Opa und das Mittelalter

Bei uns in der Familie ist niemand auf den Mund gefallen. Ein gutes Beispiel dafür lieferte der jüngste Besuch unserer Ältesten, die mit Mann und Maus, sprich Sohnemann, an Pfingsten zum Essen bei uns war. Für den Hauptgang war dieses Mal Oma zuständig. Es gab Spargel satt, Schinken, Ei und wirklich leckere Kartoffeln. Als wir mit der Hauptspeise fertig waren, kam natürlich sofort die Frage unseres Enkels: “Was gibt es denn zum Nachtisch?” Als ich meine Nachtisch-Hamburger in Aussicht stellte, war er ganz aus dem Häuschen und wollte gleich in die Küche, um zu helfen. Als ich daraufhin sagte: “Warte noch, bis Oma abgeräumt hat”, schaute mich meine Tochter völlig ungläubig an und fragte: “In welcher Zeit lebst du denn? In unserer Welt räumen alle ab.” Oma ergänzte nur kurz und trocken: “Im Mittelalter”, was wiederum zu der Erläuterung meiner Tochter führte: “Als Opa noch klein war.” Was soll ich sagen? Da hatte ich mein Fett weg. Und was Passendes fiel mir auch nicht ein. Dabei räume ich sonst immer, na sagen wir meistens, mit ab.

Ein haariges Thema

Das Thema Friseur ist in unserer Familie ein ganz besonders haariges. Das fing schon in meiner Kindheit an. Da wurde ich ob meiner Gegenwehr einfach am Friseurstuhl festgebunden, was nach wie vor zur Folge hat, dass ich heute noch lieber zum Zahnarzt als zum Friseur gehe. Dass meine Mutter mir nachts im Schlaf einfach mal eine Ecke aus meiner Haarpracht herausgeschnitten hat, damit ich endlich zum Friseur gehe, sei nur am Rande erwähnt. Bei unseren Kindern haben wir solche Methoden natürlich nicht angewendet. Mussten wir auch nicht, da sich die beiden ohne Probleme die Haare schneiden ließen. Und dann wurde ja auch noch mit den Freunden Friseur gespielt, mit manchmal ziemlich unansehnlichen Folgen. Einmal hat sich unsere Jüngste ihren Pony vom Nachbarjungen bis auf die Kopfhaut wegrasieren lassen, dass es nicht mehr schön aussah. Aber was soll ich sagen? Gott sei Dank wachsen Haare ja ziemlich schnell nach. Allerdings konnte mich diese Erkenntnis überhaupt nicht trösten, als sich – natürlich wieder – unsere Jüngste ihr Haar kobaltblau gefärbt hat. Toll, oder?

Puffreis kontra Schmatzen

Jeder hat ja so seine Erziehungsmethoden. Allerdings: Die Prügelstrafe ist vollständig out. Und auch Zuckerbrot und Peitsche sind, soviel ich weiß, nicht mehr der Weisheit letzter Schluss. Waldorf- und wie-sie-alle-heißen-Schulen haben ebenfalls ihre Probleme. Individuelle Ausgestaltungen dagegen machen immer mehr von sich reden. Und man hört ja die tollsten Sachen. Als Oma und ich jüngst bei einem Geburtstag gratuliert haben, erzählte mir die Gastgeberin eine Variante, da blieb mir fast die Luft weg. Die Begleitumstände waren natürlich andere, aber zur Wahrung der Anonymität darf man schon mal ein wenig dichten. In Zeitungsberichten heißt das dann immer: Name ist der Redaktion bekannt. Aber nun zu der Erziehungsvariante: Da soll doch eine Mutter ihrem Sohn aufgetragen haben, Puffreis und Salzstangen zu kaufen, die er sich dann in größeren Mengen in den Mund stecken sollte, um sich sein Schmatzen abzugewöhnen. Was soll ich sagen? Ich stelle mir das gerade bildlich vor und lande in meinem Kopf bei Bildern von Louis de Funès, Mister Bean, Jim Carrey, Beppo Grillo oder Otto Waalkes. Irgendwie tut mir der Junge leid.

Da war Opa einmal sprachlos

Neulich habe ich etwas gesehen, da war ich wirklich sprachlos. Und das will bei Opa schon etwas heißen. Ich kam gerade aus dem Supermarkt, als ein Auto auf einer immerhin ziemlich befahrenen Hauptstraße wendete, und das nicht einmal besonders geschickt, sondern ausgesprochen umständlich. Das Ganze geschah so gegen 18.00 Uhr – also im ohnehin immer stressiger werdenden Berufsverkehr. Das an sich war ja schon ein starkes Stück. Aber was ich dann sah, setzte dem Ganzen die Krone auf. Auf seinem Schoß saß ein kleines Kind, sicher nicht älter als ein Jahr. Ich traute meinen Augen nicht, aber es war wahr. Ich war so konsterniert, dass ich mir nicht einmal das Kennzeichen gemerkt habe. Denn anzeigen hätte man den Mann eigentlich schon müssen. Wobei, geholfen hätte es vermutlich auch nichts. Denn, zumindest nach Ansicht des ADAC, sind das größte Risiko für Kinder im Auto die Eltern, weil sie den Nachwuchs falsch angurten – oder gar nicht. Was soll ich sagen? Ein einfaches Beispiel: Wenn man mit Tempo 50 einen Auffahrunfall hat, wird ein nicht angeschnalltes Kind mit dem bis zu 25-Fachen des eigenen Körpergewichts nach vorne geschleudert. Das entspricht einem Sturz aus dem vierten Stock. Und dann werden Kinder nicht richtig oder gar nicht angeschnallt? Unglaublich!

Lang lebe d(ies)er König

Die Niederlande haben einen neuen König. Selbst für eingefleischte Demokraten und überzeugte Republikaner hatte die Amtseinführung von Willem-Alexander etwas Bewegendes. Da ging im Hause Oranje würdevoll ein Generationswechsel vonstatten, der vielen Familien als Vorbild dienen könnte. Die in alle Welt übertragenen Fernsehbilder haben eine sichtbar erleichterte Oma, eine auf ihren Mann merklich stolze Ehefrau sowie einen auf das Wohl seiner Kinder bedachten Vater und an seine Mutter respektvoll denkenden Sohn gezeigt. Um es noch präziser zu sagen: Beatrix, die nach 33 Jahren Regentschaft die Bürde ihres Amtes abgelegt hatte, kümmerte sich liebevoll um ihre Enkeltöchter. Máxima, immerhin jetzt Königin im Oranje-Reich, strahlte den Stolz einer liebenden Ehefrau aus. Und Willem-Alexander, der nunmehr die Nummer 1 seines Landes ist, hatte schon vorher kundgetan, seine Kinder, insbesondere seine älteste Tochter Kronprinzessin Amalia, soweit überhaupt machbar, vor der neugierigen (Medien-)Öffent-lichkeit zu schützen und ihnen eine normale Jugend zu ermöglichen. Dass er zudem noch in diesem wohl wichtigsten Moment seines Lebens auch die Verdienste von Beatrix sowohl als Königin als auch als Mutter in seiner Antrittsrede anerkennend ansprach, war bemerkenswert und bescherte ihr noch einmal eine große Bühne. Auch bei uns in der Familie war dieses Ereignis Thema. “Warum geht die alte (Königin)”, wollte unser Ältester im Vorfeld wissen. Was soll ich sagen? Weil sie offenbar ein besseres Gespür für den richtigen Moment hat(te) als ihre Kollegin in London. So heißt es eben zunächst einmal nur bei unseren Nachbarn: Lang lebe d(ies)er König.

Jesus weinte

Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem nicht eine Meldung oder ein Bericht über Kindesmisshandlungen, sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung die Öffentlichkeit schockiert. Der Aufschrei ist zwar laut, aber in den allermeisten Fällen ebenso schnell wieder verhallt, wie er gekommen ist. Wenn man sich die statistischen Zahlen ansieht, kann einem schlecht werden: Jährlich rund 300.000 Fälle von sexuellem Missbrauch, 1,42 Millionen misshandelte Kinder, Vernachlässigungen noch nicht einmal mitgezählt. Angesichts dessen fragt man sich, warum es nur in Berlin ein spezielles Kommissariat (Landeskriminalamt 125) für derartige Fälle gibt. Der Runde Tisch “Sexueller Missbrauch”, den die Bundesregierung eingerichtet hat, ist – und da braucht man nicht einmal besonders kritisch zu sein – das Papier nicht wert, auf dem die jeweiligen Sitzungen protokolliert wurden. Bleiben noch private Initiativen wie “Kinderschreie“, “gegen-Missbrauch” oder “Finger weg von unseren Kindern“, um nur einige wenige zu nennen. Aber all das wirkt vor dem Hintergrund der kaum zu glaubenden Lebenswirklichkeit wie der besagte Tropfen auf dem heißen Stein. Was soll ich sagen? Da fällt mir nur der kürzeste Satz aus Bibel ein: “Jesu weinte.” (Johannes 11,35)

 Finger weg  Grafik: Finger weg von unseren Kindern

“Opa, pup mal!”

Unser jüngster Enkel ist mittlerweile soweit, dass man sich mit ihm schon richtig gut unterhalten kann. Das gilt sowohl für Deutsch als auch für die Sprache, die Oma immer mit ihm spricht (Siehe “Nein, so spricht nur Oma”.) Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings noch. Der kleine Mann mit seinen gut zwei Jahren hat zuweilen gewisse Probleme mit den Buchstaben “k” und “ck”. Wenn man das weiß, ist das nicht weiter schlimm. Dann versteht man ihn trotzdem. Die erste Zeit jedoch schauten sich Oma und Opa manchmal Schulter zuckend an und verstanden nur Bahnhof. Oder schämten sich auch in Grund und Boden, wenn die Konversation in aller Öffentlichkeit und so laut geführt wurde, dass sie jeder verstehen konnte. Wie würden Sie sich wohl fühlen, wenn Ihr Enkel Sie vor lauter Begeisterung laut und deutlich auffordern würde: “Opa, pup’ mal!” Was soll ich sagen? Bei “Pa-pe, Pa-pe – …” hat er natürlich keine Probleme.

Ka-cke, Ka-cke – Schei-ße

Unsere Enkelkinder sind bereits recht gut erzogen. Zumindest wissen sie vom Grundsatz her schon, was sich gehört und was nicht. Das heißt allerdings nicht, dass man vor Peinlichkeiten der besonderen Art gänzlich verschont bliebe. Doch davon wird ein anderes Mal noch die Rede sein. Hier soll es jetzt um den immer wiederkehrenden Versuch unserer beiden Enkel gehen, ihre Grenzen auszutesten. Das funktioniert natürlich immer dann besonders gut, wenn die “Nicht”-Wörter ausgepackt werden. Unser jüngster Enkel macht sich regelmäßig einen riesigen Spaß daraus, singend durch die Gegend zu hüpfen, was sich in etwa so anhört:”Ka-cke, Ka-cke.” Wenn dann Mama, Papa, Oma oder Opa sagen: “Nicht!”, fokussiert der kleine Mann seine blitzenden Augen, lächelt verschmitzt und strahlt übers ganze Gesicht. Dann öffnet sich der kleine Mund und es kommt das, was man am wenigsten hören möchte: “Schei-ße.” Was soll ich sagen? Besser lässt sich die Tagesform der Erziehungsberechtigten wirklich nicht testen.

 

“Ich hab’ Bauchaua”

Unsere Enkelkinder sind, wie sollte es anders sein, des Öfteren auch zum Essen bei uns – alleine und ohne Eltern. Das funktioniert eigentlich immer recht gut, zumal unsere Enkel so ziemlich alles mögen. Der Kleine hat dabei seine ganz eigenen Strategien, wenn einmal etwas auf den Tisch kommt, was ihm nicht so mundet. Die Frage “Schmeckt’s?” beantwortete er bis vor geraumer Zeit noch mit einem überzeugenden “Ja”, die Zusatzfrage “Noch etwas?” mit einem ebenso klaren “Nein”. Irgendwie muss ihm aufgefallen sein, dass hiernach der jeweilige Küchenverantwortliche nicht unbedingt den glücklichsten Eindruck gemacht hat. Seit Neuestem umschifft er diese Klippe ganz gekonnt, indem er sich an den Bauch fasst und mit leidender Miene erklärt: “Ich hab’ Bauchaua.” Da das offensichtlich immer ganz gut funktioniert hat, behilft er sich mit dieser Aussage nunmehr auch dann, wenn ihm irgendetwas grundsätzlich nicht gefällt. Was soll ich sagen? Ganz schön ausgebufft, der Kleine, und wesentlich diplomatischer als Opa dazu.

Erziehungs-Déjà-vu

Sisyphos hatte es vergleichsweise einfach. Wenn ich mir meine beiden Kinder anschaue und sehe, wie sie versuchen, ihre Kleinen zu erziehen, dann tun sie mir manchmal schon leid. Vor allem beim Essen erscheinen die Erziehungsversuche zuweilen wie “The NeverEnding Story”. Da wechseln sich in konstanter Regelmäßigkeit Ermahnungen der Art  “Hand auf den Tisch”, “Gerade sitzen”, “Serviette auf den Schoß”, “Mit geschlossenem Mund essen”, “Nicht schlürfen” oder “Nicht das Messer ablecken” ab und wiederholen sich in immer neuen Reihenfolgen. Aber irgendwie habe ich dabei immer das Gefühl, ein Déjà-vu zu haben. Wenn ich dann das Lächeln von Oma sehe, weiß ich wieder, an was sich mein Unterbewusstsein erinnert. Als unsere beiden Töchter klein waren, war es auch nicht anders. Was soll ich sagen? Heute können die Beiden formvollendet essen.