Eine Schnur, die krabbelt

Wie bereits angekündigt heute nun die Geschichte, die mir ein alter Bekannter und seine Frau erzählt haben, Kategorie Kindermund: Als ich bei unserer jüngsten Begegnung wieder einmal von meinen Enkeln schwärmte und deren Sprüche zum Besten gab, konnten auch sie von ihren Kindern Bemerkungen beisteuern, die nicht von schlechten Eltern waren. Als das Paar einmal versuchte, seiner Tochter den Sinn der Regel “Ladies first” nahe zu bringen, meinte die Kleine nur lapidar: “Sag ich doch, erst die Ladies, dann der First!” Nicht schlecht fand ich ja auch, wie der Bruder der Kleinen einen Regenwurm beschrieb, als er ihn das erste Mal sah: “Da ist ja eine Schnur, die krabbelt!” Was soll ich sagen? Ich will ja jetzt nicht gleich eine Blogparade starten, es wäre aber schon schön, wenn meine Leser hier ein paar Sprüche von ihrer Kindern oder Enkeln zusammentragen würden.

Zwanzig, zweißig oder zweizig?

Kindliche Logik ist einfach nicht zu überbieten. Über das Rechtsamt und sein Pendant das Linksamt habe ich ja schon geschrieben, über Rechts- und Linksanwalt selbstredend auch, vom Mäuseaufkleber und dem dazu gehörenden Mäuseland gar nicht zu reden. Nun haben wir ganz aktuell ein neues Paradebeispiel für die Logik von Kindern, die sich offensichtlich nur an einem Kriterium orientiert: Konsequenz! Als seine Mutter die Zahl 20 benutzte, fragte unser ältester Enkel: „Warum sprichst du das denn falsch aus?“ Was denn an zwanzig falsch sei, wollte sie daraufhin wissen. „Na ja“, meinte der kleine Mann, „das müsste doch zweieiig heißen!“ Was soll ich sagen? Ich weiß auch nicht, warum das zwanzig und nicht zweißig heißt, zumal als nächste Zehnerzahl die dreißig folgt. Im übrigen könnte es ja auch zweizig und dreizig heißen, nachdem die Zehnerzahlen ab vierzig zumindest bis neunzig alle auf -zig enden. Ein ziemliches Kuddelmuddel. Man sollte manche Dinge einfach den Kindern überlassen.

ZehnerzahlenDie Zehnerzahlen: Ein Kuddelmuddel sondergleichen.

“Der Albert, der albert”

Lachen soll ja bekanntlich gesund sein. Und die Statistik scheint das auch zu bestätigen: Kinder lachen 400 Mal am Tag, Erwachsene 12 Mal und Tote gar nicht. Selbst der Laie erkennt da eine Tendenz, wie Eckart von Hirschhausen in seiner ihm eigenen Art formuliert hat. Vor diesem Hintergrund ist ziemlich interessant, was Humorforscher so alles herausgefunden haben, vor allem bei Kindern: Mit 2 bis 3 Jahren kommen die ersten Sprachwitze zu Tage. Das Prinzip ist dasselbe: Was nicht „normal“ ist, ist lustig – zum Beispiel ein Hund, der miaut. Auch mit merkwürdigen Tönen oder Nonsens-Lauten wird gern experimentiert. Während Kinder lernen, ihren Körper zu kontrollieren (etwa aufs Töpfchen zu gehen), sind körperbezogene „Tabu-Wörter“ sehr komisch. 3 bis 5-Jährige finden absurde (meist visuelle) Begebenheiten lustig. Kinder lernen, zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden. Deswegen freuen sie sich z. B. über das unerwartete (und unrealistische) Ende einer Geschichte. Ähnliche Gründe hat die Freude daran, etwas Unerwartetes zu tun (also z. B. nicht zu gehorchen). Angesichts dessen finde ich es ziemlich bemerkenswert, was sich unser jüngster Enkel jetzt ausgedacht hat: „Der Albert, der albert“, ließ er wissen, als dieser Name fiel. Was soll ich sagen? Ganz schön sprachgewandt. Vielleicht wird aus ihm ja einmal ein zweiter Christian Morgenstern, der ebenfalls Wortspiele liebte und von dem die nachfolgenden Zeilen stammen: Ein Wiesel saß auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel. – Wisst ihr weshalb? Das Mondkalb verriet es mir im Stillen: – Das raffinierte Tier tat’s um des Reimes willen.

Über 100 Jahre alt?

Die Zahl 100 ist für unsere Enkelkinder offensichtlich ziemlich beeindruckend. Jedenfalls wird sie von ihnen oft benutzt, wenn eine große Menge beschrieben werden soll. Aber auch andersherum wirkt die Zahl. So zeigte sich unser jüngster Enkel bei seinem letzten Besuch ausgesprochen rücksichtsvoll, als Oma ihn bat, mit seinem Serviettenring etwas behutsamer umzugehen, da der immerhin schon über 100 Jahre alt sei. Die beiden zogen sich dann nach dem Essen zu einem mittäglichen Lesestündchen zurück. Dabei betrachtete der kleine Mann unseren Herrgottswinkel und meinte: „Das Kreuz ist ja schon ganz alt. Das kann man doch runternehmen.“ Daraufhin meinte Oma: „Das ist schon über 100 Jahre alt und bleibt doch besser hängen.“ Damit hatte er nun gar nicht gerechnet und fragte, seine Arme und Schultern ungläubig nach oben ziehend: „Ist denn hier alles über 100 Jahre alt?“ Was soll ich sagen? Nicht alles, und vor allem wir nicht, auch wenn Oma und ich vielleicht manchmal so aussehen bzw. uns so fühlen.

IMG_1717 100 Jahre alt und seitdem in Familienbesitz.

Mit Schokoladenüberzug

Unser jüngster Enkel ist ein ganz Süßer. Nicht nur dass er im wahrsten Sinne des Wortes zum Anbeißen ist, er selber sagt über sich: „Ich liebe Schokolade!“ Was wohl stimmen muss, denn mit einem Stück dieses Kakaoproduktes lässt sich der kleine Mann eigentlich fast immer für fast alles begeistern. Aber damit nicht genug. Jetzt eröffnete er uns, welche die nach seiner Ansicht nach schönste Seite von ihm ist. Ganz stolz deutete er auf seine linke Wange und verkündete: „Das ist meine Schokoladenbacke.“ „Und das“, fügte er mit Hinweis auf seine rechte Wange noch schnell hinzu, „ist meine Obstbacke.“ Was soll ich sagen? Aber mit Schokoladenüberzug.

„Woont deze meneer ook hier?”

Unsere beiden Enkel sehen ihre Tanten und Onkel nahezu täglich. Da ist die Familien- und Verwandtschaftspflege relativ einfach. Schwieriger ist das schon, wenn die Angehörigen weiter weg oder gar im Ausland wohnen, so wie das beispielsweise bei der Familie von Oma der Fall ist. Die wohnt, wie die Leser von Opas Blog wissen, in den Niederlanden. Die sind zwar nicht so weit weg. Doch sieht man sich nicht gerade jeden Tag. Vor allem für die Kinder von Omas Geschwistern war das, als diese noch klein waren, ziemlich schwierig. Da konnten sie sich die verschiedenen Personen nicht immer gleich merken und schon mal durcheinander kommen. Bei einem Besuch von Omas jüngster Schwester mit ihrer Familie bei uns fragte deren jüngster Sohn – damals vielleicht gerade einmal vier Jahre alt -, als ich abends nach der Arbeit nach Hause kam und ziemlich selbstverständlich durch unser Wohnzimmer ging: „Woont deze meneer ook hier? (Wohnt dieser Herr auch hier?)“ Was soll ich sagen? Das war fast wie bei Loriots „Pappa ante portas“, als Herr Lohse seine Frau Renate mit seiner Anwesenheit in den eigenen vier Wänden überraschte und damit nachfolgenden Dialog auslöste: “Was machst du denn hier?” – “Ich wohne hier!” – “Aber doch nicht jetzt, um diese Zeit!”

Fragen über Fragen

Das Thema Frau lässt unseren ältesten Enkel nicht los. Nachdem er irgendwie verdaut hatte, dass die Person, um die er sich sorgt, nur deshalb noch alleine ist, weil der noch keine Frau gefunden hat, die er so toll findet, dass er auch mit ihr zusammen leben will, wollte der kleine Mann jetzt von seiner Mutter wissen: „Was ist denn, wenn er eine Frau trifft, die er toll findet, die aber schon einen anderen Mann hat?“ „Na ja“, antwortete sie, „normalerweise funkt man da nicht dazwischen. Aber natürlich passiert das auch schon mal.“ Daraufhin grübelte er eine ganze Zeit lang, um dann ziemlich mitfühlend festzustellen: „Für den anderen Mann ist das dann aber auch blöd.“ Was soll ich sagen? Erstaunlich, was der Kleine schon für eine Sozialkompetenz hat, und das, obwohl er das zehnte Gebot noch gar nicht kennt.

Warten auf die Pubertät

Unser ältester Enkel entdeckt gerade die Sozialstrukturen einer Gesellschaft. Jedenfalls fragte er jetzt seine Mutter, warum denn eine bestimmte Person, obwohl die doch immer mal wieder eine Freundin hat, nach wie vor alleine wohnt. „Na ja“, antwortete sie, „weil er noch keine Frau gefunden hat, die er so toll findet, dass er mit ihr auch zusammen leben will.“ Sie versuchte noch zu ergänzen, dass das natürlich auch andersherum für die Frau gelte, wurde aber bereits überschwänglich vor Freude von dem kleinen Mann davon in Kenntnis gesetzt, dass er ganz viele Leute toll findet. Ihren Einwand, dass man aber nicht mit allen Menschen, die man toll findet, zusammenleben kann, wird er vermutlich nicht so ganz verstanden haben, rettete sich aber mit der Feststellung, dass er seine Eltern ganz toll findet und gerne mit ihnen zusammenwohnt. Was soll ich sagen? Warten wir mal die Pubertät ab, wenn seine Eltern nämlich so komisch werden, dass er sie gar nicht mehr so toll findet.

Michelangelos Logik

Kinder backen gerne. Natürlich auch unsere Enkelkinder. Ob Plätzchen, Kuchen oder Pizza, alles, was in den Ofen passt, wird dort auch reingeschoben. Wenn die Kleinen allerdings bei uns sind, haben sie Pech. Denn Oma, die ja nun wirklich exzellent kochen kann, hat es nicht so mit dem Backen. Als jetzt dieser Tag unser jüngster Enkel da war und meinte: „Oma, lass uns backen“, erwiderte sie: „Ach, das kann ich doch gar nicht so gut.“ Daraufhin nahm der kleine Mann seine Großmutter in den Arm und tröstete sie: „Oma, das ist doch nicht schwer. Man muss nur alles reintun, was reingehört, dann rumrühren und in den Ofen stellen. Und manchmal dauert’s länger.“ Was soll ich sagen? Irgendwie erinnert mich diese Logik an Michelangelo, der einmal auf die Frage, ob es denn schwer sei, einen Löwen zu meißeln, gesagt hat: „Nein, man muss nur alles vom Stein weg schlagen, was nicht nach Löwe aussieht.“

Woher – wohin?

Menschen machen sich seit jeher Gedanken, woher sie kommen, wohin sie gehen. Manchmal will man das auch von anderen Menschen wissen. So muss es wohl bei unserem ältesten Enkel gewesen sein, als er plötzlich zu seiner Mutter sagte: “Ich weiß, von welchem Land aus du nach Berlin gekommen bist.” Zunächst dachte sie, er würde nun Holland sagen. Tat er aber nicht, sondern meinte, und das völlig zu Recht: “Aus Bayern.” “Das liegt aber auch in Deutschland”, erwiderte sie und provozierte damit gleich die nächste Frage: “Und warum muss dann solange dahin fahren?” Was soll ich sagen? Ich hätte jetzt auch nicht weiter gewusst.