Paradies oder Hölle

Der Tagesspiegel in Berlin ist – getreu seinem Leitspruch „Rerum cognoscere causas“ – den Dingen mal wieder auf den Grund gegangen. In der heutigen Ausgabe (7. März 2022) geht es dabei um ein „Leben auf der Sonnenseite“, das sich laut dem Blatt viele Bundesbürger für ihren Ruhestand im Paradies wünschen. Da trifft es sich ja gut, dass man in einigen Ländern, so der Autor, „mit der deutschen Rente … größere Sprünge“ als zu Hause machen kann. Ein „Geheimtipp am Rande Europas“ dafür ist, man höre und staune, Georgien, das nach Ansicht nicht weniger Sicherheitsexperten durchaus auch als Appetithappen auf der Speisekarte des machthungrigen Wladimir Wladimirowitsch Putin steht. Während für den Tagesspiegel die Kaukasusrepublik „mit ihrer Küche, wahlweise subtropischem Schwarzmeerklima oder Bergluft, sehr günstigen Mieten, Steuerfreiheit für Einkünfte wie Renten aus dem Ausland und einfach zu erhaltendem Visum“ lockt, haben die Bilder aus der Ukraine bei den georgischen Rentnerinnen und Rentnern Angst und Schrecken ausgelöst. Was soll ich sagen? Autor und vor allem die Redaktion haben wirklich das Feingefühl einer Kettensäge bewiesen, indem sie ein Rentnerparadies anpreisen, das keine 650 Kilometer vom gerade tobenden russischen Angriffskrieg – Entschuldigung Herr Putin: von der akuten militärischen Sonderaktion – entfernt ist. Da kann das Paradies schneller zur Hölle werden, als allen lieb ist.

PS: Der Artikel ist übrigens am 17. Januar 2022 bereits online erschienen. Damals mag der Geheimtipp vielleicht ja noch Sinn gemacht haben. Wenn ich ihn dann aber am 12. Tag des Krieges in der Printausgabe veröffentliche, dann sollte man den Text vor dem Druck noch einmal lesen und prüfen, ob er noch in die Zeit passt. Qualitätsjournalismus stelle ich mir irgendwie anders vor.

In einer anderen Welt

Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht. Mit diesen Worten hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ihre Erklärung zum Angriff Russlands auf die Ukraine begonnen. Und in der Tat bedeutet der 24. Februar 2022 eine Zeitenwende in der Geschichte Europas, das gerade die größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt. Dabei hätte man es wissen können – und müssen. Die frühere Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer brachte das historische Versagen des Westens auf Twitter auf den Punkt:  „Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet (…), was Putin wirklich abgeschreckt hätte.“ Schlimmer noch: Die Untätigkeit und die Halbherzigkeit Amerikas und Europas dürften den Despoten in Moskau eher noch animiert haben, seine Idee einer neuen Weltordnung mit Brachialgewalt voranzutreiben. Dass Putins Machthunger nach der wohl nicht mehr zu verhindernden Einverleibung der Ukraine gestillt sein könnte, ist eher unwahrscheinlich und unter der Rubrik Wunschdenken abzulegen. In diesem Zusammenhang sind es sicher nicht nur die baltischen Staaten, mit denen der Kreml-Chef liebäugelt, auch die südosteuropäischen Länder Rumänien und Bulgarien dürften für ihn von Interesse sein. Und dann ist da noch die russische Exklave Kaliningrad, zu der das Mutterland Russland vermutlich gerne einen direkten Zugang hätte, wodurch auch Polen involviert sein könnte. Was soll ich sagen? Wenn ich an meine Kinder und Enkelkinder denke, dann bin ich nicht nur traurig, sondern wütend. Auch wenn viele Vergleiche hinken, vielleicht auch dieser: Aber das Geschehen erinnert doch erschreckend an den 1. September 1939, als Deutschland Polen überfallen hat und damit die untauglichen Versuche der Alliierten, Hitler zu besänftigen, gescheitert sind. Auch damals waren es die Angegriffenen, die von der Propaganda der Nazis als die Schuldigen dargestellt wurden. So wiederholt sich dann doch die Geschichte und es sieht leider nicht danach aus, dass sich am weiteren Lauf der Dinge etwas entscheidend ändern würde. Ja, die Welt ist nicht mehr die, in der wir gestern eingeschlafen sind.

Meinungsfreiheit

Zum Fall Martenstein haben sich eigentlich schon genug und vermutlich auch berufenere Journalisten-Kollegen geäußert und ihr Unverständnis über das Vorgehen des Tagesspiegels und seiner Chefredaktion zum Ausdruck gebracht. Eigentlich. Aber das, was da passiert ist, ist Ausdruck einer Entwicklung, die noch einmal böse enden kann. Und deshalb werde auch ich noch meinen Senf zu der Causa hinzugeben, ganz egal, ob der allen schmeckt oder nicht. Worum geht bzw. ging es. Harald Martenstein hat am 6. Februar in seiner Kolumne im Tagesspiegel Folgendes geschrieben: „Wer den Hitlervergleich bemüht, der natürlich nie stimmt, möchte sein Gegenüber als das absolut Böse darstellen, als Nichtmenschen. Der Vergleich will Hitler gerade nicht verharmlosen, er macht ihn zu einer Art Atombombe, die einen politischen Gegner moralisch vernichten soll. Der Judenstern dagegen soll seine modernen Träger zum absolut Guten machen, zum totalen Opfer. Er ist immer eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung, er ist für die Überlebenden schwer auszuhalten. Aber eines ist er sicher nicht: antisemitisch. Die Träger identifizieren sich ja mit den verfolgten Juden. Jetzt werden auf Corona-Demos häufig Judensterne mit der Aufschrift ‚ungeimpft’ getragen. Von denen, die das ‚antisemitisch‘ nennen, würden wahrscheinlich viele, ohne mit der Wimper zu zucken, Trump mit Hitler und die AfD mit den Nazis vergleichen. Der Widerspruch in ihrem Verhalten fällt ihnen nicht auf.“ Das wurde, glaubt man dem Tagesspiegel, „sowohl innerhalb der Redaktion als auch von Leserinnen und Lesern stark kritisiert.“ Das wiederum hat den Tagesspiegel nach eigener Aussage nach vielen Gesprächen zu dem Schluss kommen lassen, „dass wir diese Kolumne so nicht hätten veröffentlichen sollen; wir haben diesen einen Beitrag deshalb online zurückgezogen.“ Dass Martenstein daraufhin entschieden hat, nicht mehr für den Tagesspiegel zu schreiben, ist nicht nur verständlich, sondern war auch konsequent und folgerichtig. Was den ganzen Vorgang so brisant macht, ist noch nicht einmal, dass ein Blatt, das sich für das Leitmedium der Hauptstadt hält, offensichtlich nicht in der Lage ist, tagesaktuell zu entscheiden, was journalistisch vertretbar ist und veröffentlicht werden kann. Auch, dass ein verdienter Journalist nach 34 Jahren Zusammenarbeit und unzähligen Texten wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird, – wenn auch schweren Herzens – geschenkt. Was aber eben gar nicht geht, ist, dass ein gestandener Autor mundtot gemacht wird, weil er nicht im moralisierenden Mainstream mitschwimmt. Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sind die Grundpfeiler unserer Demokratie mit garantierter Pressefreiheit. Wer an diesem Fundament sägt, spielt mit der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Was soll ich sagen? Demokratie ist die Voraussetzung für unseren Rechtsstaat. Vor diesem Hintergrund klingt es schon mehr als sonderbar, wenn der Tagesspiegel als Begründung für seine Löschung schreibt: „Wir verteidigen die Meinungsfreiheit, sind uns aber deren Grenzen bewusst. Dabei gilt: Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspiegels angemessen.“ Beliebiger geht es nicht. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Um es mit den Worten des von mir gerne gelesenen römischen Dichters Ovid zu formulieren: Wehret den Anfängen. Noch ist es nicht zu spät.

Nur gemeinsam

All meinen Lesern wünsche ich ein frohes, erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr. Wobei wir schon beim Thema wären: Gesundheit. Das Corona-Virus hat uns nun schon seit zwei Jahren mehr oder weniger fest im Griff. Und jedes Mal, wenn uns Politiker oder Wissenschaftler gerade wieder einmal Hoffnungen gemacht haben, folgt die Hiobsbotschaft auf dem Fuße. So auch jetzt zum neuen Jahr: „Omikron könnte eine Art Game-Changer werden“, hieß es aus der SPD. Die Nachricht war noch nicht ganz verhallt, da taucht wie aus dem Nichts eine neue Mutante – was für ein Wort – in Frankreich auf, die insgesamt 46 Veränderungen an dem Teil des Virus aufweist, mit dem es an die menschlichen Zellen andockt und sie infiziert – und damit neun mehr als bei der sich derzeit bereits massiv ausbreitenden Omikron-Version des Virus. Na denn. Damit mich keiner falsch versteht. Ich will an dieser Stelle niemandem einen Vorwurf machen. Alle, die mit der Bekämpfung dieser Pandemie beschäftigt sind, tun ganz gewiss ihr Bestes. Aber es hat auch niemand die Wahrheit gepachtet. Insofern sollten alle etwas versöhnlicher miteinander umgehen, damit wir hinterher einander nicht so viel verzeihen müssen, um es in Anlehnung an die legendären Worte des inzwischen aus dem Amt geschiedenen Gesundheitsministers Jens Spahn zu formulieren. Was soll ich sagen? Diese Pandemie verursacht nicht nur eine Krankheit mit auch tödlichem Verlauf, sondern sie ist auch toxisch, will heißen: Die öffentliche Diskussion schwankt permanent zwischen Glück und Katastrophe. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Manche Friktionen gehen bereits tief in die Gesellschaft und spalten mittlerweile schon Familien. Dabei ist eines glasklar: Zu bewältigen ist diese Pandemie nur gemeinsam – und das gilt weltweit!

Von Eisbären zu Himbeeren

Franz-Josef Strauß, das CSU-Urgestein – Gott hab es selig, war immer für einen zitablen Spruch gut, zumal der in vielen Fällen den Nagel auf den Kopf traf. Einer dieser Sprüche ist mir heute wieder einmal untergekommen. „Selbst wenn man eine rosarote Brille aufsetzt, werden Eisbären nicht zu Himbeeren“, wusste der Großmeister der Rhetorik und hatte damit ganz sicherlich recht. Ebenso richtig lag er auch mit seiner gerade im Deutschen Bundestag wieder zitierten Mahnung, „dass es rechts von der CDU/CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf.“ Doch die Zeiten sind leider längst vorbei. Denn mit der AfD sitzt eine solche Partei im Parlament, die in weiten Teilen alles andere als demokratisch gesinnt erscheint. Und für CDU/CSU und FDP zusammen langt es schon lange nicht mehr, wie Strauß bereits 1987 befürchtete. Nicht richtig lag der politische Fuchs allerdings mit seiner Einschätzung hinsichtlich der Grünen, woran ich mich lebhaft erinnere. Denn beim Neujahrsempfang 1985 im Antiquarium in München vertrat er noch vehement die Auffassung, dass die Umweltpartei nur eine vorübergehende Zeiterscheinung sein würde. Als ich dem ebenso vehement widersprach, raunzte er mich schließlich genervt an: „Nun hör’n S’ doch auf mit Ihren Grünen!“ Was soll ich sagen? Irren ist menschlich, auch bei Politikern.

Dysfunktional, verantwortungslos

In Berlin ist man oft geneigt zu denken: Eigentlich kann es nicht schlimmer werden. Und dann überrascht einen diese Stadt immer wieder: Doch es kann. Aber der Reihe nach. Der Wahlsonntag an der Spree, also dieser unsägliche 26. September, ist bundesweit ja bereits als das Wahlchaos schlechthin in die Analen eingegangen, so dass man zu dem am Anfang beschriebenen Reflex hätte neigen können. Doch die Nachbearbeitung der Wahl und die Feststellung des Wahlergebnisses in Steglitz-Zehlendorf haben einen eines Besseren belehrt und einmal mehr bewiesen, dass in Berlin die organisierte Verantwortungslosigkeit regiert. Diese unglaubliche Geschichte nahm ihren Lauf, als am Dienstagvormittag (19. Oktober 2021) meine Corona Warn-App Alarm schlug und mir mitteilte, dass ich am 11. Oktober eine Begegnung mit einem erhöhten Risiko gehabt habe. Nach einem Blick in den Kalender wurde schnell klar, dass es sich dabei nur um die Sitzung des Bezirkswahlausschusses handeln konnte, an dem die Ergebnisse der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung festgestellt worden waren und an der ich teilgenommen hatte. Was wäre also naheliegender gewesen, als den Bezirkswahlleiter anzurufen und ihn davon in Kenntnis zu setzen. Gesagt, getan. Allerdings überraschte dieser mich mit der Aussage, dass dies schon sein könne, da jemand, den er mir gegenüber mit Namen und Funktion benannte, ihn am Morgen darüber informiert habe, dass er trotz zweifacher Impfung positiv auf Corona getestet worden sei. Mal abgesehen davon, wie dies datenschutzrechtlich zu bewerten ist, hätte man jetzt doch davon ausgehen können, dass der Bezirkswahlleiter ab dieser Nachricht alle Hebel in Bewegung setzen würde, die Teilnehmer der Bezirkswahlausschusssitzung zu informieren. Immerhin hatten da knapp 30 Menschen, die allermeisten ehrenamtlich, über drei Stunden in einem geschlossenen Raum miteinander verbracht und sich zuweilen auch dicht beieinander stehend ausgetauscht. Doch weit gefehlt. Als ich am Donnerstag im Bezirksamt einmal nachfragte – weil ich bis dato nichts mehr gehört hatte -, wie denn der Stand der Benachrichtigung sei, gestand mir eine Mitarbeiterin des Wahlamtes, dass sie erst durch mich und meine Nachfrage davon erfahren habe, dass es einen Corona-Fall gebe. Nun gut, dachte ich, vielleicht ist der Vorgang ja an das Gesundheitsamt abgegeben worden, und rief dort an. Aber auch in diesem Amt wusste niemand von nichts. Neuerliche Anrufe beim Wahl- und beim Gesundheitsamt brachten ebenfalls keine neuen Erkenntnisse, was immer mehr an meinen Geduldsfaden zerrte, zumal mir ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde auf meine Frage, wer bei einer Infektion denn in der Pflicht sei, Kontaktpersonen nachzuverfolgen und zu informieren, erzählen wollte, dies sei erst einmal der Infizierte. Auch ein zwischenzeitlicher Hinweis von einer Wahlamtsmitarbeiterin auf den nahenden Feierabend besserte meine Laune nicht gerade, nachdem mittlerweile mindestens drei Tage verstrichen waren, in denen von Seiten des Bezirksamtes aber auch gar nichts unternommen worden war, um die Teilnehmer der Wahlausschutzsitzung zu warnen. Daraus, was ich von der ganzen Sache hielt, machte ich keinen Hehl. Obwohl ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatte, gelang es mir doch noch, den Bezirkswahlleiter noch einmal an die Strippe zu bekommen. So groß die Freude zunächst war, so groß war dann aber auch die Ernüchterung, nachdem mir dieser bei der Frage nach der Verantwortlichkeit erklärte, das Wahlamt habe die Sitzung organisiert und jeder sei dafür verantwortlich, was er getan – oder eben nicht getan – habe. Konkret ging es darum, dass bei der Sitzung nicht alle Teilnehmer registriert worden waren und insofern nur die im Protokoll festgehaltenen Personen identifiziert werden können. Von einer Kontrolle, wer genesen, geimpft oder getestet war, mal ganz zu schweigen. Die Infektionsschutzverordnung jedenfalls lässt grüßen. Was soll ich sagen? Auch wenn es stimmen sollte, dass der Bezirkswahlleiter bei meinem letzten Anruf gerade dabei war, eine Anweisung in die Tasten zu tippen, nach der – zumindest die bekannten – Teilnehmer der Sitzung informiert werden sollen, zeigt dieser ganze Vorfall einmal mehr, wie dysfunktional diese Stadt tatsächlich ist. Wir reden ja hier nicht von einem lästigen Fußpilz, sondern von einer Krankheit, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Und da kommt eine Verwaltung derart bräsig daher, dass einem nichts mehr einfällt. Nicht nur meines Erachtens geht das schon über grobe Fahrlässigkeit hinaus, mit der da mit der Gesundheit von Mitmenschen umgegangen wird. Am Montag (25. Oktober) ist übrigens der Ermittlungszeitraum, den die Corona Warn-App berücksichtigt, vorbei und meine App wird wieder auf Grün umspringen. Man darf jedoch gespannt sein, ob bis dahin jemand informiert wurde – und das unabhängig davon, wen welche rechtliche Verpflichtung in diesem Fall überhaupt treffen würde. Aber das Bezirksamt, das ja für die Bürger da ist bzw. da sein sollte, hat hier zumindest eine moralische Verpflichtung – auch und nicht zuletzt gegenüber den Mitarbeitern.

Völlig inakzeptabel!

Guten Freunden gibt man ein Küsschen! So jedenfalls heißt es in der Werbung für eine knackig geröstete Haselnuss umhüllt von feiner Schokolade. In der großen Weltpolitik scheint dies aber nicht zu gelten. Da müssen sich gute Freunde eher mit einen Tritt in den Allerwertesten begnügen. Denn viel anders kann das nicht bewertet werden, was sich die Bundesregierung – neben den eigenen Leuten – mit den afghanischen Hilfskräften geleistet hat, die jetzt vollkommen schutzlos den wütenden Taliban in Kabul und anderswo ausgeliefert sind. Seit Wochen, so berichten es Medien unter Berufung auf das ARD-Hauptstadtstudio, soll die deutsche Botschaft in Kabul vergeblich auf Gefahren für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingewiesen haben. Beim Deutschlandradio hieß es wörtlich: „Das ARD-Hauptstadtstudio zitiert aus einem Schreiben des stellvertretenden Botschafters van Thiel vom vergangenen Freitag. Darin heißt es – Zitat – dass den dringenden Appellen der Botschaft erst in dieser Woche Abhilfe geschaffen worden sei. Wenn etwas schiefgehen sollte, so wäre dies vermeidbar gewesen.“ Und dann stellt sich Bundesaußenminister Heiko Maas, der ansonsten so ziemlich alles als inakzeptabel und nicht hinnehmbar bezeichnet, vor die Presse und erklärt: „Wir alle haben die Lage falsch eingeschätzt.“ Na dann, reibt man sich verwundert die Augen und wartet weiter auf Konsequenzen. Während in London ein Minister zurücktritt, weil er sich beim Knutschen mit seinem Liebchen hat erwischen lassen, können in Berlin Minister folgenlos nichts tun, obwohl sie damit für den Tod von Hunderten von Menschen verantwortlich sind, die in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren an unserer Seite gestanden haben. Dabei richtet sich dieser Vorwurf nicht nur gegen den Bundesaußenminister. Auch die Bundesverteidigungsministerin, der Bundesinnenminister und – last but not least – die Bundeskanzlerin haben sich allesamt nicht mit Ruhm bekleckert, sondern auf der ganzen Linie versagt. Wenn sie nicht jetzt ihre Ämter zur Verfügung stellen, wann denn dann? Was soll ich sagen? Mit politischer Kultur hat das alles nichts mehr zu tun. Meinen Enkeln kann ich das schon gar nicht erklären. Um es mit den Worten des Bundesaußenministers auf den Punkt zu bringen: „Völlig inakzeptabel!“

In den Schulen tut sich … nichts

Unsere Enkel genießen gerade noch ihre Schulferien. Dabei ist es gut, dass sie nicht mitbekommen, was sich hinter den Kulissen ihrer Bildungseinrichtungen hier in Berlin tut: Nämlich gar nichts. Während sich gerade die vierte Welle mit der Delta-Variante aufzubauen scheint, ist eine andere längst über Berlins Schulen hinweg geschwappt: Nämlich eine Kündigungswelle von 700 ausgebildeten Lehrkräften, die im neuen Schuljahr fehlen werden. Aber Mangel ist ohnehin das Charakteristikum der Berliner Bildungslandschaft. Es fehlen Lehrer, es fehlen Lüfter, es fehlen Langzeitstrategien, wie unter Pandemiebedingungen der Unterricht aufrecht erhalten werden kann. Alles Fehlanzeige, auch die Bildungsverwaltung macht Ferien und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Derweil schwadroniert mit Karl Lauterbach ein anderer Mann bereits schon wieder vom Wechselunterricht, der viele Eltern in der Vergangenheit mehrfach an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht und sich für nicht wenige Kinder als Totalausfall entpuppt hat. Aber kaum ein Politiker scheint die Appelle von Kinderärzten und Pädagogen zu hören, dass die Collateralschäden der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen mittlerweile gravierender sind als die Gesundheitsschäden von Corona. Was soll ich sagen? Es ist schier zum Verzweifeln. Bis auf die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die bereits im Dezember 2020 mit ihrem Antrag Lehren und Lernen aus und nach der Coronakrise mehr oder weniger eine Blaupause geliefert hat, scheint das Thema Schule ansonsten niemanden wirklich zu interessieren – und das bundesweit. Erste Eltern gehen bereits auf die Barrikaden und haben mit ohfamoos eine Petition eingebracht, die ich natürlich bereits unterschrieben habe. Helfen auch Sie mit, dass unsere Kinder und Enkel nicht erneut Opfer einer völlig verfehlten Bildungspolitik in Coronazeiten werden und unterschreiben Sie. Wir sollten nichts unversucht lassen.

Erster Schluck ist der leckerste

Das hat gezischt! Am Wochenende haben sich Oma und ich nach vielen, vielen Monaten der pandemiebedingten Enthaltsamkeit das erste frisch gezapfte Bier auf der Terrasse unseres Haus- und Hofrestaurants gegönnt. Dabei haben wir wieder einmal festgestellt: Der erste Schluck ist der leckerste. Dennoch, es ist natürlich nicht bei einem Bier geblieben. Auf einem Bein kann man ja bekanntlich nicht so gut stehen. Und da wir nicht mit dem Auto unterwegs waren, haben wir uns trotz der nachmittäglichen Uhrzeit gedacht: Was soll’s! Und während wir so da saßen und die wiedergewonnene Freiheit genossen haben, ist uns auch noch ein mehr oder weniger hoch aktuelles politisches Problem untergekommen. Auf dem Bierdeckel, auf dem unsere Biere standen, mahnt die Brauerei: SAVE THE PLANET! Da Oma und ich als liberale Freigeister schon umweltbewusst waren, als es die Grünen noch gar nicht gab, und heute sicherlich umweltbewusster handeln, als viele Grüne bzw. Grünen-Wähler dies tun, rennt der Bierhersteller bei uns offene Türen ein. Die Begründung allerdings war für uns dann doch ein wenig überraschend: ITS THE ONLY ONE WITH BEER. Was soll ich sagen? Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich über diesen Aspekt bislang noch nicht nachgedacht. Aber als Bayer ist mir ja sozusagen in die Wiege gelegt worden: I hob no nia ned koa Bia ned drunga! Aber um den Umweltgedanken nicht ganz aus dem Blickfeld zu verlieren, sei an dieser Stelle der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zitiert: “Man könnte froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.” So isses!

Ein klassisches Eigentor

Die UEFA hat es wieder einmal geschafft und ein klassisches Eigentor geschossen – das Oma übrigens mit Ihrer spontanen Zeichnung herrlich karikiert hat. Der europäische Fußballverband hat beim Thema Regenbogen solange herumgeeiert, dass er jetzt zwischen allen Stühlen sitzt. Die Teile Europas und der Welt, für die Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt eine Selbstverständlichkeit sind, finden die Entscheidung, dass die Münchner Fußballarena heute Abend beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn nicht in den Regenbogenfarben erstrahlen darf, sicherlich nicht gut. Und dort, wo die Menschenrechte eher nicht den Stellenwert haben wie bei uns, wird man auch nicht besonders glücklich sein mit dem, was da jetzt losgetreten wurde. Vor allem der arabische Staat Katar wird sich so seine Gedanken machen (müssen), was das alles für die Fußball-Weltmeisterschaft bedeutet, die im nächsten Jahr am Persischen Golf stattfindet. Denn eines ist klar: Ab jetzt wird der Regenbogen nicht nur den Arm von Manuel Neuer schmücken, sondern auch aller Orten nicht mehr zu übersehen sein. Und das ist auch gut so, um es mit den Worten des ehemaligen schwulen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, zu sagen. Auch dass Länder wie Ungarn, Polen oder Katar, um nur drei zu nennen, unter Rechtfertigungsdruck geraten, muss nicht von Schaden sein. Eines allerdings sollte man immer im Hinterkopf behalten. Grundsätzlich ist es nicht gut, Sport und Politik miteinander zu vermischen. Nun bin ich nicht so naiv und weiß natürlich, dass Sport auch und immer wieder eine politische Komponente hat. Aber niemand, auch wenn er ein noch so hehres Ziel verfolgt, sollte den Sport instrumentalisieren. Wohin das führen kann, hat nicht zuletzt Deutschland auf das Schmerzhafteste erfahren müssen. Was soll ich sagen? Vielleicht wäre ja alles anders gekommen, wenn München bei seinem Antrag nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen und einen direkten Bezug zur Tagespolitik hergestellt hätte. Aber hätte, hätte, Fahrradkette. Jetzt ist es so und alle müssen damit leben. Bei nächster Gelegenheit sollten die Akteuere vielleicht ein bisschen länger nachdenken.