Zitronenhuhn das Familiengericht, obwohl es ihm schon einmal so misslungen ist, dass eingeladene Freunde und seine Frau Marie, wie sie bekennt, alle bezweifelt hätten, „dass du jemals eine Kochlehre gemacht hast.“ Oder Kempf, der das erste Ma(h)l für seine Svenja Blutwurst mit Kartoffelbrei – das klassische Himmel und Ääd – gekocht hat. Ebenso herzhaft widerfuhr es Kleeberg, der von seiner Katharina das erste Ma(h)l mit einem Hühnerherzenragout beglückt wurde, wobei er noch heute schwärmt: „Also, für mich war das erste Wow die Hühnerherzen, das zweite die selbstgemachten Tagliatelle und der dritte Wow-Moment kam, als sie einen anständigen Pinot Noir aufgemacht hat. Ich meinte: ‚Ah – wie schön, trinken wir den?‘ Und sie sagte ganz cool: ‚Nee, der ist fürs Ragout.‘ Und – plopp, ploppp, plopp – war er weg!“ Denn wohl größten Kontrast zwischen Namen und Rezept aber liefert wohl Deutschlands Feinkostinbegriff Käfer, der mit einem einfachen Obatzten daherkommt. Wem das dann doch zu einfach ist, der kann ja Hausers Chili-Wasabi-Prawns nachkochen, für die immerhin 53 Zutaten kombiniert werden müssen.
Von Käfers Obatzten bis zu Hausers Chili-Wasabi-Prawns reicht die Palette der Rezepte.
Was soll ich sagen? In der Verlagsbeschreibung heißt es: „Und so ist ein einzigartiges Buch entstanden, das, mitunter auch mit liebevollem Augenzwinkern, eine Mischung ist aus Liebesgeschichte(n) und Kochbuch, immer nach dem Motto: ‚Liebe geht durch den Magen – oder?‘“ Das kann man getrost so stehen lassen.
Stephanie Bräuer, Das erste Ma(h)l Becker Joest Volk Verlag, Hilden, 2015, 336 Seiten, 37,00 Euro, ISBN 978-3-95453-084-7
Kopf und Küche – Die Reise ins Innere des Geschmacks
Gott sei Dank hat Jürgen Dollase das Trauma, das er ausgerechnet bei seinen Großeltern erleiden musste, am Ende überwunden. Aber immerhin bis zum fünfunddreißigsten Lebensjahr blieb seine geschmackliche Wahrnehmung „weitgehend neutralisiert“. Was war passiert? „Eines Tages“, berichtet der Restaurantkritiker in seinem neuen Buch, „stand eine Gans auf dem Tisch, gebraten als festtägliches Essen. Ich konnte – wie man mir später erzählte – mit der Situation überhaupt nicht umgehen. Die Erkenntnis, dass man Tiere, mit denen ich den ganzen Tag zu tun hatte, tatsächlich umbringen und essen würde, machte mich völlig ratlos und hatte Konsequenzen, die mich jahrzehntelang begleitet haben. Natürlich habe ich die gebratene Gans nicht angerührt und von diesem Tag an auch so gut wie kein anderes Fleisch mehr gegessen. Geflügel war für mich viele Jahre lang völlig tabu, und Frikadellen habe ich nur gegessen, weil man mir immer gesagt hat, die kämen aus der Fabrik. Das war dann für mich in Ordnung, weil ich sie so nicht mit den Tieren in Verbindung brachte.“ Kopf und Küche, so der Titel von Dollases Buch, setzt nun „an dem Punkt an, an dem sich alles änderte und wo ein Weg begann, der mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin, und der mich Tag für Tag immer weiter in die faszinierende Welt der kulinrasich-sinnlichen Wahrnehmung geführt hat.“ Anhand von Reisen beschreibt er, „wie sich ein ‚Saulus zum Paulus‘ wandelt.“ Die Beschreibung seines „zweiten“ kulinarischen Lebens ist dabei nicht nur reduziert auf wieder einmal phänomenale Rezepte, die nicht nur zum Nachkochen inspieren, sondern wahre Gourmetwelten eröffnen. Gleichzeitig versucht er „auch, all das zu reflektieren und in einen großen Zusammenhang zu stellen, was uns die kulinarischen Traditionen an Gutem und Unverzichtbarem gebracht haben.“ Und so geht es von der Klassik bis zur Avantgarde und von technisch geprägten bis zu zutiefst bodenständigen Küchen, wobei man den besten und kreativsten Köchen der Welt begegnet, von Ferran Adrià, Olivier Roellinger und Nadia Santini bis zu René Redzepi, Stefan Wiesner und Harald Wohlfahrt. Die von vielen Anekdoten begleiteten Texte sind wieder angereichert mit Bildern von Thomas Ruhl, einem der besten Food-Fotografen der Welt. Was soll ich sagen? Wie schon Himmel und Erde ist auch Kopf und Küche eine echte koch-literarischen Delikatesse, K(ochk)unst at its best eben.
Jürgen Dollase, Kopf und Küche. AT Verlag, Arau und München, 320 Seiten, 2015, 39,95 Euro, ISBN 978-3-03800-875-0
STERNKÖCHE: Preiswerte und gesunde Rezepte für Lkw-Fahrer
Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Ein Kochbuch für Fernfahrer. STERNKÖCHE – Preiswerte und gesunde Rezepte für Lkw-Fahrer heißt das Werk, das gerade bei DEKRA Media erschienen ist und kulinarisch von Reinhard Buchsdrücker, einem ehemaligen Koch und selbst mit dem Brummi unterwegs, betreut wurde. Statt Bockwurst, Pommes rot-weiß oder Grillhähnchen heißt es Biksemad, Bavette funghi oder Chop Suey. „Unsinn! Das ist doch gar nicht zu machen“, werden jetzt einige notorische Zweifler sagen. Aber weit gefehlt. Auf der Webseite des Buches macht Buchsi, wie sich der Fernfahrerkoch selbst nennt, es im Film vor, wie in 20 Minuten vor dem Lkw ein Gericht entstehen kann, das lecker und bekömmlich ist. Dabei tut es dem Buch keinen Abbruch, wenn ein paar der 38 Rezepte für ungeübte Hände vielleicht doch ein wenig zu aufwändig sind. Aber die Richtung stimmt. Und die frisch zubereiteten Speisen sind dabei nicht nur wesentlich bekömmlicher, sondern auch erheblich preiswerter, als das, was es da in Autobahn-Raststätten oder auf Autohöfen als Trucker-Angebot gibt. Und auch für zu Hause ist das eine oder andere Rezept durchaus dazu angetan, um nachgekocht zu werden. Was soll ich sagen? Englisches Frühstück, Asiatische Nudelpfanne, Litauische Cepelinai oder Polnischer Bigos hören sich doch lecker an. Oder?
Jan Bergrath und Reinhard Buchsdrücker, STERNKÖCHE DEKRA Media, 25. September 2015, 176 Seite, 12,80 Euro, ISBN 978-3-939911-09-8
ZEIT: Eine Reise durch Raum und Zeit
„Wenn die Zeit nur das wäre, was die Uhren messen, dann wäre man mit der Antwort auf die Frage nach der Zeit schnell fertig“, schreibt Rüdiger Safaranksi in seinem gerade erschienenen Buch ZEIT und fährt fort: „Sie wäre eben nichts weiter als die messbare Dauer von Ereignissen. Doch es drängt sich der Eindruck auf, dass damit ihre eigentliche Bedeutsamkeit noch gar nicht berührt ist.“ Und so nähert sich der am 1. Januar 1945 geborene Philosph und preisgekrönte Autor, wie er selbst sagt, „der Zeit auf der Spur ihrer Wirkung, ich beschreibe also, was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen.“
Dass das einen anspruchsvollen Ausflug in die Conditio humana verspricht, versteht sich von selbst und wird bereits deutlich, wenn es heißt: „Die Zeit bewirkt, dass wir einen schmalen Streifen von Gegenwärtigkeit bewohnen, nach beiden Seiten umgeben von einem Nicht-Sein: das Nicht-Mehr der Vergangenheit und das Noch-Nicht der Zukunft.“ Über zehn Kapitel geht die Reise durch Raum und Zeit, bei der man zwischen der Zeit der Langeweile und der erfüllten Zeit und Ewigkeit der Zeit des Anfangens, der Zeit der Sorge, der vergesellschafteten Zeit, der bewirtschafteten Zeit, Lebenszeit und Weltzeit, Weltraumzeit, Eigenzeit sowie dem Spiel mit der Zeit begegnet. Dabei ist der Fokus ebenso auf das große Ganze gerichtet wie auf das kleine Ich.
Da beschäftigt Safranski sich mit der Anfangssingularität und lässt den Leser teilhaben, wenn man so will, am Wandel der Zeit: „Für die Antike waren Kosmos und die Zeit anfanglos. Im christlichen Weltbild ist der Kosmos eine Schöpfung und hat als solche einen Anfang, eben den Schöpfungsakt, mit dem auch die Zeit beginnt. Newton behielt den Schöpfer im Hintergrund, aber für seine Naturgesetze benötigte er den absoluten, als den unendlichen Raum und die absolute, also die unendliche Zeit. Die moderne Kosmologie hat sich wieder von der Absolutheit von Raum und Zeit verabschiedet. Raum- und Zeitgrößen werden, seit Albert Einstein, nicht nur in Relation zueinander begriffen, als Raumzeit, sondern die Zeit bekommt wieder einen Anfang – und ein Ende.“
Der Kosmos (gemalt von Elly Untermann in 2005): Unendlich oder mit Anfang und Ende?
Während sich also offensichtlich keine endgültige Sicherheit in der Frage nach Ewigkeit oder Alpha und Omega herstellen lässt, weiß der Leser ja bereits um seine eigene Sterblichkeit. Doch auch hier ist nicht alles so klar, wie man vielleicht glauben möchte: „Es gibt da einen eigenartigen Widerspruch im Bewusstsein. Einerseits weiß ich um die eigene Sterblichkeit, und andererseits ist es mir unmöglich, von innen her das eigene Ende denken zu können. Von außen ist das kein Problem. Ich kann mir eine Welt ohne mich sehr gut vorstellen. Ich kann mir auch meinen Tod vorstellen, meine Leiche, Beerdigung, die Hinterbliebenen, eine ganze Welt ohne mich – und doch muss ich selbst übrigbleiben, um mir das alles vorstellen zu können.“
Zielsicher steuert Safranski auf die Frage zu, die sich der eine oder andere vielleicht schon einmal gestellt hat: „Vor meiner Geburt war ich doch auch nicht dabei, warum beunruhigt mich die künftige Abwesenheit so viel mehr?“ An dem „Abgrund des Nichtseins“, in den der Leser am Ende des Buches schauen muss, lässt der Autor ihn jedoch nicht allein, sondern nimmt ihn geistig sozusagen tröstend in den Arm: „Die schwer erträgliche Spannung zwischen einem subjektiven Bewusstsein, dem mit dem eigenen Verschwinden alles ins Nichts entgleitet, und einem objektiven Bewusstsein, für das die Welt und die Zeit einfach weitergehen, ist wohl kaum zu schlichten, sondern letztlich nur auszuhalten bis zum offenen Ende.“
Was soll ich sagen? Wer gerne in die Unendlichkeit derartiger Gedanken eintaucht, ist bei diesem Buch genau richtig. Die Zeit jedenfalls, die man beim Lesen investiert, ist gut angelegt. Nur eben schade, dass genau diese ZEIT ein Ende hat.
Rüdiger Safranski, ZEIT Hanser Verlag, 28. August 2015, 272 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-446-23653-0
Es ist kein Geschichtsbuch im klassischen Sinne, sondern die dritte Stufe des Projektes „Germany: Memories of a Nation – Deutschland: Erinnerungen einer Nation“, der eine gleichnamige Ausstellung und BBC-Radio-Serie vorausgegangen sind. In dem gerade erschienenen Buch mit eben diesem deutschen Titel erklärt Neil MacGregor, bis Ende September dieses Jahres Direktor des Britischen Museums in London und ab Oktober Leiter der Gründungsintendanz des Humboldt-Forums in Berlin, welche Rolle Geschichte in Deutschland spielt: „Sie liefert nicht nur ein Bild der Vergangenheit, sondern führt das Vergangene entschieden und mahnend nach vorne, in die Zukunft.“ Als ein Beispiel führt er das Holocaust-Denkmal für die in Europa ermordeten Juden an und stellt dazu fest, dass „deutsche Denk- und Mahnmale denen anderer Länder nicht gleichen. Jedenfalls kenne ich kein anderes Land, dass in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte.“
Aber für MacGregor besteht deutsche Geschichte nicht nur aus den dunkeln Jahren von 1933 bis 1945, sondern geht weit darüber hinaus. „Über ihre längsten Zeitabschnitte hinweg kann deutsche Geschichte keine einheitliche nationale Erzählung sein“, schreibt er und fährt an anderer Stelle fort: „Gleichwohl gibt es eine große Zahl von kollektiven Erinnerungen daran, was Deutsche getan und erlebt haben: Einige dieser Erinnerungen aufzurufen und sich mit ihnen zu beschäftigen ist die Absicht dieses Buches. Es versucht nicht – könnte dies auch gar nicht -, in irgendeinem Sinn deutsche Geschichte zu schreiben, sondern will einigen prägenden Zügen von Deutschlands heutiger nationaler Identität nachgehen, und dies anhand von Objekten und Bauwerken, von Menschen und Orten. Das älteste Objekt ist die Gutenberg-Bibel aus den 1450er Jahren, dem vielleicht frühesten Zeitpunkt, an dem Deutschland den Lauf der Weltgeschichte nachhaltig mitbestimmt, ja eine der Grundlagen der gegenwärtigen Kultur Europas gelegt hat. Das jüngste Objekt ist das vor nicht allzu langer Zeit restaurierte Reichtagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages.“
Darüber hinaus sind es Porzellan aus Dresden, deutsches Bier und deutsche Wurst, Goethe, Schneewittchen und Mutter Courage, die Krone Karls des Großen, ein Tauchanzug made in Ostdeutschland oder das Tor von Buchenwald, woraus MacGregor ein konsistentes Deutschland-Bild zusammenfügt. „Vergeblich haben deutsche Historiker versucht“, so formuliert er es, „die unterschiedlichen Puzzleteile zusammenzusetzen, aber keinem ist es wirklich gelungen, die großen intellektuellen und kulturellen Leistungen des 18. und 19. Jahrhunderts überzeugend mit dem moralischen Absturz der NS-Zeit zusammenzuführen; es gibt kein nachvollziehbares Muster.“
Dem schottischen Kunsthistoriker ist es jedoch gelungen. Was soll ich sagen? In diesem Sinne ist das Buch ein absolutes Muss für jeden, der dieses Land und seine Geschichte verstehen will.
Neil MacGregor, Deutschland, Erinnerungen einer Nation C.H.Beck, München, 1. Auflage 11. September 2015, 640 Seiten mit ca. 330 farbigen Abbildungen und Karten, 39,95 Euro, ISBN 978-3-406-67920-9
Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Die Welt, in der wir leben, ist mittlerweile ziemlich komplex, die Zusammenhänge zuweilen unverständlich und die Hintergründe oft unbekannt. Da würde es oft schon helfen zu wissen, wer wir sind und woher wir kommen. Bei ganz kleinen Kindern ist das gewiss schwierig zu vermitteln. Doch wenn die Kleinen über das Alter für Die Sendung mit der Maus hinausgewachsen sind, gibt es ein Buch, das in keinem Haushalt fehlen sollte: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten. Autor ist der Schotte Neil MacGregor, derzeit noch Direktor des British Museum in London und ab Januar Leiter der Gründungsintendanz des Humboldt-Forums im gerade im Aufbau befindlichen Berliner Stadtschloss.
Doch wie beschreibt man ein Buch, in dem der Kunsthistoriker und bekennende Deutschland-Fan auf 816 Seiten mit Hilfe von 159 farbigen Abbildungen und vier Karten wortgewandt unsere Welt beschreibt? Vielleicht, indem man sich fünf der 100 Objekte auswählt und dabei den Autor selbst zu Wort kommen lässt.
Beginnen wir mit dem Minoischen Stierspinger (1700 – 1450 v. Chr.), der auf Kreta gefunden worden ist: „Die Skulptur stellt buchstäblich etwas dar, was für die meisten Menschen heute nur eine Metapher ist“, lässt MacGregor den geneigten Leser wissen, „’den Stier bei den Hörnern packen’, das ist es, was wir sprichwörtlich tun sollen, wenn wir mit den großen moralischen Fragen des Lebens konfrontiert sind.“ Doch er belässt es nicht nur bei der Metapher, sondern arbeitet sich bis ins Hier und Jetzt vor: „In dieser Skulptur spielen Stier wie Mensch ein höchst gefährliches Spiel. Über die Tiere hinwegzuspringen erforderte monatelanges Üben. Das lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, denn diesen Sport gibt es bis heute in einigen Teilen Frankreichs und Spaniens.“ Und dass er mit der Erwähnung von Minos und dessen Eltern Europa und Zeus die griechische Mythologie streift, versteht sich quasi von selbst.
Streitwagen aus dem Oxus-Schatz © The Trustees of the British Museum
Beim Streitwagen aus dem Oxus-Schatz (500 – 300 v. Chr.), der im Grenzgebiet von Afghanistan und Tadschikistan gefunden wurde, schafft MacGregor es mit leichter Hand, den Bogen von dem Streitwagen, der „wie ein teures Spielzeug für ein Kind aus begütertem Hause wirkt“, bis zu einem leicht verständlichen Vergleich zwischen Persischem und Römischem Reich zu schlagen. Dabei ist er sich nicht zu schade, auch andere Historiker zu zitieren, wie an dieser Stelle beispielsweise Tom Holland: „Die Besatzung durch die Perser lässt sich mit einem leichten Morgennebel vergleichen, der sich über die Konturen ihres Reiches legte – man nahm in wahr, aber er störte nie wirklich. Den Römern war daran gelegen, das diejenigen, die sie erobert hatten, sich mit ihren Eroberern identifizierten, dass sich also letztlich jeder innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches als Römer betrachtete.“ Und plötzlich fragt man sich als Leser, ob und wie sich „dieser multireligiöse, multikulturelle Ansatz, wie er in unserem Streitwagen zum Ausdruck kommt“, bis in unsere Tage hinüber gerettet hat.
Den Helm von Sutton Hoo (600 – 650 n. Chr.), gefunden in England, und den Kopf aus Ife (1.400 – 1.500 n. Chr.), gefunden in Nigeria, verbindet auf den ersten Blick nichts. Doch schnell wird klar, dass die Funde jeweils völlig neue Sichtweisen bewirkten. Während der Helm „die allgemein gängige Vorstellung von der Zeit, die man bisher als ‚Dark Age’, als finsteres Mittelalter betrachtet hatte, grundlegend“ veränderte, zwangen die Skulpturen aus Ife „die Europäer dazu, die Stellung Afrikas in der Kulturgeschichte der Welt neu zu überdenken.“
Und der Hawaiianische Federhelm (1700 – 1000 n. Chr.), den der britische Seefahrer und Entdecker James Cook von den Insulaner, die ihn später töteten, geschenkt bekam, „dient uns heute als anschauliches Symbol für die folgenschweren Missverständnisse, zu denen es bei der Begegnung der Europäer mit anderen Völkern dieser Welt immer wieder kam.“ Oder wie es der Autor an anderer Stelle formuliert: „Irgendetwas war eindeutig schiefgelaufen.“
Man kann dem Klappentext des Verlages nur beipflichten: „Neil MacGregor beschreibt all diese Objekte nicht einfach nur, sondern erschließt uns durch ihre Betrachtung immer auch ein Stück Weltgeschichte.“ Anschaulicher geht es nicht – ein Genuss für Erwachsene, die die Geschichten der 100 Objekte mit etwas Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und Phantasie für jede Altersstufe herunterbrechen können. Was soll ich sagen? Wenn es dieses Buch noch nicht gäbe, müsste es unbedingt geschrieben werden.
Neil MacGregor, Ein Geschichte der Welt in 100 Objekten C.H.Beck, München, 3. Auflage 2015, 816 Seiten, 25,00 Euro, ISBN 978-3-406-65286-8
Himmel und Erde – In der Küche eines Restaurantkritikers
Für Nichtköche oder Kochanfänger ist das Buch Himmel und Erde – In der Küche eines Restaurantkritikers von Jürgen Dollase sicherlich nicht geeignet. Wer aber Kochen seine Leidenschaft nennt, sich bereits gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten erarbeitet hat und auf der Suche nach einem Kochbuch der etwas anderen Art ist, ist hier goldrichtig und sollte unbedingt weiterlesen. Dabei gilt dies nicht nur für diese Rezension, sondern auch für das Buch selbst, das anfangs eine erstaunliche wie ungewöhnliche Distanz zum Leser aufbaut: „.. um es einmal salopp zu formulieren, ist das Problem oft, dass ich einfach zu viel weiß und zu viel Gutes kenne. Und wenn ich dann versuche, in den Geschäften in meiner Gegend gutes Material zu finden, wird es oft sehr, sehr schwierig.“ Doch in der Tat, dieser Restaurantkritiker, wohlgemerkt Kritiker nicht Tester, weiß viel. Und an diesem Wissen lässt er den Leser teilhaben. Dabei zitiert er sich auch schon mal selber: „Wenn Sie im Fernsehen bei einer Kochsendung einen Koch sehen, der gleich mehrere Elemente eines Gerichtes mit Salz und Pfeffer würzt, schalten Sie ab, der kann nicht kochen.“ Warum dem so ist, erläutert Dollase ausführlich und nachvollziehbar, indem er u.a. schreibt: „Ich liebe Salz und Pfeffer – aber nur als Gewürz, das man so einsetzt, wie man auch andere Gewürze einsetzt, also mit einem klaren kulinarischen Konzept und bestimmt nicht die gleichen Gewürze bei jedem Rezept.“ Seine Forderung nach aromatischer Abrüstung jedenfalls kann man sofort unterschreiben. Mehr noch: Die „Anmerkungen zu Salz und Pfeffer“ sollten in jeder Küche gleichsam als kulinarisches Grundgesetz an der Wand hängen. Dabei ist das nur ein Beispiel. Seine „Anmerkungen zum Garen von Fleisch“, seine Exkurse in Sachen „Geschmackskurven“ oder „Aufbau von Gerichten“ gehen weit über das hinaus, was man gemeinhin in Kochbüchern findet. Auch die vielen Rezepte sind nicht nur einfache Anleitungen zum Nachkochen, sondern werden „sehr viel komplexer kommentiert und eingeordnet. Das kann so weit gehen, dass jedes Detail eines Rezeptes begründet und diskutiert wird. Manchmal geht es mehr um kochtechnische Fragen, manchmal mehr um die Konzeption, manchmal um die Fantasie und manchmal mehr um die Psychologie der Rezeption.“ Bei seinem „ungebackenen Kuchen“ beispielsweise greift Dollase auf Kindheitserinnerungen zurück und bringt mit purem, rohem Plätzchenteig in vier verschiedenen Variationen (Apfelkuchen, Schwarzwälder Kirsch, Käsekuchen und Früchtebrot) den kulinarischen Himmel seiner Kindheit zurück auf Erden. Da muss man erst einmal drauf kommen. Dies mutet fast schon wie der bekannte Ansatz von Pablo Picasso an, der mit den Worten zitiert wird: „Ich konnte schon früh zeichnen wie Raphael, aber ich habe ein Leben lang dazu gebraucht, wieder zeichnen zu lernen wie ein Kind.“ Das ist absolut meisterlich und wie er selbst sagt: „Das ist kein Gag, der etwas aus der Kindheit mit den Kuchenerinnerungen des späteren Lebens verknüpft, sondern ein kulinarisch absolut ‚ernst’ zu nehmendes Gebilde.“ Dass das Buch mit Bildern von Thomas Ruhl, einem der besten Food-Fotografen der Welt, nicht nur illustriert, sondern wahrlich inszeniert ist, macht Himmel und Erde zu einer echten koch-literarischen Delikatesse. Was soll ich sagen? K(ochk)unst at its best.
Jürgen Dollase, Himmel und Erde. AT Verlag, Arau und München, 2014, 304 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-03800-814-9
Die Geheimnisse der Großeltern
Es ist so etwas wie eine Hommage an Oma und Opa. Die Geheimnisse der Großeltern heißt das soeben erschienene Buch von Wolfgang Krüger, in dem der Autor ein Loblied auf die betagten Vorfahren singt und seine Leser ermuntert, in die eigene Familiengeschichte einzutauchen. Denn Krüger glaubt, dass seelische Wurzeln „für uns überlebenswichtig“ sind. Dies habe sich eindrucksvoll in einer Umfrage bestätigt, die er in den letzten Jahren durchgeführt habe. 100 Frauen und Männer fragte er: „Interessieren Sie sich für Ihre Großeltern?“ Wenn das die Befragten bejaht hätten, seien sie nicht nur wesentlich glücklicher, sondern ihre Partnerschaft auch wesentlich länger gewesen. Sein Kapitel „Die Erforschung der Vergangenheit“ beginnt Krüger dann damit, dass er für den Leser ein weite Brücke schlägt: „Mit der Erforschung der Familiengeschichte setzen Sie eine alte Menschheitstradition fort. In vielen Kulturen ist man überzeugt, dass ein Mensch nach seinem Tod nicht einfach verschwunden ist und dass man den Kontakt zu seinen Ahnen pflegen muss.“ Bei seinen Forschungen habe ihn beeindruckt, „dass die Vergangenheit plötzlich sehr nah war.“ Überhaupt ist es ein sehr persönliches Werk, das an einigen Stellen mehr von seinen eigenen familiären Erfahrungen geprägt scheint als von seinem Beruf als Psychologe und Psychotherapeut – so beispielsweise, wenn es um unangenehme Familiengeheimnisse und deren Bewahrung geht: „Normalerweise hat niemand in der Familie ein Interesse daran, solche Familiengeheimnisse zu lüften. Auch ich hielt mich an das Tabu, solange meine Eltern noch lebten und erkundigte mich nie nach meinem Großvater“, so Krüger, der über die NS-Vergangenheit seines Großvaters schreibt: „Ich kann bis heute nicht glauben, dass mein Großvater immer linientreu war.“ Ebenso „entsetzt“ war er, als er von der Begeisterung seiner Großmutter für Hitler erfuhr. Auch die „Familienaufträge“ machten ihm offensichtlich schwer zu schaffen: „Natürlich gibt es mitunter Familienüberzeugungen, die hilfreich sind. … Aber die meisten Familienüberzeugungen sind wenig mutig und machen die Enkelkinder eher unfrei. Häufig sind sie auch deshalb so wuchtig, weil sie nicht nur eine Orientierung vorgeben, sondern auch sehr klare Familienaufträge. Das Enkelkind soll dann all jene Ziele erreichen, die den Großeltern versagt blieben.“ Allen potentiellen Problemen bei der Familien(er)forschung zum Trotz – und Krüger zählt noch einige auf – gibt es für ihn jedoch keine Alternative. Seine klare Botschaft lautet, „selbst wenn es kitschig klingt: Für die meisten Menschen sind die Großeltern jener Ort des Urvertrauens, an dem sie auftanken können. Deshalb müssen wir bei der Erforschung der Familiengeschichte immer darauf achten, dass wir uns diesen glücklichen Ort der Kindheit bewahren – auch wenn wir uns einen kritischen Blick aneignen. Wir brauchen im Leben solche Rückzugsorte, an denen wir unbekümmert sein dürfen, wo man uns versorgt und versteht. Das ist jenes Paradies, das wir uns gelegentlich erträumen müssen.“ Was soll ich sagen? Omas und Opas sind eben die Allerbesten.
Wolfgang Krüger, Die Geheimnisse der Großeltern BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2015, 172 Seiten, 9,90 Euro (Kindle 5,49 Euro), ISBN: 978-3-7347-4503-4
Schlemmerreise mit Gutscheinbuch.de Berlin 2015
Mit Gutscheinen ist das manchmal ja so eine Sache. Zuweilen gibt es das, was einem da versprochen wird, nicht mehr, ist nicht so gemeint gewesen oder dann doch nicht so günstig oder kostenlos wie angekündigt. Es geht aber auch anders. Die „Schlemmerreise mit Gutscheinbuch.de Berlin“, die in 2015 nunmehr ins zehnte Jahr geht, scheint wirklich ein Volltreffer zu sein. Zwei Stichproben, die ich gemacht habe, waren mehr als erfreulich. Im Oktogon am Leipziger Platz in Berlin Mitte, bei dem ich als Erstes nachgefragt habe, wie und wann ich den Gutschein (Das zweite Hauptgericht ist gratis) einlösen könnte, war freundlich und zuvorkommend. In der Villa Medici in der Spanischen Allee in Berlin-Zehlendorf, bei der ich anschließend vorstellig wurde und mich nach dem „4-Gänge-Menü für 2 Personen für 49 Euro“ erkundigt habee, bekam ich sogar den Tipp, nicht jetzt, sondern erst in zwei bis drei Monaten den Gutschein einzulösen, weil es das Menü wegen eines Jubiläums derzeit ohnehin für zwei Personen für 50 Euro gäbe und danach wieder teurer sei – ergo ich auch mehr sparen würde. Was soll ich sagen? Das Buch lohnt sich, wenn man gerne essen geht und mal andere Restaurants ausprobieren möchte, in jedem Fall. Allerdings sollte man das Buch nicht auf www.gutscheinbuch.de kaufen. Wie im Handel zahlt man dort dafür 19,95 Euro, allerdings zuzüglich 3,95 Euro Versandkosten, also insgesamt 23,90 Euro. Bestellt man sich die Schlemmerreise dagegen bei Amazon, schlägt der Kauf mit nur 13,97 Euro zuzüglich 3,00 Euro Versand (summa summarum 16,97 Euro) zu Buche, obwohl es auch direkt vom Hersteller kommt.
PS: Unbedingt vorher die „Spielregeln“ auf Seiten 8 und 9 lesen, die für die Einlösung der Gutscheine gelten. Sie sind aber ausgesprochen fair.
Schlemmerreise mit Gutscheinbuch.de Berlin Kuffer Marketing GmbH, Regensburg, 9. Auflage, 19,95 Euro, EAN 4260328052167
Persönliches Geschenkbuch für Hobbyköche
An sich ist die Idee ja ganz nett. „Liebe/r Feinschmecker/in, ein leckeres Essen ist ein Genuss. Um deine Leidenschaft am Kochen aufrechtzuerhalten schenke ich dir dieses Buch. Die herrlichen Bilder werden dir einen Anstoß für die nächsten Gerichte geben. Du entdeckst darin auch anregende Zitate, ein sündhaft gutes Rezept und einige kleine Gutscheine. Alles passend zu deiner Lieblingsbeschäftigung Kochen. Genieße es“, heißt es zu Beginn des „Persönlichen Geschenkbuches für Hobbyköche“. Also versetze ich mich in die Lage des Beschenkten, der – sagen wir mal – von einer seiner Töchter besagtes Buch bekommen hat: Einen Anstoß für die nächsten Gerichte verspüre ich bei den über 20 Bildern eher nicht, sondern werde an klassische PR-Bilder aus irgendwelchen Fotodatenbanken erinnert. Bei den Zitaten frage ich mich, was mir das nachfolgende von Dschuang Dsi im Zusammenhang mit Kochen sagen will: „Der höchste Mensch wendet seinen Geist zurück zur Ewigkeit und genießt die Geheimnisse des Jenseits. Er ist wie das Wasser, das fließt, ohne Formen anzunehmen.“ Was das „sündhaft gute Rezept“ betrifft, so kann es sich nur um das für das Pesto Verde handeln, das aber nach meinem Geschmack im Verhältnis zu viele Pinienkerne und zu viel Olivenöl vorsieht. Bleiben noch die „kleinen Gutscheine“ für „selbst gemachte Nudeln“, ein „kulinarisches Geschenk“, ein “tolles Rezept von mir“ und eine “Gewürz-Überraschung“, die ich allerdings noch bei meiner Tochter einlösen müsste. Nun wird auf der Rückseite noch damit geworben, dass „dieses Buch eine Seriennummer, mit der viele Gutscheine übers Handy eingelöst werden können“, enthält. Dazu muss ich jedoch eine App herunterladen und auf meinem Smartphone installieren, was angesichts der kleinen Schrift auf der Webseite www.gutscheinbuch.de/geschenkbuch mit dem Handy eine ziemliche Herausforderung ist. Aktiviere ich dabei nicht die Funktion, dass die App jederzeit auf meinen Standort zugreifen darf, kann ich die Nutzung der App vergessen. Was soll ich sagen? Mir fielen sicherlich noch ein paar Punkte mehr ein wie z.B. den angekündigten, aber nicht vorhandenen Gutschein für eine Eintrittskarte in den Zoo, aber ich will es jetzt dabei bewenden lassen. Das Büchlein inklusive App mag ja gut gemeint sein, ist aber nicht gut gemacht und produziert in jedem Fall mehr Frust als Lust.
Persönliches Geschenkbuch für Hobbyköche Kuffer Marketing GmbH, Regensburg, Auflage: 1 (November 2010), 52 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978-3-942440-09-7.„Kein Genuss ist vorübergehend; denn der Eindruck, der er hinterlässt, ist bleibend.“ Ob sich Johann Wolfgang von Goethe sein Zitat je im Kontext dieses Bildes vorgestellt hat?
“Schlimmstenfalls schließen …”
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Beitrag ist eine absolute Ausnahme. Aber dieser Tage ist mir (wieder) ein Büchlein in die Hände gefallen, das so geistreich und amüsant zugleich ist, dass ich dafür unbezahlte Werbung machen muss. Gekauft habe ich das Buch wohl noch zu D-Mark-Zeiten, jedenfalls ist die Preisangabe auf der Rückseite in DM, wobei nur am Rande angemerkt sei, dass der Betrag heute in Euro nur unwesentlich niedriger ist als damals. Aber das tut dem Werk, das den einmaligen Titel “Nationalökonomologie” trägt und als 6., weiter er. Aufl. aus dem Jahr 1991 gekennzeichnet ist, keinen Abbruch. Um dem geneigten Leser einen kleinen Eindruck zu vermitteln, zitiere ich ein paar Zeilen aus einem der zahlreichen Beiträge und habe dafür – sozusagen aus lokalpatriotischer Sicht – den “McKinsey-Bericht über den Besuch bei den Berliner Philharmonikern” von Oswald Neuberger ausgewählt. Und der beginnt so: “Die vier Oboisten haben sehr lange nichts zu tun. Die Nummer sollte gekürzt werden und die Arbeit gleichmäßig auf das ganze Orchester verteilt werden, damit Arbeitsspitzen vermieden werden.” Da weiß man gleich: Wirtschaft(lichkeit) und Kunst – zwei Galaxien prallen aufeinander. Und es versteht sich von selbst, dass es in diesem Sinne weitergeht: “Die zwölf Geigen spielen alle dasselbe. Das ist unnötige Doppelarbeit. Diese Gruppe sollte drastisch verkleinert werden. Falls eine größere Lautstärke gewünscht ist, läßt sich das durch eine elektronische Anlage erreichen.” Hiernach spielt der Autor mit Zweiunddreißigstel- und Sechszehntelnoten, was hier allerdings keinen wesentlichen neuen Erkenntnisgewinn bringt und deshalb ebenso unter den Tisch fallen kann wie seine Überlegungen, Partituren wegen zu vieler Wiederholungen “gründlich” durchzuarbeiten, so dass “das Konzert, das jetzt zwei Stunden in Anspruch nimmt, nur noch schätzungsweise zwanzig Minuten” dauere, “so daß die Pause wegfallen kann.” Da ahnt man schon, dass es mit dem Konzertsaal kein gutes Ende nehmen wird, und ist insofern nicht sonderlich verwundert, dass es zum Schluss heißt: “Schlimmstenfalls könnte man ihn ganz schließen und die Leute in das Konzertkaffeehaus schicken…” Was soll ich sagen? Von dem Kaliber sind auch all die anderen Geschichten wie z.B. “Der alte Trapper”, “Eine Anmerkung zu den Opportunitätskosten des Heiratens” oder das “Anekdötchen”. Wem diese Art von Humor zusagt, der liest hier goldrichtig. Allerdings sollte man sich sputen. Der Verlag Mohr Siebeck hat mir zwar versichert, dass die mittlerweile 7., stark rev. Aufl. von 1994 noch lieferbar sei. Die Frage ist nur: Wie lange? Immerhin steht Weihnachten vor der Tür …
Hrsg. Orestes V. Trebeis, Nationalökonomologie. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, 1994, 287 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-16-146332-7
Schumachers Restlaufzeit
Wer Hajo Schumacher kennt, käme nie auf die Idee, dass sich der Journalist und Autor mit dem Thema Alter bzw. Altern beschäftigt. Doch ganz offensichtlich haben ihn das “Martyrium” seiner Mutter und sein 50. Geburtstag, den er im April gefeiert hat, dazu bewogen, sich mit folgenden Fragen zu beschäftigen: Wie könnte ein würdevoller, lustiger und bezahlbarer Lebensabend aussehen und was muss man dafür tun? In seinem neuesten Buch Restlaufzeit geht er allen möglichen Lebensmodellen für Alte nach: Rentner-WG, Mehrgenerationenhaus, dement unter Palmen oder Luxus-Residenz. Bevor Schumacher allerdings die “Essenz meiner Erkenntnisse, ziemlich viele übrigens” preisgibt, analysiert er mal einfühlsam, mal schonungslos. Ein Beispiel: “Ab 20 plagen vor allem Frauen die erste Krampfadern. Ab 25 setzt die geistige Alterung ein, was aber noch nicht auffällt, jedenfalls nicht so stark wie die ersten Falten. Ab 30 zeigen sich Anzeichen von Bluthochdruck und erste graue Haare, wenn sie nicht schon ausfallen. Ab 35 folgen Anzeichen von Gelenkverschleiß und erste rheumatische Beschwerden. Ab 40 droht verschärfte Vergesslichkeit, Altersflecken, Grüner Star, Alterszucker, Infarkte nehmen zu. Zugleich schrumpft der Körper, Potenzprobleme werden akut, die Lesebrille droht. Ab 50 steigt das Schlaganfallrisiko, Inkontinenz beschäftigt uns sowie zunehmende Schwerhörigkeit. Ab 60 kommt der Graue Star, Osteoporose und – da ist sie – die Mundtrockenheit, an der etwa vierzig Prozent der Senioren leiden. Mangelndes Durstempfinden führt zu Flüssigkeitsmangel, was wiederum Stoffwechselprobleme begünstigt. Genaueres erklärt später der Arzt. Und dann kommt die Demenz.” Altwerden ist nichts für Feiglinge, wusste schon der gerade eben erst verstorbene Joachim Fuchsberger. Ein Feigling scheint Schumacher wirklich nicht zu sein. Mit seinem ihm eigenen Humor und Witz, aber auch mit tiefsinnigem Ernst geht er allen Möglichkeiten nach und kommt zu dem Ergebnis: “Wie erfolgreiches Altern aussehen kann, muss schließlich jeder für sich selbst entscheiden.” Und für alle die, denen es dafür an der entsprechenden Fantasie mangelt, skizziert er mit leichter Feder “Meine 24 Vorhaben”, wobei er ganz genau weiß: “Wie bei allen guten Vorsätzen werden manche auf der Strecke bleiben. Aber Listen sind ein guter Anfang.” Was soll ich sagen? Nur für den, der das Buch liest, gibt es – um bei den Worten des Autors zu bleiben – “gute Chancen, die nächsten zwanzig, dreißig Sommer lustig, bezahlbar und würdevoll zu gestalten.”
Hajo Schumacher, Restlaufzeit. Eichborn Verlag, Köln, 2014, 286 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-8479-0572-1.
Invasion finsterer Ungeheuer
“Der spielt wilde Sau, und wir stehen hier rum wie die Orgelpfeifen? Wir müssen was unternehmen, sonst ist hier bald Schicht im Schacht, Ende Gelände, aus die Maus und Schotten dicht.” Das sind die Worte von Lina, eine der Hauptpersonen des Kinder- und Jugendbuches “Paul Paulsen und das Geheimnis der Mottenkiste”, als “aus dem lichtumfluteten Ischtar-Tor hunderte mit bestialischen Werkzeugen bewaffnete gigantische Asseln, Kakerlaken, mit spitzen Zähnen besetzte Würmer und Tausendfüßler herauskrabbelten.” Diese wenige Zeilen lassen bereits Böses ahnen: “Der macht jetzt wirklich Ernst mit seinem Die-Welt-erobern-Quatsch.” Wer “der” ist, wird hier nicht verraten. Nur soviel: Paul Pausen und Lina befinden sich mitten in einer spannenden Abenteuergeschichte und müssen Berlin und die Welt vor der Invasion finsterer Ungeheuer retten. Das Buch, das János Weinert lebendig geschrieben und Maria Heilek mit ihren einfallsreichen Illustrationen bebildert hat, ist hochwertig produziert und sicherlich einmal ein anderes Kinder- und Jugendbuch. Was soll ich sagen? Der Preis ist mit 17,20 Euro plus 2,00 Euro Versand zwar durchaus stattlich. Wer aber mit Hinweis auf Opas Blog das Buch per E-Mail (weinert@weinert-wa.de) bestellt, erhält ein vom Autor und der Illustratorin handsigniertes Exemplar. Das hat nicht jeder.
Das Cover von “Paul Paulsen und das Geheimnis der Mottenkiste” (2013)
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