Fassungs- und ratlos

Das am Donnerstag vorgestellte neue Gutachten sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München und Freising hat ein Beben biblischen Ausmaßes ausgelöst, das gerade die katholische Kirche erreicht und in ihren Grundfesten erschüttert. Denn im Fokus massiver Kritik steht derzeit kein geringerer als Papst emeritus Benedikt XVI.. Dabei wiegt schon schwer genug, was ihm die Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl während seiner Amtszeit als Erzbischof an Versäumnissen zur Last legt. Noch schwerer wiegt allerdings, dass er bei seiner aktuellen Stellungnahme ganz offensichtlich auch noch gelogen hat. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck rief den emeritierten Papst im ZDF bereits zu einer Reaktion auf: “Wir sehen heute deutlich, dass Verantwortung übernommen werden muss”, sagte er. Dazu gehöre, “dass sich auch der Vatikan, dass sich auch Papst Benedikt dazu verhält”. Doch auch damit wäre die ganze Sache sicherlich noch nicht erledigt. Denn was noch skandalöser als die Missbrauchsfälle und der Umgang mit ihnen durch kirchliche Verantwortungsträger ist, ist der Umstand, dass es bei den 42 Fällen von Fehlverhalten, die mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft liegen, ausschließlich um lebende Verantwortungsträger geht, die noch in Amt und Würden sind. Bei den in Rede stehenden möglichen Straftatbeständen geht es um Beihilfe zum sexuellen Missbrauch, Beteiligung an Körperverletzungsdelikten und Strafvereitelung – also wahrlich keine Kavaliersdelikte. Umso ernüchternder ist es, dass nach Ansicht der gutachtenden Anwälte rechtsstaatlich ganz überwiegend nichts mehr möglich ist, weil zu viel Zeit ins Land gegangen ist. Dass es in all den Jahren in der Kirche intern nicht einmal den “einen Gerechten” gab, der seine Stimme erhoben und gesagt hätte, “so geht das nicht”, setzt dem Ganze die Krone auf und macht diese “Bilanz des Schreckens, wie es einer der Anwälte formulierte, nur noch schlimmer. Was soll ich sagen? Oma und ich als Katholiken sind ziemlich fassungs- und ratlos und wissen nicht so recht, was wir tun sollen. Auf der einen Seite ist unfassbar, dass, wie die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ernüchtert feststelle, “auch im Jahr 2022 die bittere Realität heißt: Das System von Vertuschung, Vergessen und schneller Vergebung gegenüber den Tätern ist nicht aufgebrochen worden.” Auf der anderen Seite will gut überlegt und abgewogen sein, nach fast 70 Jahren Zugehörigkeit einfach auszutreten. Denn wer nicht mehr dabei ist, kann auch nichts mehr bewirken und verändern. Diese Qual der Wahl fühlt sich gerade ein bisschen so an, wie sich zwischen Pest und Cholera entscheiden zu müssen.

… und sie dreht sich doch!

Zumindest nach Bertold Brecht hat Galileo Galilei es gesagt: “… und sie dreht sich doch!” Ob allerdings der italienische Universalgelehrte diesen Satz tatsächlich beim Verlassen des Inquisitionsgerichts gemurmelt hat, nachdem er 1633 dem kopernikanischen Weltbild öffentlich hatte abschwören müssen, ist nicht belegt. Aber die Legende lebt. Was die Katholische Kirche, die Galilei erst im Jahre 1992 (!) rehabilitierte, wohl gesagt hätte, wenn dieser seinerzeit mit einer Kugel erschienen wäre, die Oma und mich seit neuestem in unserem Zuhause begeistert. Ohne Strom und Kabel funktioniert das Ganze, nur mit Licht und Magnetfeld dreht sich unsere Erde, so wie man sie aus dem Weltraum kennt, in die richtige Richtung. Während die durchschnittliche Dauer einer Erdumdrehung tatsächlich 23 Stunden, 56 Minuten und 4,10 Sekunden beträgt, rotiert unsere Kugel in 36 Sekunden einmal um die eigene Achse. Was soll ich sagen? Ungeachtet dessen sind wir jetzt aber dennoch ein wenig verunsichert. Denn die Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) glauben herausgefunden zu haben: Die Erde ist eine Scheibe! Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie selbst. Wörtlich heißt es auf der Webseite des DLR: “Es gibt tatsächlich zahlreiche unwiderlegbare Beweise für die Scheibenform der Erde! Dazu gehören fehlende Filzstiftspuren am gesamten Äquator, seltsame Stimmen aus dem Navi im Auto und auch mysteriöse Umwege von Flugzeugen!” Es folgt ein längerer Text, der mit dem Satz endet: “Lesen Sie demnächst: ,Betrug: Auch Christbaum-Kugeln und Ostereier in Wahrheit nur Scheiben!’ und ,Spieler gesteht: Wir mussten Kugelform der Fußballscheiben vortäuschen!'” Was es alles gibt!?! 😉

Jesus. Eine Weltgeschichte (IV)

Es ist vollbracht! Dabei haben sich die 1.004 Seiten des Buches Jesus. Eine Weltgeschichte. wie von selbst gelesen und sind im Fluge vergangenen. Und das, obwohl der Bogen, den Markus Spieker gespannt hat, gewaltig ist: Von der Steinzeit bis in diese Tage. Der wichtigste Teil des Buches ist wohl der dritte, der mit der Auferstehung des Gekreuzigten beginnt und dort endet, was der Autor wie folgt beschreibt: “Die Glaubensgemeinschaft, die sich auf ihn gründet, ist die Größte der Welt und die einzige Weltreligion, die diesem Namen voll gerecht wird: Ihre Anhängerschaft verteilt sich auf alle geografischen und sozialen Milieus. Die Kirche des 21. Jahrhunderts ist wieder das, was sie schon in den ersten Jahrhunderten war: ein globales Phänomen.” Dabei sei das Christentum die Religion, “die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Nach der Kreuzigung war nicht nur Jesus klinisch tot, sondern auch die von ihm ins Leben gerufene Bewegung. Doch der Totgesagte lebte wieder. Und die von ihm gestartete Bewegung wurde erst jetzt so richtig lanciert. Jesus kam wieder, um zu bleiben. Am Anfang der neuen Zeit steht die Auferstehung.” In den über 400 Seiten, die dazwischen liegen, hat Spieker die Entstehungsgeschichte des Christentum akribisch aufgearbeitet und bis in letzte Winkel ausgeleuchtet, mit allen Höhen und Tiefen. Hier näher darauf einzugehen, würde angesichts der Vielzahl an Details jeden Rahmen sprengen. Man muss es einfach selber lesen. Besonders bemerkenswert ist u.a., dass Spieker, der in einem evangelischen Pfarrhaus aufwuchs, sich – anders als manch Anderer – so lobend über die letzten drei Päpste äußert und mit Blick auf deren Berücksichtigung der Mahnungen von Bernhard von Clairvaux vor zu viel Ehrgeiz schrieb: “Dies gilt nicht zuletzt für die drei Männer, die in letzter Zeit der katholischen Kirche vorstanden: Johannes Paul II., Benedikt XVI., den Autor der bahnbrechenden ‘Jesus von Nazareth’-Biografie, und Franziskus.” Was soll ich sagen? Nachdem auf das Alpha und das Omega, den Anfang und das Ende bereits hingewiesen wurde, soll an dieser Stelle nicht Jesus das letzte Wort haben, sondern das letzte Wort sein: “Das Beste am Himmel sind nicht irgendwelche paradiesischen Genüsse. Am Ende der Geschichte …
… wartet eine Person.
Willkommen zuhause.
Bei Jesus.”

PS: Ein Dank an dieser Stelle an Birgit Kelle, die mich bei Facebook auf dieses Buch aufmerksam gemacht hat.

Markus Spieker, Jesus. Eine Weltgeschichte.
Fontis-Verlag, Basel, 11. September 2020, 1.004 Seite, 30,00 Euro, ISBN 978-3-03848-1881

Beten für Notre Dame

Oma und ich sind traurig: Notre Dame hat gebrannt. Auch wenn es so scheint, als dass der Super Gau nicht eingetreten ist, so haben die Bilder doch eine tiefe Erschütterung in jedem hinterlassen, der diese Kirche als eines der Wahrzeichen unserer abendländischen Kultur ansieht. Notre Dame – unsere Frau, unsere Mutter Gottes, verletzt und geschunden. Eigentlich ist so etwas, wie das, was da gestern in Paris geschehen ist, undenkbar. Und doch ist es passiert. Unglaublich! Dabei haben Kirchen, ja ganze Städte schon gebrannt: Rom im Jahre 64 unter Kaiser Nero – mit nicht bekannten Toten, Magdeburg im Jahr 1631 im Dreißigjährigen Krieg – mit insgesamt 20.000 Toten, New York im Jahr 1776 – mit 500 Toten, Wien im Jahr 1881 – mit vermutlich bis zu 500 Toten, Tokio und Yokohama im Jahre 1923 – mit über 100.000 Toten oder Dhaka im Jahre 2012 – mit weit über 100 Toten. Die Katastrophen aufgrund von Terrorangriffen nicht mitgerechnet. Woher dann die Betroffenheit, obwohl doch so gut wie niemand zu Schaden gekommen ist – von den bewundernswerten Feuerwehrleuten einmal abgesehen. Das Gebäude, die Kirche an sich? Gewiss, Notre Dame ist ein Wahrzeichen, für Frankreich allemal, aber auch für die Welt. Aber da ist noch etwas Anderes: Wir Menschen in diesen Tagen haben uns daran gewöhnt, dass alles seinen Gang geht und das in geordneten Bahnen. Wir glauben: Uns kann nichts passieren. Doch weit gefehlt. Das Leben ist voller, auch unangenehmer Überraschungen. Was soll ich sagen? Ein, wenn nicht der wesentliche Grund an der großen Betroffenheit über die Brandkatastrophe von Paris ist vermutlich unsere Technikgläubigkeit. Wir fühlen uns aufgrund der vielen technischen Sicherungssysteme mittlerweile so sicher, dass wir alles, was uns schaden könnte, für nicht real halten. Dass dem nicht so ist, hat uns Notre Dame einmal mehr gezeigt. Dass heilige Reliquien, und das nur nebenbei, das Inferno überlebt haben, ist noch eine andere Geschichte, auf die ich demnächst an dieser Stelle eingehen werde. Bis dahin: Wir beten für Notre Dame – an wen auch immer.

Dinge zwischen Himmel und Erde

Bei der morgendlichen Zeitungslektüre habe ich einen Artikel* der von mir sehr geschätzten Welt-Kollegin Kathrin Spoerr gelesen, in dem diese freimütig bekennt, wie und warum sie sich so auf Weihnachten freut. Gleichzeitig bekennt sie aber auch, „dass ich weder an Gott glaube noch seinen Namen heilige noch von der Schöpfung des Himmels, der Erde oder sonst was zu überzeugen bin. Wahr ist, dass ich an nichts glaube außer an das, was sichtbar oder erklärbar ist.“ Das ist schade. Nun muss man wissen, dass die Kollegin aus einer protestantischen Bauernfamilie in Mecklenburg-Vorpommern stammt, bei der es vielleicht die DDR war, die es geschafft hat, die „Tradition der Frömmigkeit“, wie sie es einmal formulierte, aus der Familie zu treiben. Wie auch immer, Kathrin Spoerr hat ihren Frieden mit der Kirche und der Religion gefunden, die sie „auf eine sehr eigene, sehr weltliche Weise als meine Religion empfinde.“ Als bekennender Katholik kann ich damit gut leben. Schließlich sind ja auch mir Zweifel und manchmal selbst Wut auf die Kirche nicht fremd, lebe ich meine höchst eigene Religiosität. Nur eine Sache lässt mich nicht ruhen, die ich – gegen ein bisschen Widerstand von Oma – an dieser Stelle denn doch zum Besten geben muss. Ich könnte das jetzt wortreich ausschmücken, will aber doch lieber gleich zum Punkt kommen: Oma kann, wie ihre Mutter immer noch, Brandschmerzen weg…, man könnte sagen, wegbeten. Das verwunderte mich, als ich davon das erste Mal erfuhr, schon sehr. Doch mittlerweile, nach über 40 Jahren Ehe, in der Oma oder ihre Mutter doch so oft und so erfolgreich Menschen von ihren Schmerzen befreit und üblen Narben bewahrt haben, habe ich es aufgegeben, darüber nachzudenken, auch wenn ich nach wie vor nicht den blassesten Schimmer habe, wie und was da vor sich geht. Aber es funktioniert und selbst dann, wenn die Betroffenen selbst davon überhaupt nichts wissen. Und kosten tut es auch nichts. Nun wäre meine Frage an Kathrin Spoerr: Was machen Sie, wenn sich eines iIhrer Kinder oder sie selbst oder ein guter Bekannter verbrennt? Rufen Sie bei uns an und bitten meine Frau, aktiv zu werden, oder lassen Sie es sein, weil hier etwas ist, was nicht sichtbar und erklärbar ist? Was soll ich sagen? Das ist jetzt wahrlich ein Dilemma, das man vielleicht mit dem geflügelten Wort auflösen kann: Wer heilt, hat recht. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann man nicht sehen und nicht erklären. Und doch sind sie da. Das ist in etwa.so wie mit dem Weihnachtsmann bzw. dem Christkind. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die es hier auf Opas Blog wie jedes Jahr an Heiligabend gibt.

*Schade, dass der Artikel nicht frei im Netz verfügbar ist.

Zornig und wütend

„Obwohl mir der Ruf einer katholischen Hardlinerin vorauseilt, bin ich in Wahrheit nicht einmal sonderlich bibelfest.“, hat jüngst Birgitte Kelle in einem Beitrag für Die Welt eingestanden. Bei mir verhält es sich ähnlich. Ich glaube zwar an Gott, habe aber mittlerweile doch erhebliche Zweifel an der katholischen Kirche. Meine Frau behauptet zwar immer noch gerne, ich sei die letzte Bastion dieser über 2000 Jahre alten Institution. Das ist aber schon lange nicht mehr so. Die Missbrauchsfälle in der Una Sancta und deren Umgang damit, machen mich mehr und mehr zornig und wütend. Sind schon die Taten an sich abscheulich, schlägt die eher halbherzige Aufarbeitung innerhalb der Kirche dem Fass den Boden aus. Dabei hat Jesus selbst uns gezeigt, für wen man da sein sollte und vor allem wie: Für die Kinder, die unser aller Schutz bedürfen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders bitter, dass gerade die, die sich als Diener Gottes in den Dienst am Nächsten gestellt haben, diese Aufgabe „ins Gegenteil verkehrt, ja pervertiert haben“, wie es der frühere Berliner Bischof Rainer Woelki dieser Tage formuliert hat. Da kommt einem nur allzuschnell das folgende Jesus-Wort in den Sinn: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.“ Da aber auch Jesus hier sicher nicht an Selbstjustiz gedacht hat, würde es schon reichen, wenn die Täter aus der Kirche entfernt und vor ein ordentliches Gericht gestellt würden. Was soll ich sagen? Die katholische Kirche befindet sich vermutlich in einer ihrer größten Krisen. Sie hat es selbst in der Hand, ob sie zum Totengräber in eigener Sache wird oder es dabei bleibt: Deus caritas est.

Nachdenken über Gott

Großeltern sind ja zuweilen schon eine merkwürdige Spezies, wie ich bereits in meinem ersten Post geschrieben habe. Aber Großväter sind da sicher noch eine Nummer schärfer, vor allem wenn sie als Strohwitwer alleine daheim sinnieren können. Da sitzt man bei einem Glas Wein auf der Terrasse und denkt über Gott und die Welt nach. Die Welt an sich ist ja schon ein interessantes Thema, das ich aber hier jetzt nicht weiter vertiefen will. Bleiben wir einfach mal bei Gott, an den ich, das bekenne ich hier einmal, glaube. Typisch Katholik werden jetzt viele sagen. Doch so einfach ist das nicht. Denn, das ist jedenfalls mein Credo, wenn es (wirklich) einen Gott (und für die Gender-Fanatiker eine Göttin) gibt, dann gibt es vermutlich nur EINEN (oder EINE). Egal wie der (oder die) dann heißt. Ohne eine der Religionen zu nahe treten zu wollen oder despektierlich zu sein, aber ob nun Gott, Gott Vater, Jesus Christus und der Heilige Geist, Allah, Historischer Buddha, Reinkarnation, Manitu oder wie auch immer es heißt, an was man glaubt, es ist etwas Mystisches, das man nicht wirklich erklären kann, sondern an das man eben glaubt. Insofern bin ich ziemlich beruhigt, was meine Kinder und Enkelkinder betrifft. Denn die sind, zumindest soweit ich das beurteilen kann, grundgute Menschen, so dass ihnen der Himmel – oder wie auch immer das in den anderen Religionen definiert wird – sicher ist. Auch Oma gehört zu dieser Kategorie Menschen, die prinzipiell niemanden etwas zu Leide tun können und eben dieses Schicksal ganz sicher verdient haben. Bleibt nur noch Opa, der sich aber auch nicht wirklich viel in seinem Leben vorzuwerfen hat. So gibt es in unserem familiären Fall also nur noch die entscheidende Frage: Gibt es IHN (SIE) oder gibt es IHN (SIE) nicht? Was soll ich sagen? Was meine Kinder, Enkelkinder und Oma betrifft, so bin ich absolut sicher, dass sie – irgendwann einmal, hoffentlich in ganz, ganz später Zukunft – in Frieden ruhen werden. Was mich betrifft, habe ich das, was man absolutes Gottvertrauen nennt. Vielleicht sehen wir uns ja mal in der Ewigkeit (wieder). Denn das ist die längste Zeit, die noch vor uns allen liegt … Und wenn es denn wirklich das ewige Leben gibt, dann … Ist Hoffnung nicht etwas Göttliches?!?

Diesmal: Vatertag vor Muttertag

Wer sich heute verwundert die Augen reibt, weil Vatertag ist und die Mütter noch ein paar Tage auf ihre Blumen warten müssen, kann beruhigt sein: Alles im grünen Bereich. Denn hin und wieder kann es tatsächlich vorkommen, dass der Vatertag vor dem Muttertag liegt. Das hängt damit zusammen, dass der Vatertag mit einem christlichen Feiertag verknüpft ist und der Muttertag einen festen Termin hat. Letzterer ist immer der zweite Sonntag im Mai. Vatertag fällt dagegen konstant auf Christi Himmelfahrt, die stets 39. Tage nach Ostersonntag gefeiert wird. Da der Termin von Ostern jedoch vom Mond abhängt, ist das früheste Datum der 21. März, sofern der Sonntag einen Vollmond aufweist. Der späteste Termin ist der 20. April. Damit kann Vatertag frühestens am 30. April, spätestens am 3. Juni stattfinden. Damit liegt der Vatertag auch schon mal vor dem Muttertag, wie das zuletzt 2008 der Fall war. Insofern sind also heute die Väter dran. Was soll ich sagen? Hoffentlich sind die vernünftig und trinken nicht so viel. Stattdessen könnten sie sich ja mit ihrem Nachwuchs beschäftigen. Und der dankt es ihnen. Unser jüngster Enkel beispielsweise hat für seinen Vater ein Auto gebastelt, über das sich auch Opa freuen würde. Alles ist aus natürlichem Material – bis auf das Lenkrad, was ihn ein wenig ärgert, der Sache aber keinen Abbruch tut. Es ist und bleibt ein wahres Kunstwerk.

Gebastelt für Vatertag: Ein wahres Kunstwerk.

Die Hölle Grand Canyon

Unser jüngster Enkel ist sich sicher, dass er in den Himmel kommt. “Ich bin doch immer lieb”, sagt er, was in der Tat auch stimmt – von den üblichen Dingen eines kleinen Jungen einmal abgesehen. Wo aber kommen die anderen Kinder und Erwachsenen hin, die nicht so lieb sind? Auch hier hat der kleine Mann klare Vorstellungen: “In den Grand Canyon”, ließ er Oma wissen, die, wie man sich vorstellen kann, nicht schlecht staunte. Denn die 450 Kilometer lange Schlucht im Norden des US-Bundesstaates Arizona zählt zu den großen Naturwundern dieser Erde und wird jedes Jahr von fünf Millionen Menschen besucht. Vermutlich geht die neue Nutzung auf den Einfluss von Donald Trump zurück, der als 45. US-Präsident seit nunmehr über einem Jahr in Washington mit Fake News für Schlagzeilen sorgt. Jedenfalls lügt Trump fünfmal am Tag, “mit ernsthaften Konsequenzen”, wie Max Paul Friedmann, Geschichtsprofessor an der American University in Washington, im Deutschlandfunk Kultur zum Besten gab. Im Vergleich: Trumps Vorgänger Barack Obama log im Durchschnitt nur zwei Mal pro Jahr öffentlich. Wie auch immer: Der Grand Canyon wird vermutlich die Hölle, zumindest aber das Fegefeuer für die Bösewichter dieser Welt sein. Denn alleine schon in der Nähe dieses Despoten sein Dasein fristen zu müssen, ist wohl Strafe genug. Was soll ich sagen? Da verüben wir doch alle lieber jeden Tag eine gute Tat, als in der Welt der Alternativen Fakten zu landen. Ein schönes Wochenende noch und bleiben Sie gesund …

Ganz schön starker Tobak

Eigentlich wollte ich „nur“ ein Buch besprechen. „Wir Wochenendrebellen“ heißt es und handelt von einem Jungen und seinem Vater auf Stadiontour durch Europa. Normalerweise wäre das jetzt nicht zwangsläufig und unbedingt ein Thema für diesen Blog gewesen. Aber in diesem Buch geht es abgesehen von Fußball „auch um den Alltag, den ich, Papsi, Mami und meine Schwester leben, und darum, was das Asperger-Syndrom für mich und meine Mitmenschen bedeutet“, schreibt Jason von Juterczenka in dem von ihm verfassten Vorwort und macht sodann deutlich, dass nicht er ein Problem hat oder eines ist, sondern mehr die anderen: „Gäbe es ein Medikament, mit dem man das Asperger-Syndrom ‚heilen‘ könnte, müsste ich nicht lange überlegen, um zum Schluss zu kommen, es nicht zu nehmen.“ Warum das so ist, erläutert Jason auch gleich: „Das Behindernde an den Behinderungen ist nicht die Behinderung selbst, denn ein Problem entsteht erst, wenn andere Menschen meine Regeln verletzten, sei es aus Unwissenheit, aus Desinteresse oder aus purer Gemeinheit.“ Allerdings kann Jason nicht unterscheiden, ob jemand gemein zu ihm sein will oder vielleicht einfach vergessen hat, dass er beispielsweise nicht berührt werden möchte. Bis zu diesem Punkt war ich eigentlich sehr wohlwollend gegenüber Jason und seinem Vater eingestellt und wollte deren Erlebnisse ebenso wohlwollend rezensierend begleiten. Doch dann kam mir das Ende des Vorwortes dazwischen, über das ich nach wie vor nicht so richtig hinweg komme: „Papsi hat versprochen, die Welt ein bisschen besser zu machen, dabei ist mein größter Wunsch für unsere Welt ein sehr allgemeiner. Ich möchte, dass Menschen aufhören, sich an alten Gewohnheiten festzuklammern, die nicht mehr in unsere Zeit hineinpassen. Man sollte unser komplettes Wirtschafssystem, das nur auf Wachstum beruht, überdenken. Wir sollten Risiken eingehen, um die sonst unausweichlichen Katastrophen wie den Klimawandel aufzuhalten. Auch unsere Religionen und unsere Sitten passen absolut nicht mehr in unsere Zeit. Wir denken und handeln zu konservativ, zu nationalistisch und mit zu wenig Weltoffenheit. Alles würde sich verändern, wenn wir dies überdenken. Wir würden endlich ernsthafte Schritte zur Erhaltung unsere Umwelt machen, uns stünde das gesamte Sonnensystem zum erforschen frei und es gäbe keine isolierten, voneinander abgeschotteten Länder, die mit den anderen nichts zu tun haben wollen, nur weil sie sich für etwas Besseres halten. Die lächerlichen kleinen Differenzen zwischen den Menschen auf der Erde würden verschwinden. Es ist eine echte Traumwelt. Zwar sind wir davon noch Lichtjahre entfernt, doch es gibt erste gute Ansätze, die für eine offenere und bessere Welt in Zukunft sorgen können, wenn sie nur ernsthaft von allen Menschen verfolgt werden. Das wäre gut.“ Das liest sich auf den ersten Blick ja vielleicht noch ganz nett. Aber bei genauerem Hinsehen ist das ganz schön starker Tobak. Da wischt ein gerade mal zwölfjähriger Bub mit einem Satz „unsere Religionen und unsere Sitten“ vom Tisch, weil sie angeblich „absolut nicht mehr in unsere Zeit hineinpassen.“ Wäre Jason nicht Autist, würde jeder vernünftige Mensch sehr schnell zu dem Urteil kommen: Der hat sie doch nicht mehr alle. So aber steht er quasi unter Dauerwelpenschutz, was die Sache nicht besser macht. Denn zu behaupten, „unsere Religionen und unsere Sitten passen absolut nicht mehr in unsere Zeit“, ist schon ziemlich vermessen – und völlig unabhängig vom Alter des Urhebers, auch wenn der regelmäßiger Besucher eines Forschungszentrums ist, in dem er sein eigenes Projekt hat. Denn wenn man sich die Welt von heute ansieht, kann man ganz sicher auch zu einer völlig anderen Ansicht gelangen, nämlich dass Religionen in diesen Tagen wichtiger denn je sind. “Die Evolutionstheorie beantwortet nicht die Frage nach dem intentionalen Ursprung und nach dem Sinn des Lebens”, hat es der katholische Theologe Markus Vogt vom Lehrstuhl für Christliche Sozialethik der Uni München einmal in einer Diskussion formuliert. “Ohne Gott hängt die Welt im Leeren.” Ich will das an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, zumal wohl klar ist, dass man so eine Frage nicht mal eben mit einem Federstrich abhandeln kann. Was soll ich sagen? Jason selbst mache ich keinen Vorwurf. Mag er noch so intelligent sein, aber als Zwölfjähriger kann er unmöglich überblicken, auf welche Diskussion er sich mit dieser seiner Aussage eingelassen hat. Energischer Widerspruch ist da vorprogrammiert. Hier wären Vater und Lektoren gefordert gewesen, Jason zu schützen. So aber wird der „Krieg im Kopf“, in seinem Kopf, auch bei dieser Frage weitergehen: „Oft habe ich alle möglich Dinge im Kopf“, schreibt er in seinem Glossar, „Da ist wirklich alles dabei. Es ist so viel, dass, wenn man versucht, die Gedanken zu ordnen, man nur scheitern kann. Diese rasenden Gedanken überfordern mich.“ Da wird es ihn wenig trösten, dass er damit ganz sicher nicht alleine ist.

                                                                              Mirco von Juterczenka, Wir Wochenendrebellen                                                  Benevento, Salzburg/München, 2017, 244 Seiten, 20,00 Euro, IBAN: 978-3710900174