“Bin ich alt?”

Opa ist jetzt 63 Jahre alt, da beißt keine Maus den Faden ab. Manche Kommentare von Oma sind dann auch entsprechend. Und auch unser Kinder äußern sich gerne mal ähnlich. “Mensch Papa!”, heißt es dann immer. Dass unsere Enkel auf die Frage: „Bin ich alt?“ total verständnislos reagieren, will ich an dieser Stelle gar nicht kommentieren. Um so erfreulicher ist es, wenn man jemandem begegnet, der angesichts von Opas Blog ganz erstaunt fragt: „Sie haben doch noch gar keine Enkelkinder?“ Neulich wurde es noch besser. Da riet mir eine Frau, nachdem ich ihr eröffnet hatte, ich sei 63: “Schmeiß’ Deinen Ausweis weg und lass’ Dich schätzen.“ Was soll ich sagen? Sehr sympathisch die Dame und vor allem so realitätsnah …

Geschichtsluft geschnuppert

Der 9. November ist ein wahrlich geschichsträchtiger Tag: Fall der Berliner Mauer, Reichspogromnacht, Hitlerputsch und Novemberrevolution laden dieses Datum zu einem Schicksalstag der Deutschen auf. Da sollte man meinen, dass das für einen Tag an Ereignissen genug ist. Doch noch eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Geschichte komplettiert die Historie dieses Novembertages auf ihre ganz besondere und eigene Art. Denn am 9. November 1989, just zu dem Zeitpunkt, als der damalige SED-Funtkionär Günter Schabowski die Worte „sofort, unverzüglich“ daherstammelte und damit eher beiläufig das Ende der Berliner Mauer verkündete, präsentierte der Juwelier Jens Lorenz keine zehn Kilometer entfernt eine von ihm entworfene Uhr, die mit ihrem Uhrwerk aus einem westfälischen Benediktiner-Kloster fast drei Meter hoch und 2,5 Tonnen schwer ist. Die Uhr trägt die Inschrift „Zeit sprengt alle Mauern“ und sollte damit ursprünglich ein Zeichen der Hoffnung auf die endliche Überwindung der Teilung der Welt in “Ost” und “West” sein. Damit wurde die Uhr zur Zeitzeugin ihres eigenen Anliegens und eben die Berliner Friedensuhr. Seitdem wird eine Replik dieser Uhr als Friedenspreis an Persönlichkeiten verliehen, die zur Überwindung von Mauern zwischen Rassen, Klassen, Völkern, Nationen, Kulturen, Ideologien, Konfessionen, Parteien und Menschen exemplarisch beigetragen haben. Gestern nun, am 9. November, hat eine Replik der Berliner Friedensuhr, mit der 2014 die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und die DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe ausgezeichnet worden waren, ihren endgültigen Platz in der Gedenkstätte gefunden. Die Vergabe war u.a. damit begründet worden, dass die Gedenkstätte im früheren zentralen Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit durch ihre tägliche Arbeit die früheren Gefängnismauern überwinde, hinter denen die Menschenrechte mit Füßen getreten worden seien. Sie reiße die Mauern nachträglich nieder und rehabilitiere damit die Opfer. Dass sich der Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, und Preisstifter Jens Lorenz darüber freuten, dass die Übergabe genau auf den Tag 26 Jahre nach dem Mauerfall und gleichzeitig der Geburtsstunde der Berliner Friedensuhr stattfinden konnte, versteht sich von selbst. Und dass Lorenz fünf Stunden später seine neuen Geschäftsräume in Berlin-Friedenau der Öffentlichkeit präsentieren konnte, rundete für ihn den Tag ab, der seit 1989 so untrennbar auch mit ihm verbunden ist. Was soll ich sagen? Opa ist dankbar, dass er Jens Lorenz den Tag über begleiten und damit ein wenig Geschichtsluft schnuppern durfte. Wie drückte das mal ein Fernsehsender aus: Mitten drin statt nur dabei.

UhrGedenkstätteHubertus Knabe (links) und Jens Lorenz mit der Replik der Berliner Friedensuhr, mit der die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und die DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe 2014 ausgezeichnet worden waren. Zu sehen ist sie nun im Eingangsbereich der Gedenkstätte.

IMG_1380Jens und Smita Lorenz bei der Neueröffnung ihres Geschäftes am 9. November 2015 vor dem Original der Berliner Friedensuhr, die untrennbar mit diesem Datum verbunden ist.

Nicht weit vom Stamm

Unser ältester Enkel kommt so langsam auf den Geschmack. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, kommt er mit der Frage: “Wollen wir Uno spielen? Wollen wir zocken?” Und das kann er schon richtig gut. Jedenfalls muss man keine Rücksicht mehr auf ihn nehmen. Er weiß sich schon zu wehren. Das geht übrigens soweit, dass er auch schon mal – natürlich für alle gut sichtbar – ein wenig mogelt. Alle schauen dann immer Opa an und äußern sich ziemlich süffisant: “Von wem er das wohl hat?!?” Was soll ich sagen? Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm.

Gerüchteküche-Küchengerüchte

Laut Duden ist die Gerüchteküche ein imaginärer Ort, an dem viele Gerüchte entstehen. Ist dieser Ort allerdings eine Küche, dann sind es eben Küchengerüchte. Die können auch spannend oder lustig oder beides sein. Jedenfalls wird sich Opa künftig jeden Samstag mit ihnen beschäftigen. Heute geht es um Küchengerüchte zum Thema aromatische Abrüstung.

Opa ist mittlerweile ein großer Fan des Restaurantkritikers Jürgen Dollase und unterstützt ihn in seinem Bemühen um aromatische Abrüstung. Bereits in seinem Buch Himmel und Erde, das auf der Bücherseite ausführlich besprochen ist, hat er sich mit seinen „Anmerkungen zu Salz und Pfeffer“ vehement gegen das weit verbreitete Aromendoping ausgesprochen. In seinem neuesten Buch Kopf und Küche – eine ausführliche Besprechung findet sich hier – wiederholt er nun sein Plädoyer und seine Empfehlung: „Wenn Sie also einen Fernsehkoch sehen, der ständig alle Elemente eines Gerichtes salzt und pfeffert, stellen Sie am besten den Apparat ab. Er kann nicht kochen.“ Wohl wahr, wenn man den Gewürz-Wahsinn auch von manchen Spitzenköchen so sieht. Denn, und da ist Dollase voll zuzustimmen, wenn er schreibt: „Der Weg ins Innere des Geschmacks wird nur möglich, wenn man zu einer radikalen Verbesserung der geschmacklichen Sensibilität kommt, sich also vom Diktat der gedopten Aromen befreit.“ Für den täglichen Umgang mit dem Essen bedeute dies, dass man an so etwas wie eine geschmackliche Hygiene denken sollte. „Man sollte“, fährt er fort, „einerseits die geschmacklichen Möglichkeiten des Menschen wie einen Muskel begreifen, der ohne Training zu keiner Leistung in der Lage ist. Andererseits sollte man darauf achten, dass man seine Wahrnehmung nicht durch zu viel Einseitigkeiten, also durch zu viel Kontakt mit gedopten Aromen beeinträchtigt, sondern durch zunehmende Phasen des sensibelen Umgangs mit dem Essen langsam zu einer grundsätzlichen Verbesserung der Wahrnehmung kommt.“ Was soll ich sagen? Köche aller Länder vereinigt euch und macht Salz- wie Pfeffermühlen zu Pflugscharen, auf dass es nie wieder Gewürzkriege in Küchen gebe.

PfeffermühlenSalz- und Pfeffermühlen zu Pflugscharen, auf dass es keine Gewürzkriege mehr gebe.

Mein gutes Beispiel

Nach der tollen Auszeichnung als „regional engagiertes“ Unternehmen nimmt Opas Firma butterfly communications | mit der Kochkurs-Initiative KINDER | KOCHEN nun automatisch an dem Wettbewerb Mein gutes Beispiel teil. Der Verein Unternehmen für die Region und die Bertelsmann Stiftung rufen zum fünften Mal zu dem Wettbewerb auf. Mittelständische und familiengeführte Unternehmen können sich ab sofort und bis zum 15. Januar 2016 um die Auszeichnung ihres gesellschaftlichen Engagements bewerben. Alle Branchen und Themen sind zugelassen. Zusätzlich wird in diesem Jahr der Sonderpreis „Engagement für Flüchtlinge“ verliehen. Was soll ich sagen? Jetzt heißt es Daumen drücken.

Alles schon mal da gewesen

Das Flüchtlingsthema beherrscht nicht nur die Schlagzeilen, sondern mittlerweile auch die Gemüter der Menschen. Das, was dabei gedanklich herauskommt, ist, gelinde gesagt, erschreckend. “Wir schaffen das”, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. Nun verliert sie zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung, die – nicht zuletzt infiziert durch “besorgte” Bürger – um ihren Wohlstand und ihr versorgtes Leben fürchten. Allerdings ist das ziemlich fatal und beweist einmal mehr, dass die sogenannten Bewahrer des Abendlandes so viel Geschichtsverständnis und -bewusstsein haben wie die Fahnen, die sie schwenken. Denn eine vergleichbare Situation hat es in der Geschichte schon einmal gegeben: Vor rund 1500 Jahren. “Im Römischen Reich herrschten Wohlstand und Offenheit. Es zerfiel, als die Einheimischen die Nerven verloren und dem Hass auf die Flüchtlinge nachgaben”, schreibt  Ralph Bollmann von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung unter der Überschrift Die Völkerwanderung. Zusammengefasst kommt der Autor zu dem Schluss: “Die Römer büßten durch ihre schwindende Integrationsbereitschaft und teils panische Reaktionen ein, was sie so beharrlich verteidigen wollten.” Was soll ich sagen? Die Geschichte darf sich nicht wiederholen, da waren wir uns in Deutschland und Europa einmal einig. Sicher war damit eine ganz andere gemeint, aber die, um die es jetzt geht, scheint es zu tun. Der Ausgang ist hinlänglich bekannt. Insofern kommt es mir so vor, als ob immer mehr Menschen den Ast absägen wollen, auf dem wir alle so bequem sitzen.

Ziemlich lauter Herbst

Jetzt sind sie wieder unterwegs: Die Laubbläser. Alleine von der Berliner Stadtreinigung (BSR) sind derzeit rund 1.800 Mitarbeiter im Einsatz, um die Straßen von Laub zu befreien. Abgesehen einmal davon, dass die Geräte einen höllischen Lärm machen, schaden sie auch der Umwelt ganz erheblich. Denn das Laub dient vielen Insekten als Lebensraum, schützt den Boden vor Austrocknung und dient als Humus-und Nährstoffversorgung für das nächste Jahr. Das österreichische Graz hat daraus – wie bereits berichtet – letztes Jahr die Konsequenz gezogen und die Dinger einfach verboten. Aber auch Städte in Deutschland diskutieren das Thema mit eben dieser Intention. So hat beispielsweise Starnberg in Bayern den Gebrauch von Laubbläsern auf städtischen Grünflächen seit drei Jahren untersagt. Damit sollen Haushalte und öffentliche Einrichtungen animiert werden, es genauso zu machen. Und auch in München überlegen einige Bezirke, Laubbläser einzuschränken. Was soll ich sagen? Ich will ja jetzt nicht mit dem Spruch kommen: Früher war alles besser. Aber in diesem Fall wäre der Griff zum guten alten Rechen in der Tat die bessere Wahl. Und der Herbst wäre auch wieder sehr viel leiser.

IMG_2231Auch mit einem guten alten Rechen kann man dem Laub im Herbst Herr werden.

Wer viel fragt …

Bei der Kommunikation mit Kindern muss man höllisch aufpassen. Jedenfalls ist man gut beraten, auch das zu sagen, was man meint. Andernfalls kann es einem so ergehen wie Oma, die, als sie mit unserem jüngsten Enkel vom Kindergarten nach Hause kam, meinte: “Wollen wir uns jetzt nicht erst mal die Hände waschen?” “Nein”, schallte es zur Überraschung von Oma zurück, woraufhin sie sagte: “Doch, das machen wir doch immer, wenn wir nach Hause kommen!” Der kleine Mann seinerseits konterte nun: “Aber du hast mich doch gefragt, und ich hab’ nein gesagt!” Was soll ich sagen? Tja, wer viel fragt … Aber die Hände haben sie sich dann doch gewaschen.

Ai Weiwei: Erfrischend anders

Dieses Mal hat es geklappt. Im letzten Jahr, als Ai Weiwei seine Ausstellung Evidence im Berliner Martin-Gropius-Bau hatte, musst Opa ja Rücken bedingt passen. Am Sonntag nun, als der chinesische Künstler seine dreijährige Gastprofessur an der Universität der Künste Berlin (UdK) antrat, war Opa mit von der Partie. Und es hat sich gelohnt. Fast etwas schüchtern präsentierte sich der 59-Jährige den rund 1.200 Zuhörern, die in den Konzertsaal an der Hardenbergstraße gekommen waren, und verblüffte sie mit zum Teil überraschenden Geständnissen. So tue er sich schwer, seine Pläne, was er mit seinen Studenten so alles machen wolle und werde, vor so vielen Leuten auszubreiten, sagte er. Schließlich wisse er das noch gar nicht, führte er weiter aus und: „Ich werde bestimmt auch selbst viel lernen.“ Das hoffen seine Studenten ebenfalls, denen er bei den Bewerbungsgesprächen gleich eine Hoffnung geraubt hatte: “Glauben Sie es oder nicht: Ich verstehe nichts vom Markt“, sagte er denen, die wissen wollten, wie denn der Kunstmarkt funktioniere, und sortierte sie dann gleich aus. Leer gingen zudem die aus, die von Ai eine Definition von Kunst erwartet hatten. Auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum antwortete er nach längerem Nachdenken schlicht und ergeifend, das könne er nicht. Was soll ich sagen? Das war mal erfrischend anders als anders: Ein ausgesprochen humorvoller Mann, der dafür, dass er angeblich nicht liest, sehr belesen klingt.

IMG_2217Trat seine dreijährige Gastprofessur an der Universität der Künste in Berlin an: Ai Weiwei.