Kampf ums Überleben

Oma und ich staunten nicht schlecht. Als wir heute mit dem Auto unterwegs waren, entdeckten wir auf der Drakestraße in Lichterfelde-West eine Kastanie, die – obwohl mit unzähligen welken Blättern behangen – an einigen Stellen in voller Blüte stand. “Die muss sich wohl vertan haben”, war unser erster Gedanke. Als ich dann aber das Phänomen im Internet recherchierte, stieß ich auf beunruhigende Informationen. Denn die Kastanie ist offensichtlich nicht mit den Jahreszeiten durcheinander geraten, sondern kämpft ums nackte Überleben. Gründe sind die große Hitze und vor allem die Miniermotte. Weil die Mottenlarven die Blätter aufgefressen haben, versucht die Kastanie, sozusagen als Notreaktion, eine zweite Vegetationsperiode nachzuschieben. So kommen jetzt die Knospen, die der Baum eigentlich für das kommende Frühjahr bereitgehalten hatte. Das aber wiederum hat zur Folge, dass der Baum immer schwächer wird. Bedenklich dabei ist vor allem, dass das Phänomen Jahr für Jahr früher und jetzt schon im August auftritt. Denn, so Experten, wenn die Fraßschäden erst im Herbst auftreten, sind die Auswirkungen auf den Baum noch verkraftbar. So aber dreht sich der Teufelskreis immer schneller. Was soll ich sagen? Es ist befürchten, dass Hitzeperioden wie in diesem Sommer eher die Regel als die Ausnahme sein werden. Zudem gibt es gegen die Miniermotte, die bislang auch kaum Feinde hatte, bis auf das Vernichten der welken Blätter kaum wirksame Maßnahmen. Einziger Hoffnungsschimmer ist, dass immer mehr Vögel den Schädling als Delikatesse entdeckt und auf ihren Speiseplan gesetzt haben. Vielleicht kann man ja auch noch anderen wie Fledermäusen oder Wespen die Motten schmackhaft machen. Die Kastanien würden sich freuen.

Zwei Jahreszeiten in einem Baum: Was nett aussieht, ist aber ziemlich bedrohlich.

Berliner haben’s nicht leicht

Berlin hat’s nicht leicht, oder genauer gesagt: Die Berliner haben’s nicht leicht. „Tote kommen nicht unter die Erde, Geburtsurkunden dauern Monate, jeder Behördengang ist eine Qual: Wer Sehnsucht nach einer linken Sammlungsbewegung hat, sollte sich den Alltag im rot-rot-grün regierten Berlin anschauen“, beginnt eine Kolumne von Jan Fleischhauer auf SPIEGEL ONLINE und ist überschrieben mit: Das Venezuela Deutschlands. Es dauerte nicht lange, da legte Die Welt nach und beschrieb die Missstände so: „Heraus kommt am Ende eine Hauptstadt, die nicht nur zu doof ist, einen Flughafen zu planen oder auch nur einen Radweg zu markieren. Es ist so, als würde Borat Berlin regieren. Hier ist Gentrifizierung, so spotten feine Hamburger, wenn der Nachbar anfängt, mit Messer und Gabel zu essen.“ Verantwortlich für das Elend ist, da sind sich so ziemlich all einig: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und seine Senatoren, über die in besagtem Welt-Artikel wie folgt geschrieben wird: „Der Regierende Bürgermeister wird selbst in seiner eigenen Partei ignoriert, bis auf Innensenator Andreas Geisel haben die meisten Genossen die Namen ihrer Senatoren vergessen. Die Chefin der Grünen, die erzvernünftige Ramona Pop, wird von ihrer linken Basis aggressiv übergangen. Und in der Linkspartei wird im Osten verdrängt, dass die DDR untergegangen ist und so was Ähnliches wie Marktwirtschaft existiert.“ Da kann es auch nicht verwundern, dass bei der jüngsten Umfrage der Regierende wieder auf einem der letzte Plätze landet, was die Zufriedenheitsrate betrifft. Was soll ich sagen? Da lasse ich doch gerne die 1932 geborene Sozialarbeiterin Anneliese Bödecker, die für ihren Einsatz in Berlin 1999 den Verdienstorden des Landes erhielt, zu Wort kommen: „Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch, Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen, wo man geht und steht – aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können!“ Offenbar war das schon immer so: “Berlin. Es lebt dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.” So jedenfalls Johann Wolfgang von Goethe, und das schon am 4. Dezember 1823. Na denn, wenn alles so bleiben soll, wie es ist, muss sich ‘ne Menge ändern.

Berlin – mit Licht und Schatten …

Nachdenken über Gott

Großeltern sind ja zuweilen schon eine merkwürdige Spezies, wie ich bereits in meinem ersten Post geschrieben habe. Aber Großväter sind da sicher noch eine Nummer schärfer, vor allem wenn sie als Strohwitwer alleine daheim sinnieren können. Da sitzt man bei einem Glas Wein auf der Terrasse und denkt über Gott und die Welt nach. Die Welt an sich ist ja schon ein interessantes Thema, das ich aber hier jetzt nicht weiter vertiefen will. Bleiben wir einfach mal bei Gott, an den ich, das bekenne ich hier einmal, glaube. Typisch Katholik werden jetzt viele sagen. Doch so einfach ist das nicht. Denn, das ist jedenfalls mein Credo, wenn es (wirklich) einen Gott (und für die Gender-Fanatiker eine Göttin) gibt, dann gibt es vermutlich nur EINEN (oder EINE). Egal wie der (oder die) dann heißt. Ohne eine der Religionen zu nahe treten zu wollen oder despektierlich zu sein, aber ob nun Gott, Gott Vater, Jesus Christus und der Heilige Geist, Allah, Historischer Buddha, Reinkarnation, Manitu oder wie auch immer es heißt, an was man glaubt, es ist etwas Mystisches, das man nicht wirklich erklären kann, sondern an das man eben glaubt. Insofern bin ich ziemlich beruhigt, was meine Kinder und Enkelkinder betrifft. Denn die sind, zumindest soweit ich das beurteilen kann, grundgute Menschen, so dass ihnen der Himmel – oder wie auch immer das in den anderen Religionen definiert wird – sicher ist. Auch Oma gehört zu dieser Kategorie Menschen, die prinzipiell niemanden etwas zu Leide tun können und eben dieses Schicksal ganz sicher verdient haben. Bleibt nur noch Opa, der sich aber auch nicht wirklich viel in seinem Leben vorzuwerfen hat. So gibt es in unserem familiären Fall also nur noch die entscheidende Frage: Gibt es IHN (SIE) oder gibt es IHN (SIE) nicht? Was soll ich sagen? Was meine Kinder, Enkelkinder und Oma betrifft, so bin ich absolut sicher, dass sie – irgendwann einmal, hoffentlich in ganz, ganz später Zukunft – in Frieden ruhen werden. Was mich betrifft, habe ich das, was man absolutes Gottvertrauen nennt. Vielleicht sehen wir uns ja mal in der Ewigkeit (wieder). Denn das ist die längste Zeit, die noch vor uns allen liegt … Und wenn es denn wirklich das ewige Leben gibt, dann … Ist Hoffnung nicht etwas Göttliches?!?

Dohoi isch dohoi

Das Allgäu, genauer gesagt das Oberallgäu, ist Opas Heimat. Geboren bin ich in Kempten, Fischen ist sozusagen mein zweites Zuhause. Dort verbindet meine Familie eine tief verwurzelte Freundschaft mit einer einheimischen Familie – und das aus Sicht unserer Enkel mittlerweile in der fünften Generation. Allein diese Tatsache wäre schon ein Wert an sich, und doch ist es viel, viel mehr. Denn das gibt es sicherlich nicht oft, dass selbst nach einem längeren Zeitraum, in dem man einander nicht gesehen hat, eine Vertrautheit vorhanden ist, die seinesgleichen sucht. Vermutlich ist es die Umgebung, sind es die Berge, die die Sinne füreinander frei machen – ganz im Sinne des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan: „Demut gebietend und erhebend zugleich, kaum etwas in der Natur flößt uns soviel Ehrfurcht ein wie der Anblick von Bergen.“ Und die haben Oma und ich in unserem einwöchigen Urlaub wahrlich genossen, getreu dem Motto des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss: „Der Sinn des Reisens ist es, an ein Ziel zu kommen,
der Sinn des Wanderns, unterwegs zu sein.“ Unterwegs waren wir oft und lange, was zusätzlich durch ein Wetter belohnt wurde, mit dem wir so nicht gerechnet hatten. Jedenfalls präsentierte sich der bayerische Himmel malerisch in seinen typischen Landesfarben weiß und blau. Besser ging’s nicht. Deshalb jetzt auch auf (Ober-)Allgäuerisch: Was soll i saga? Dohoi isch dohoi. Des war allat scho so. (Was soll ich sagen? Daheim ist es am schönsten. Das war schon immer so.)

Und jetzt ein paar Sehnsuchtsbilder:

  

Wahnsinn mit Methode

Berlin hat eine neue Touristenattraktion, genauer gesagt der Bezirk Steglitz-Zehlendorf. In der Leo-Baeck-Straße in Zehlendorf gibt es seit neuestem nämlich eine, ja wie soll man sagen, Straßenmalerei, die neugierig macht. Während auf der einen Straßenseite die Linien kerzengerade verlaufen, formen sie auf der anderen Seite ein gezacktes Muster, das eine versteckte Botschaft an Außerirdische sein muss. Dabei dürften die Zeichen vom Himmel, vom All aus gesehen eindeutig sein: Nichts wie wieder weg! Die ganze Welt ist ein Irrenhaus. Und die Zentrale sitzt in Berlin. Doch mal im Ernst: Das, was sich das bezirkliche Straßenbauamt da geleistet hat, geht auf keine Kuhhaut und schon gar nicht auf einen Radweg. Während die Radler im Zickzack fahren müssen, bleibt den Fußgängern nichts anderes übrig, als es diesen im Zickzack gleich zu tun. Platz dafür ist nicht viel da. Aber was soll’s. So etwas passiert halt mal, wenn der Senat ein Leitbild vorgibt, das da lautet: Die Stadt soll sich sozial, modern und nachhaltig entwickeln. Was soll ich sagen? Da fallen mir gleich zwei Zitate ein, wobei ich mit dem englischen Dichter und Dramatiker William Shakespeare beginnen will: “Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.” Und dann noch Franz Kern, deutscher Feintechniker und Uhrenhersteller: “Wahnsinn ist die vollkommene Form der Kreativität, mit der die anderen nichts anzufangen wissen.”

     Botschaften für Außerirdische? Die neuen Straßenmalereien in Steglitz-Zehlendorf stoßen jedenfalls schon mal auf ein reges Interesse von Filmschaffenden und Fotografen.     

Ganz sicher: Engel gibt es

Wer glaubt heute noch an Engel? Im Allgäu, in dem wir die letzte Woche verbracht haben (dazu in den nächsten Tagen mehr), wird es sicherlich etliche Menschen geben, die das tun. Hier in Berlin, wo doch die meisten Zeitgenossen Gott eher skeptisch gegenüberstehen, werden es vermutlich etwas weniger sein. Und für die ist die nachfolgende Geschichte deshalb besonders lohnenswert. Denn Engel gibt es, das können wir jetzt aus eigener Erfahrung sagen. Auf der Rückfahrt nämlich blieben wir mit unserem Wagen liegen. Wir hatten gerade erst unsere Warnwesten angelegt und wollten den Wagen mit Warndreieck sichern und den ADAC anrufen, da stand er schon neben uns, der Engel – ein gelber, versteht sich. „Sie schickt der Himmel“, entfuhr es mir unwillkürlich, was mit einem echten bayerischen Lächeln und der Feststellung „Immer für Sie da, wenn Sie uns brauchen“ quittiert wurde. Dass der gute Mann unsere Probleme zwar nicht vollständig lösen konnte – unser Wagen wartet noch irgendwo bei Trockau auf seinen Transport nach Berlin, wo er dann repariert werden soll -, dafür uns aber unsere Mobilität wieder hergestellt hat – über ihn kam der Kontakt zu einer nahe gelegenen Mietwagenfirma zustande -, sei nicht nur am Rande erwähnt, sondern lobend hervorgehoben – denn die Freundlichkeit und der Charme, womit dieser gelbe Engel zu Werke ging, sucht seinesgleiches. Das gilt übrigens auch für den – Corporate Design bedingten – grünen Engel von der Mietwagenfirma in Bayreuth, der uns dort irgendwo in der Einöde eingesammelt und zurück in die Zivilisation gebracht hat. Wie anders es sein kann, wurde am nächsten Morgen besonders deutlich, als ich notwendige Telefonate mit dem ADAC in München und der Mietwagenfirma in Hamburg führen musste. Am Ende hat alles geklappt. Aber die Herrschaften in den Callcentern haben zuweilen die Mentalität einer Kettensäge und den Charme eines Kaktus. Zuweilen jedenfalls kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Damen und Herren am Telefon vergessen haben, dass sie Dienstleister und damit für den Kunden da sind und nicht umgekehrt. In Erinnerung bleiben aber auf jeden Fall unsere Engel, die nur der Himmel geschickt haben kann. Was soll ich sagen? Wer nicht an Engel glaubt, ist selber schuld.

Ohne Flügel, aber auf 4 Rädern: Ein gelber Engel, den der Himmel geschickt haben muss.

 

Das DIY-Skelett lebt (wieder)

Unbezahlte Werbung

Irgendwie war ich da wohl etwas zu optimistisch. Als ich mehr oder weniger durch Zufall entdeckt hatte, dass der TASCHEN Verlag das legendäre DIY-Skelett (Do It Yourself) hat wieder aufleben lassen, war mein erster Gedanke: Das ist doch was für meine beiden Enkel. Doch die taten sich ein wenig schwer, als die verschiedenen Bögen vor ihnen lagen. So war es dann an mir, wenigstens schon einmal anzufangen. Den Schädel und die Wirbelsäule habe ich fertig und zusammengebaut, so dass jetzt bei uns sozusagen die Dame ohne Unterleib vom Regal hängt – wobei es natürlich auch ein Herr sein kann, dem ebenfalls Arme und Brustkorb fehlen. Was soll ich sagen? Es bleibt noch ein mühsamer Weg, bis alle Papierknochen zusammengesetzt sind. Dann aber bin ich mir sicher, dass das Interesse unserer Enkel an dem Skelett wieder sprunghaft ansteigen wird. Bis dahin kann ich sie ja vielleicht mit Skelett-Witzen hinhalten: Kommt ein Skelett zum Zahnarzt. Diagnostiziert der: “Sie haben ja tolle Zähne. Aber Ihr Zahnfleisch …”

 Das legendäre DIY-Skelett ist im Werden …