Passt zu Berlin

So, meine Corona Warn-App zeigt wieder grün, nachdem Sie Dienstag vergangener Woche ja auf Rot gesprungen war. Und gesund bin ich Gott sei Dank auch geblieben. Das hätte aber, wie man täglich lesen muss, auch anders ausgehen können, nachdem – wie berichtet – ein Teilnehmer der Bezirkswahlausschusssitzung, an der ich teilgenommen habe, später positiv auf Corona getestet worden war. So weit, so gut. Was allerdings überhaupt nicht in Ordnung ist, dass bis heute immer noch nicht alle Teilnehmer der Sitzung über diesen Umstand informiert worden sind. Mehr noch: Ich halte das für einen handfesten Skandal. Was soll ich sagen? Man stelle sich einmal vor, dass sich das Ganze nicht im Bezirksamt, sondern in einem Lokal, einem Club oder einem Fitness-Studio abgespielt hätte. Das Bezirksamt hätte dem jeweiligen Betreiber das Leben zur Hölle gemacht und vermutlich mit einer saftigen Geldbuße belegt, die bekanntlich bis zu 25.000 Euro betragen kann. Denn ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verstößt. Und mindestens fahrlässig muss man das Verhalten der Behörde bewerten, die gerade in einer Pandemie eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Aber offensichtlich hat sich die Amt anders entschied und will lieber als schlechtes Beispiel dienen: Ist auch eine Art, sich nützlich zu machen, und passt auch noch viel besser zu Berlin.

Dysfunktional, verantwortungslos

In Berlin ist man oft geneigt zu denken: Eigentlich kann es nicht schlimmer werden. Und dann überrascht einen diese Stadt immer wieder: Doch es kann. Aber der Reihe nach. Der Wahlsonntag an der Spree, also dieser unsägliche 26. September, ist bundesweit ja bereits als das Wahlchaos schlechthin in die Analen eingegangen, so dass man zu dem am Anfang beschriebenen Reflex hätte neigen können. Doch die Nachbearbeitung der Wahl und die Feststellung des Wahlergebnisses in Steglitz-Zehlendorf haben einen eines Besseren belehrt und einmal mehr bewiesen, dass in Berlin die organisierte Verantwortungslosigkeit regiert. Diese unglaubliche Geschichte nahm ihren Lauf, als am Dienstagvormittag (19. Oktober 2021) meine Corona Warn-App Alarm schlug und mir mitteilte, dass ich am 11. Oktober eine Begegnung mit einem erhöhten Risiko gehabt habe. Nach einem Blick in den Kalender wurde schnell klar, dass es sich dabei nur um die Sitzung des Bezirkswahlausschusses handeln konnte, an dem die Ergebnisse der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung festgestellt worden waren und an der ich teilgenommen hatte. Was wäre also naheliegender gewesen, als den Bezirkswahlleiter anzurufen und ihn davon in Kenntnis zu setzen. Gesagt, getan. Allerdings überraschte dieser mich mit der Aussage, dass dies schon sein könne, da jemand, den er mir gegenüber mit Namen und Funktion benannte, ihn am Morgen darüber informiert habe, dass er trotz zweifacher Impfung positiv auf Corona getestet worden sei. Mal abgesehen davon, wie dies datenschutzrechtlich zu bewerten ist, hätte man jetzt doch davon ausgehen können, dass der Bezirkswahlleiter ab dieser Nachricht alle Hebel in Bewegung setzen würde, die Teilnehmer der Bezirkswahlausschusssitzung zu informieren. Immerhin hatten da knapp 30 Menschen, die allermeisten ehrenamtlich, über drei Stunden in einem geschlossenen Raum miteinander verbracht und sich zuweilen auch dicht beieinander stehend ausgetauscht. Doch weit gefehlt. Als ich am Donnerstag im Bezirksamt einmal nachfragte – weil ich bis dato nichts mehr gehört hatte -, wie denn der Stand der Benachrichtigung sei, gestand mir eine Mitarbeiterin des Wahlamtes, dass sie erst durch mich und meine Nachfrage davon erfahren habe, dass es einen Corona-Fall gebe. Nun gut, dachte ich, vielleicht ist der Vorgang ja an das Gesundheitsamt abgegeben worden, und rief dort an. Aber auch in diesem Amt wusste niemand von nichts. Neuerliche Anrufe beim Wahl- und beim Gesundheitsamt brachten ebenfalls keine neuen Erkenntnisse, was immer mehr an meinen Geduldsfaden zerrte, zumal mir ein Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde auf meine Frage, wer bei einer Infektion denn in der Pflicht sei, Kontaktpersonen nachzuverfolgen und zu informieren, erzählen wollte, dies sei erst einmal der Infizierte. Auch ein zwischenzeitlicher Hinweis von einer Wahlamtsmitarbeiterin auf den nahenden Feierabend besserte meine Laune nicht gerade, nachdem mittlerweile mindestens drei Tage verstrichen waren, in denen von Seiten des Bezirksamtes aber auch gar nichts unternommen worden war, um die Teilnehmer der Wahlausschutzsitzung zu warnen. Daraus, was ich von der ganzen Sache hielt, machte ich keinen Hehl. Obwohl ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatte, gelang es mir doch noch, den Bezirkswahlleiter noch einmal an die Strippe zu bekommen. So groß die Freude zunächst war, so groß war dann aber auch die Ernüchterung, nachdem mir dieser bei der Frage nach der Verantwortlichkeit erklärte, das Wahlamt habe die Sitzung organisiert und jeder sei dafür verantwortlich, was er getan – oder eben nicht getan – habe. Konkret ging es darum, dass bei der Sitzung nicht alle Teilnehmer registriert worden waren und insofern nur die im Protokoll festgehaltenen Personen identifiziert werden können. Von einer Kontrolle, wer genesen, geimpft oder getestet war, mal ganz zu schweigen. Die Infektionsschutzverordnung jedenfalls lässt grüßen. Was soll ich sagen? Auch wenn es stimmen sollte, dass der Bezirkswahlleiter bei meinem letzten Anruf gerade dabei war, eine Anweisung in die Tasten zu tippen, nach der – zumindest die bekannten – Teilnehmer der Sitzung informiert werden sollen, zeigt dieser ganze Vorfall einmal mehr, wie dysfunktional diese Stadt tatsächlich ist. Wir reden ja hier nicht von einem lästigen Fußpilz, sondern von einer Krankheit, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Und da kommt eine Verwaltung derart bräsig daher, dass einem nichts mehr einfällt. Nicht nur meines Erachtens geht das schon über grobe Fahrlässigkeit hinaus, mit der da mit der Gesundheit von Mitmenschen umgegangen wird. Am Montag (25. Oktober) ist übrigens der Ermittlungszeitraum, den die Corona Warn-App berücksichtigt, vorbei und meine App wird wieder auf Grün umspringen. Man darf jedoch gespannt sein, ob bis dahin jemand informiert wurde – und das unabhängig davon, wen welche rechtliche Verpflichtung in diesem Fall überhaupt treffen würde. Aber das Bezirksamt, das ja für die Bürger da ist bzw. da sein sollte, hat hier zumindest eine moralische Verpflichtung – auch und nicht zuletzt gegenüber den Mitarbeitern.

Noch größer und noch röter

Es hatte schon fast etwas Murmeltierhaftes: In diesen Tagen, also kurz vor dem Winter, erreichte uns einmal mehr ein Care-Paket, das uns gut gewürzt durch die kalte Jahreszeit bringen soll. Dabei sahen die Peperoni, die uns Menzeline dieses Mal zukommen ließ, noch größer und noch röter aus als in den Vorjahren. Was soll ich sagen? Auf die Berlin-Hilfe aus Hessen ist halt immer Verlass. Dabei handelt Menzeline eher nach der von der Schauspielerin Nicole Kidmann formulierten Maxime: „Was spricht dagegen, etwas Gutes zu tun, wenn keiner zuschaut?“ Umso lieber berichte ich hier auf meinem Blog – verbunden mit einem herzlichen Dankeschön – von der Peperoni-Aktion, die damit nun endgültig einen festen Platz in unserem Jahresablauf hat.

Ein wenig kleinlicher Geist

So, jetzt wird es aber Zeit, dass ich mich wieder einmal zu Wort melde. Wade, Wahlkampf und Wahlen haben mich so beschäftigt, dass ich noch nicht einmal mehr dazu gekommen bin, hier auf dem Blog eines der Themen aufzugreifen, die sozusagen auf der Straße liegen und mir tagtäglich ins Auge springen. Eines davon ist ein Bericht auf t-online.de, der überschrieben war: „Das darf in die Garage – und das nicht.“ Typisch deutsch, habe ich mir gedacht und bin bei der Lektüre bestätigt worden. Gleich der erste Absatz macht das deutlich: „Im Grunde ist es recht einfach: In der Garage darf das Auto abgestellt werden – und sonst nichts. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Garage angemietet haben oder besitzen. Streng genommen muss das geparkte Auto sogar fahrtüchtig und angemeldet sein. Beispielsweise einen abgemeldeten Oldtimer einzulagern, ist in der Regel nicht gestattet.“ Wer schon einmal eine Garage in Holland, Frankreich oder Polen von innen gesehen hat, kommt vermutlich aus dem Lachen nicht mehr heraus. Gar nicht mehr zum Lachen sind allerdings die Bußgelder, die offenbar gang und gäbe sind: „Wird gegen eine der Nutzungsregeln von Kfz-Garagen verstoßen, können Kommunen dem Garagennutzer oder -besitzer ein Bußgeld aufbrummen. 500 Euro gelten als eine durchaus gängige Strafsumme.“ Und das tatsächlich kontrolliert wird, scheint gar nicht so selten vorzukommen. Was soll ich sagen? Uns Deutschen, für die ja bekanntlich Ordnung das halbe Leben ist, muss es verdammt gut gehen, wenn wir keine anderen Sorgen haben. Und es kommt einem Ernst Ludwig Kirchner in den Sinn, dem der der Satz zugeschrieben wird: „Es gehört ein wenig kleinlicher Geist dazu, immer Ordnung zu halten.“