Im Dauer-Wimmel-Einsatz

Unsere beiden Enkelkinder sind große Fans von Wimmelbüchern. Das sind Bücher, in denen es, und das ist jetzt kein Kalauer, nur so von Menschen, Tieren und Sachen wimmelt. Für die ganz Kleinen gibt es spezielle Ausgaben, in denen sich dann auf jeder Seite ein und derselbe Gegenstand, ein kleiner blauer Bagger oder ein kleiner roter Helm, wiederfindet, den es zu entdecken gilt. Für unsere Kurzen ist das kein Problem. Wenn sie das Teil einmal ausgemacht haben, zeigen sie schneller darauf, als Opa blättern kann. Dennoch können sie nicht genug davon bekommen. Oma und Opa sind sozusagen immer im Dauer-Wimmel-Einsatz. Aber auch alleine greifen sie zu ihren Wimmelbüchern. Neulich haben sich beide sogar in einen Sessel gezwängt und gemeinsam ein Wimmelbuch gelesen. Da sage noch einer, lesen macht einsam. Nach meiner Beobachtung war das ein klassisches Gemeinschaftserlebnis. Was soll ich sagen? Derartige Gemeinschaftserlebnisse können auch Erwachsene haben. Für die gibt es nämlich auch Wimmelbilder. Eines der bekanntesten Wimmelgemälde, “Die niederländischen Sprichwörter”, stammt von Pieter Bruegel dem Älteren, einem niederländischen Maler. Um das 1559 entstandene Werk, auf dem über 100 niederländische Sinnsprüche und Redewendungen bildlich dargestellt sind, zu sehen, muss man noch nicht einmal in unser Nachbarland reisen. Ein Kurzbesuch in der deutschen Hauptstadt reicht. Das Bild hängt nämlich in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin.

Nicht runzelig und grauhaarig

Dieser Tage habe ich gelesen, dass Oma und Opa ausgedient haben und nicht mehr die Hauptberater ihrer Enkel sein sollen, sondern zu 90 Prozent Google, Wikipedia und YouTube. Dies sei das Ergebnis einer Studie von “Dr. …” – den Namen lassen wir hier jetzt einmal weg, da es sich um den Hersteller von Reinigungsmitteln handelt. Das ist an sich ja nicht schlecht, wirft aber zumindest Fragen nach der Kompetenz bei diesem Sachthema auf. Gewiss haben die bereits erwähnten Medien bei der Jugend einen größeren Stellenwert als früher, weil es sie früher eben nicht gab. Aber: “Großeltern engagieren sich als Betreuer und Spielkameraden ihrer Enkel, als Kulturvermittler und Ratgeber. Das Verhältnis zwischen den Generationen ist besser denn je”, berichtet die Zeit zum Teil unter Berufung auf eine Studie des Deutschen Jugendinstitutes zur “Kinderbetreuung in der Familie” und titelt “Großeltern: So nah wie nie zuvor”. Noch einmal: Nichts gegen “Dr. …”, aber irgendwie vertraue ich da der Zeit und dem Institut doch etwas mehr. Und der Artikel ist lesenswert. Vor allem ein Satz hat es mir angetan: “Das alte Stereotyp von Oma und Opa als runzeligen, grauhaarigen Alten, die im Lehnstuhl sitzen, wurde abgelöst von jugendlich-aktiven Großeltern.” Was soll ich sagen? Schreib’ ich doch die ganze Zeit: “Opa muss wohl auf Tumblr verzichten” oder “Das 21. Jahrhundert lässt grüßen”.

Großeltern werden …

Als sich seinerzeit bei unseren Kindern der Nachwuchs einstellte, beäugte ein befreundetes Ehepaar unser Großelternglück mit einiger Skepsis und durchaus gemischten Gefühlen. “Wir werden wohl keine Großeltern mehr”, lautete die düstere Prognose, die sich auf das Alter der Beiden und vor allem das ihrer Kinder gründete. In meinem unerschütterlichen Optimismus versuchte ich zu trösten und gab so kluge Sätze von mir wie: “Das wird schon.” Und tat auch noch so, als könne ich das irgendwie beeinflussen. Aber bekanntlich kann der Glaube ja Berge versetzen. Eines Tages klingelte das Telefon und wir erhielten die frohe Botschaft: “Wir werden Großeltern. Zwei Mal. Es sind Zwillinge.” So können wir uns mit unseren Freunden mittlerweile auf Augenhöhe über unsere großelterlichen Erfahrungen austauschen, fast jedenfalls. Denn während wir das Glück haben, dass unser gesamter Nachwuchs am Ort ist, leben die Kinder unserer Freunde und damit auch die Enkel am anderen Ende der Republik. Was soll ich sagen? Großeltern werden ist nicht schwer, Großeltern sein … – Blödsinn – Großeltern sein eigentlich auch nicht.

Fußspuren im Pudding

Woran erkennt man, dass ein Elefant im Kühlschrank war? Na klar, an den Fußspuren im Pudding. In Anlehnung an diesen Kalauer nun die Frage: Woran erkennt man, dass in einem Haushalt Großeltern wohnen? Das ist fast so einfach zu beantworten, wie die erste Frage. Also, wenn Sie ein Paar kennen, das – biologisch gesehen – mit der Reproduktion bereits abgeschlossen haben muss, dann gibt es einige Utensilien und Spuren, die kaum einen Zweifel lassen: Hier wohnen Oma und Opa. Das fängt mit Kinderstühlchen oder Reisebettchen an, geht weiter über Töpfchen oder WC-Aufsatz für Kinder und endet bei in der ganzen Wohnung verteiltem Spielzeug. Nun soll es Großeltern geben, die all diese Gegenstände immer sorgsam aufräumen und verstauen, so dass sie mehr oder weniger unsichtbar sind. Dennoch gibt es auch dann untrügliche Zeichen. Schauen Sie sich mal Scheiben, Wände oder Möbel bis zu einer Höhe von ungefähr einem Meter an, dann sehen Sie es sofort. Wenn Sie Abdrücke von kleinen Nasen, Mündern oder Patschfingern entdecken, dann ist das der sichere Beweis. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn Sie einen Mann in opafähigem Alter sehen, in dessen Auto sich ein Kindersitz befindet. Was soll ich sagen? Manche Männer fangen wieder von vorne an.

Ururgroßväter gibt es nicht mehr

Es gibt tatsächlich heute noch Kinder, die haben nicht nur Großeltern, sondern auch noch Urgroßeltern. In absehbarer Zeit wird es das vermutlich nicht mehr geben, wenn man das ständig steigende Alter derjenigen nimmt, die Kinder kriegen. Insofern werden auch die Wörter Urgroßmutter und Urgroßvater irgendwann aus dem Wortschatz der deutschsprachigen Menschen verschwunden sein. Das ist schade, aber wohl (nicht mehr) zu ändern. Noch schlimmer finde ich allerdings, dass es dann auch die für alle so wertvollen Begegnungen der verschiedenen Generationen nicht mehr gibt. Dabei fällt mir ein Besuch mit unserem jüngsten Enkel bei seiner Urgroßmutter ein, der ihn ziemlich durcheinander gebracht hat. Meine Mutter hat nämlich ein Ölbild von ihrem Vater, als der so ungefähr zehn Jahre alt war, an der Wand hängen. Als unser kleiner Mann das Bild sah, frohlockte er sogleich: Opa. Ururgroßväter gibt es nun wirklich nicht mehr. Aber was soll ich sagen? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.