Das Veteranenabzeichen der Bundeswehr ist ein Abzeichen, das für den früheren oder immer noch aktiven militärischen Dienst verliehen wird. Nachdem ich über zwei Jahre als Soldat auf Zeit gedient, jede Menge Wehrübungen absolviert habe und als Oberstleutnant der Reserve ehrenhaft aus der Bundeswehr ausgeschieden bin, hat das Abzeichen nun auch den Weg zu mir gefunden. Allerdings hat es das nicht von selbst getan. Man muss einen Antrag dafür stellen. Auf den ersten Blick mag das unverständlich erscheinen, soll doch mit der Verleihung die Wertschätzung der Gesellschaft für den geleisteten Dienst zum Ausdruck gebracht werden – Anerkennung auf Antrag!? Wenn man bedenkt, dass es über zehn Millionen Veteranen gibt, kann man diese Praxis schon eher nachvollziehen. Unabhängig von den Kosten will vielleicht nicht jeder davon dieses Abzeichen überhaupt haben, geschweige denn tragen. Die Zahlen sprechen dafür. Das Veteranenabzeichen wurde 2019 eingeführt und bis Ende 2023 rund 90.000 Mal ausgehändigt. Bleiben noch 9,9 Millionen ehemalige bzw. aktive Bundeswehrsoldaten, die von dem Abzeichen entweder noch nichts gehört haben oder denen es ziemlich egal zu sein scheint. Was soll ich sagen? Verwundern kann mich das nicht. Im November vergangenen Jahres ergab eine Forsa-Umfrage, dass nur ein Bruchteil der Deutschen zur Landesverteidigung mit der Waffe bereit ist. Nur 17 Prozent wären „auf jeden Fall“ bereit, 19 Prozent „wahrscheinlich“, im Falle eines militärischen Angriffs Deutschland selbst mit der Waffe zu verteidigen. Eine große Mehrheit von 61 Prozent wäre der Umfrage zufolge wahrscheinlich nicht oder auf keinen Fall bereit, wobei der Anteil derer, die auf keinen Fall zur Verteidigung mit einer Waffe bereit wären, mit 40 Prozent fast doppelt so hoch lag wie bei derselben Umfrage im Mai 2022. Angesichts der aktuellen Bedrohungen, denen sich auch Deutschland ausgesetzt sieht, ist das mehr als erschreckend. Die geringe Akzeptanz des Veteranenabzeichens ist da das kleinste Problem.
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Gute Tischgespräche
Oma bekommt von einer guten Freundin jeden Tag einen elektronischen Gruß, der sie aufheitern und ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubern soll. Heute hat diese Freundin mit einem Screenshot von einem Kalenderblatt – gewiss, ohne sich dessen bewusst zu sein – den Vogel abgeschossen. Das Blatt von Sonntag, 10. Dezember, soll ein Zitat des verstorbenen US-amerikanischen Schauspielers Walter Matthau zeigen, das da lautet: „Für gute Tischgespräche muss das Beste auf die Stühle kommen.“ Nachdem ich mich, wie viele ja wissen, vornehmlich für das verantwortlich fühle, was auf den Tisch kommt, fühlte ich mich irgendwie angesprochen und habe über die Aussage nachgedacht. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass ein gutes Essen in der Tat ein kommunikatives Ereignis ist, bei dem gute Gespräche unabdingbar sind. Insofern dachte ich, dass das auch ein Thema für Opas Blog sein könnte und recherchierte erst einmal, ob das Zitat auch so stimmt und tatsächlich von Matthau stammt. Das Erste, was ich u.a. bei zitate-online.de herausfand, war, dass das Zitat offensichtlich einen etwas anderen, aus meiner Sicht sogar noch besser formulierten Wortlaut hat, und zwar: „Für ein gutes Tischgespräch kommt es nicht so sehr darauf an, was sich auf dem Tisch, sondern was sich auf den Stühlen befindet.“ Das Beste aber auf besagter Webseite sind die Kommentare, die es zu dem Zitat gegeben hat. Zunächst äußert sich Ingrid Z. und freut sich: „Diese Aussage finde ich einfach klasse!!! – Und so treffend!“ Dies wiederum regt Muttzier zu folgendem Kommentar an: „…was sich auf dem Tisch befindet, ist schon auch wichtig, denn auch daran kann man beim Verzehr erkennen, wer sich auf den Stühlen darum befindet.“ Das kann H. Schmid natürlich nicht so stehen lassen und merkt sozialkritisch an: „Die meisten Menschen auf der Erde essen mit den Fingern. Schätzungen beziffern die Benutzer von Messer und Gabel weltweit auf etwa 900 Millionen, von Essstäbchen auf ca. 1,2 Milliarden, der Finger auf etwa 4,2 Milliarden.“ Dies fordert nun Muttzier heraus, der kontert: „Man kann auch stilvoll mit den Fingern essen, auch in einem Kral in Afrika. – Nur, es gibt diese ‘Möchtegerne’, die nicht einmal das beherrschen, geschweige denn gute Tischgespräche.“ Nun möchte Ingrid Z. offensichtlich die Wogen glätten und führt in die Diskussion ein: „Wie gut haben es da die Japaner (oder auch die Chinesen?), die sich kniend am Tisch befinden…“ Doch H. Schmid ist nicht zu beruhigen und poltert zurück: „Ja, sie lieben es so sehr, daß sie gerne auf diese Sitzposition verzichten. Männer sitzen meist sofort im Schneidersitz. Während man von den Frauen erwartet, dass sie die traditionelle Sitzposition auf den Knien einnehmen; von der sie aber bald darauf die Beine seitlich abwinkeln, was deutlich bequemer ist.“ Nun entwickelt sich ein Rededuell, auf dessen Darstellung ich verzichten will, zumal es über zwei Tage geht. Doch dann ist es an Windsandale, der am 21. November 2009 um 14.22 Uhr den Schlussakkord mit einem Gedicht von Heinrich Heine über (Tee-)Tischgespräche setzt:
Sie aßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.
Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: Ach!
Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: Wie so?
Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.
Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
Was soll ich sagen? Manchmal stimmt es eben doch: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Doch das ficht Senftopf nicht an. Fast genau auf den Tag zwei Jahre später schlägt er sich sozusagen auf die Schenkel: “Hahahahah, das ist gut!!” Und damit ist immer noch nicht Schluss. Wer sich die gesamte Diskussion antun möchte, kann dies gerne hier tun: https://www.zitate-online.de/sprueche/allgemein/18532/fuer-ein-gutes-tischgespraech-kommt-es-nicht.html#kommentar. Währenddessen fragt sich Oma immer noch, ob sie einen von den Diskutanten bei sich am Tisch haben möchte – egal ob sitzend, kniend oder liegend.
Die Energiebündlerin
Der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat nicht nur in der Politik eine Zeitenwende eingeläutet. Auch im Leben vieler Deutscher – vom Leben der geschundenen Menschen in der Ukraine will ich gar nicht reden – wurde durch diesen Krieg ein neues Kapitel aufgeschlagen. Über den Mulinarius aus der Hauptstadtregion, der seit des ersten Kriegstages seine Bilder in Blau und Gelb färbt, habe ich hier schon geschrieben. Heute nun will ich über Elke Tonscheidt aus Köln berichten, mit der ich seit etlichen Jahren freundschaftlich verbunden bin. Dieses Energiebündel, das sich dabei vor allem als Energiebündlerin versteht, hat ihr großes Herz noch weiter geöffnet und vorübergehend in ihrem Haus Platz gemacht für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Das Tagebuch, das sie über ihr Leben mit Oksana und Vera angelegt hat, ist nicht nur ein herzzerreißender Erlebnisbericht, sondern auch ein beeindruckendes Zeitdokument, dessen Wert erst mit den Jahren sichtbar werden wird. Was soll ich sagen? Dass Elke den ersten Eintrag in ihrem Tagebuch ausgerechnet mit dem Foto von einem der Freundschaftsbändchen illustriert hat, die Oma in Blau und Gelb geknüpft hat und die wir als Solidaritätszeichen unters Volk gebracht haben, mag Zufall sein. Besser gefällt mir allerdings der Gedanke, dass dies vielleicht ein Zeichen ist, wie groß die Seelenverwandtschaft zwischen Elke und mir mittlerweile geworden ist.
Ich alter, weißer Mann
Oma und ich haben schon Gleichberechtigung praktiziert, da gab es deren Gralshüter noch gar nicht. Jedenfalls haben wir, die 1976 geheiratet haben, immer alles, was uns und unsere Familie betraf, gemeinsam entschieden – und tun das heute noch. Währenddessen allerdings macht sich ein Gender-Wahnsinn breit, der zuweilen kaum noch zu ertragen ist. Wenn ich beispielsweise lese, dass bei der Erarbeitung eines Wahlprogramms Änderungsanträge „entweder von mindestens drei Mitgliedern (davon zwei Frauen*), Arbeitsgemeinschaften, Nachbarschaftstreffen oder der Grünen Jugend eingereicht werden“ können, dann frage ich mich schon, ob das nicht an Diskriminierung grenzt. Ganz sicher bin ich mir aber, wenn ich in der Satzung der grünen Studentenvertretung „Gras“ in Österreich lese: „Auf allen Versammlungen und Veranstaltungen der Partei kann von einer anwesenden FLINT*-Person (Anm. von Opa: FLINT bedeutet Frauen, Lesben, Inter, Nonbinär, Trans) jederzeit und ohne Begründung ein Safe Space verlangt werden. Wird ein Safe Space verlangt, haben für dessen Dauer alle anwesenden Cis-Männer den Raum zu verlassen.“ (Anm. von Opa: Cis bezeichnet die Übereinstimmung von Geschlechtsidentität und dem Geschlecht, das einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde). Was soll ich sagen? Irgendwie muss ich an das vom Philosophen Karl Popper 1945 erstmals beschriebene Toleranz-Paradoxon denken. Danach führt uneingeschränkte Toleranz „mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ Ich weiß, was jetzt einige denken bzw. sagen werden: „Typisch alter, weißer Mann.“ Aber was soll ich als Mann mit langsam grau werdenden Haaren im Alter von fast 69 Jahren auch anderes sein. Oma denkt übrigens genauso. Und was ist sie jetzt?
Plaudertelefon gegen Einsamkeit
Die Corona-Pandemie an sich ist schon Herausforderung genug. Doch älteren Menschen, die als besondere Risikogruppe gelten, beschert das Virus noch ein zusätzliches Problem – und das vor allem jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit sowie über den Jahreswechsel: Einsamkeit. Besuche sind nur eingeschränkt möglich, zum Reden gibt es niemanden. Aus diesem Grund haben Oma und ich in meiner Eigenschaft als Seniorenbeauftragter der FDP Steglitz-Zehlendorf, ein Plaudertelefon eingerichtet, das vorerst bis 10. Januar, dem möglichen Ende des jetzt geltenden Lockdowns, jeden Tag in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr – auch und vor allem an Wochenenden erreichbar ist. Dies gilt auch für Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage. Die Berliner Rufnummer lautet: 030 84319845. Was soll ich sagen? Viele ältere Menschen haben nur noch wenige bis gar keine Kontakte mehr. Da kann es vielleicht helfen, jemanden zu haben, bei dem man sich seinen Kummer von der Seele reden kann. Wenn beide Leitungen belegt sind, werden wir auch zurückrufen. In dieser schwierigen Zeit muss niemand alleine und schon gar nicht einsam sein.
Frau am Steuer
Es gibt Schätze, die schlummern lange im Verborgenen. Neulich, beim Aufräumen, entdeckte Oma alte Schulhefte und Aufsätze, die sie im zarten Alter von 14 Jahren zu Papier gebracht hat. Ein Thema dabei: Die Frau am Steuer – im Niederländischen heißt es übrigens hinterm Steuer. Wie auch immer: Der Text von Oma aus dem September 1968 ist ein wahres Zeitdokument, das ich meinen Lesern und der Welt – natürlich ins Deutsche übersetzt – nicht vorenthalten will. Und los geht’s:
Heutzutage muss man sich nicht mehr wundern, dass man in den vorbeirauschenden Autos ebenso viele Frauen wie Männer am Steuer sieht. Hierzu hat u.a. die Emanzipation der Frau beigetragen. Oft schafft sich eine Frau auch ein Wägelchen an, um, wenn ihr Mann mit seinem eigenen Wagen zur Arbeit gefahren ist, in der großen Stadt einzukaufen oder die Kinder zur Schule zu bringen. Wenn der Nachbar ein Auto hat, möchte man auch eins haben. Der Wohlstand dieser Zeit „fordert“ das ein. Weil man heute alles auf Kredit kaufen kann, ist die Anschaffung eines Autos auch für Leute mit kleinerem Einkommen möglich.
Wenn man einen Mann hinterm Steuer sieht, sieht man einen Brocken Selbstvertrauen. Er sitzt nämlich mit dem linken Arm aus dem offenen Fenster gelehnt und lenkt angeberisch mit zwei Fingern der anderen Hand. Die Frau dagegen hat „Verantwortungsgefühl“: Sie lenkt ihren Wagen gut – das Lenkrad von ihren transpirierenden Händen umklammert. Sie fährt langsam und vorsichtig, so dass ein Autofahrer hinter ihr auch schon mal sagen könnte: „Sicher eine Frau am Steuer“.
Im Verkehr kann eine Frau zuweilen auch schon mal lästig sein. Zum Beispiel: Die Frau und der Herr haben beide einen Führerschein. Der Göttergatte fährt gerade und zu seinem großen Ärger fährt die Dame auch noch mit. Bereits nach wenigen Kilometern kann er die Kommentare seiner Frau zu allem, was er tut, nicht mehr ertragen. Er hält an und sagt den berüchtigten Satz: „Fährst Du oder fahre ich?“ Er kriecht zähneknirschend und innerlich kochend auf die Rückbank. Somit ist seine Frau gezwungen, seinen Platz am Steuer einzunehmen. Weil ihr Tag jetzt verdorben ist, macht sie eine Kehrtwende. Und nach viel zu eng genommenen Kurven und zu festem Bremsen kommen sie – via Gartenzaun – in der Garage zum Stehen.
Dennoch werde ich, wenn ich achtzehn bin, auch meinen Führerschein machen und versuchen, den Männern zu zeigen, dass wir Frauen auch etwas vom „Fach des Chauffeurs“ verstehen.
Was soll ich (von Oma) sagen? Sie parkt ein wie ein Mann. Und das stimmt wirklich!
Lügen haben kurze Beine
Heute haben Oma und ich an einer tollen Konferenz teilgenommen. Es war die 3. ohfamoose Unkonferenz, die sich mit dem Thema Unser neues Miteinander auseinandergesetzt hat und erstmals digital durchgeführt wurde. Ich selbst habe einen Impuls zum Thema Wahrheit und Lügen gehalten, den ich Opas Blog-Lesern nicht vorenthalten will:
Wahrheit und Lüge sind untrennbar miteinander verbunden. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen:
Ihr habt sicher schon einmal vom Lügner-Paradoxon gehört. Der Klassiker lautet: Dieser Satz ist falsch.
Es handelt sich dabei um die einfachste Form des Lügner-Paradoxons, das dann entsteht, wenn ein Satz seine eigene Unwahrheit behauptet. Seine Selbstbezüglichkeit dreht der Logik eine Schlinge, in der sie sich heillos verheddert. Ein unauflöslicher Widerspruch tut sich auf: Wenn der Satz zutrifft, ist er das, was er aussagt: falsch. Ist er falsch, muss er richtig sein. Und so weiter.
Nachdem damit alle Klarheiten bzw. Wahrheiten beseitigt sind, will ich mich jetzt intensiver mit dem Lügen beschäftigen.
Denn: Wir alle lügen. Mehrmals am Tag.
Der Psychologe Gerald Jellison von der Universität von South Carolina hat herausgefunden, dass der Mensch durchschnittlich alle acht Minuten belogen wird. Während einer zehnminütigen Konversation belügen sich danach 60 Prozent aller Gesprächspartner bis zu drei Mal. Das bedeutet: Täglich sind wir mit einer kaum vorstellbaren Menge an Unwahrheiten, Übertreibungen und anderen Formen von Lügen konfrontiert und lügen unsererseits nicht selten genauso häufig.
Doch warum tun wir das?
Beiläufige Flunkereien sind laut Jellison den Urhebern im Augenblick der Konversation meist gar nicht bewusst, machen aber fast ein Drittel aller Lügen aus. Der Rest sagt vor allem aus vier Kernmotiven heraus die Unwahrheit:
– 41 Prozent lügen, um sich Ärger zu ersparen („Dein Essen schmeckt super!“).
– 14 Prozent schummeln, um sich das Leben bequemer zu machen („Morgen? Oh, da kann ich nicht!“).
– 8,5 Prozent manipulieren, um geliebt zu werden („Ich denke nur an dich!“).
– 6 Prozent schwindeln aus Faulheit („Klar, habe ich daran gedacht!“).
Die schönste Beschreibung, die ich in diesem Zusammenhang gelesen bzw. gehört habe, lautet: Die soziale Lüge ist das Schmierfett unserer Gesellschaft und macht unser Leben erst lebenswert.
Das gilt natürlich nur, wenn man es nicht übertreibt.
Meister der Übertreibung in diesem Zusammenhang ist … genau: Donald Trump.
Nach Berechnungen der Zeitung »Washington Post« brauchte Trump lediglich 601 Tage im Amt, um in der Öffentlichkeit 5000 „unwahre oder irreführende“ Aussagen zu machen. Seinen persönlichen Rekord erzielte der scheidende US-Präsident dabei am 7. September 2018 – mit 125 Unwahrheiten an einem einzigen Tag.
Auch wenn der Alte Fritz Trump nicht kannte, ist er zu der Erkenntnis gelangt:
Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde. Und so wollte Friedrich, der am 17. August 1786 im Schloss Sanssouci in Potsdam in seinem Sessel starb, neben seinen Hunden beerdigt werden. Da hat er allerdings nicht gewusst, dass auch Hunde sozusagen schwindeln können.
Das jedenfalls legt eine britische Studie im Fachblatt „Scientific Reports“ nahe. Danach können Hunde ihre Mimik – darunter den sprichwörtlichen Dackelblick – gezielt zu Kommunikationszwecken einsetzen. Die Biologin Juliane Kaminski von der Universität Portsmouth und ihr Team hatten 2017 Experimente mit insgesamt 24 Familienhunden verschiedener Rassen gemacht.
In einer früheren Studie hatte Kaminski bereits belegt, dass Hunde erkennen, wie aufmerksam Menschen gerade sind. So stibitzten sie in einem Versuch öfter Futter, wenn der Mensch sich wegdrehte oder die Augen schloss.
Auch hier ist also die soziale Lüge das Schmierfett der Hund-Mensch-Beziehung, wobei wir wieder beim Menschen wären, bei dessen Sprache es die Lüge bis in die Sprichworte gebracht hat.
Eines der geläufigsten lautet: Lügen habe kurze Beine, was ausdrücken soll, dass man mit Lügen nicht weit kommt. Ein anderes, auch sehr schönes Sprichwort heißt: Die Lüge bedarf gelehrter, die Wahrheit einfältiger Leute, was nichts anderes heißt, dass Lügenkonstrukte irgendwann so komplex geworden sind, dass man schon sehr intelligent sein muss, um am Ende noch den Durchblick und die Kontrolle zu haben.
Ein kleiner Witz macht das sehr gut deutlich:
Ein Mann war über Nacht nicht zu Hause. Am Morgen erzählt er seiner Frau, dass er bei einem Kumpel übernachtet hätte. Seine Frau rief daraufhin zehn seiner besten Freunde an. Abends stellt sie ihren Gatten zur Rede. „Ich habe zehn deiner Freunde angerufen. Fünf haben mir bestätigt, dass du bei ihnen geschlafen hast. Und drei behaupten, dass du immer noch bei ihnen wärst.“ Man könnte sagen, sie hat seine Lüge sozusagen ad absurdum geführt und ihn im wahrsten Sinne des Wortes Lügen gestraft.
Wie eng Lüge und Wahrheit zusammenhängen und miteinander verbunden sind, macht ein Text deutlich, den der englische Philosoph Francis Bacon verfasst hat. Denn es ist sicher kein Zufall, dass in seinem Essay „Of Truth“ das Wort „Wahrheit“ mit zwölf Mal nur einmal mehr vorkommt als das Wort „Lüge“, das elf Mal zu lesen ist.
Schließen will ich mit einem Gedicht von Heinrich Heine.
Gott gab uns nur einen Mund,
Weil zwei Mäuler ungesund.
Mit dem einen Maule schon
Schwätzt zu viel der Erdensohn.
Wenn er doppeltmäulig wär’,
Fräß’ und lög’ er auch noch mehr.
Hat er jetzt das Maul voll Brei,
Muß er schweigen unterdessen,
Hätt’ er aber Mäuler zwei,
Löge er sogar beim Fressen.
Was soll ich sagen? Wir haben lebhaft diskutiert. Und auch hier ist die Diskussion jetzt eröffnet.
Jesus weinte
Jesus weinte. Das ist der kürzeste Vers in der gesamten Bibel und der sicher treffendste für diese Tage. Jedenfalls ist es lange her, dass die Menschen in Deutschland, Europa und der Welt vor so einer Herausforderung gestanden haben. Es dürfte zumindest in unseren Breitengraden kaum Menschen geben, die zu Lebzeiten Vergleichbares erlebt haben. Und dabei stehen wir erst am Anfang. Wie lange es dauern wird, kann ebensowenig jemand voraussagen wie, wieviele Tote dem Corona-Virus bzw. den Begleitumständen zum Opfer fallen werden. Ein Blick nach Italien lässt Schlimmes befürchten, wobei das zögerliche Reagieren der politischen Entscheidungsträger insbesondere hier im Lande Berlin fassungslos macht. Denn jeder Tag, der ohne entschlossene Maßnahmen zur Reduzierung der Infektionsgeschwindigkeit vergeht, ist ein verlorener Tag und wird viele Menschen das Leben kosten. Wir in Deutschland werden es noch erleben, dass Ärzte nach dem Triage-System entscheiden, wem sie helfen und wen sie sterben lassen.
Jesus weinte. Und doch gibt es Hoffnung. „Nachdem ihr eine Weile gelitten habt, wird er euch aufbauen, stärken und kräftigen; und er wird euch auf festen Grund stellen,“ verspricht Petrus (im 1. Buch Kapitel 5 Vers 10). Unabhängig davon, ob man daran glaubt oder nicht: Es wird ein Leben nach der Krise geben. Wie dieses aussieht, hängt nicht zuletzt von uns, von jedem Einzelnen ab. Trotz oder gerade wegen der apokalyptischen Szenarien, die uns vermutlich noch bevorstehen, sind wir gefordert, uns – neben medizinisch notwendigen Maßnahmen – nicht zu verlieren und ein Mindestmaß an Zivilisation aufrecht zu erhalten. Erinnert sei an den im vergangenen Jahr verstorbenen Modeschöpfer Karl Lagerfeld, der mahnte: “Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.” Man muss das jetzt nicht wörtlich nehmen. Aber auch und vor allem in diesen Tagen ist es wichtig, auf sich und andere zu achten und nicht gleichgültig zu sein. Wer sich gehen lässt, hat und ist verloren. Mehr denn je trägt heute jeder für sich und für alle anderen eine große Verantwortung. Als Richtschnur seines Handelns sollte jeder für sich den Anspruch erheben, am Ende allen anderen noch in die Augen schauen zu können. Das kann in bestimmten Situationen viel verlangt sein, ist es aber eigentlich nicht. Ich will hier gar nicht den Kantschen bzw. Kategorischen Imperativ bemühen. Aber die Goldene Regel sollte es schon sein: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ Was soll ich sagen? Geben Sie auf sich acht und bleiben Sie gesund. Und vergessen Sie Ihre Nächsten nicht.
Nicht einfach, die Welt zu retten
Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: 90.000 Menschen aus ganz Deutschland machen sich auf den Weg, um sich an einem Tag, der einzig allein dafür da ist, die Welt zu einem zukunftsfähigeren Ort zu gestalten, im Olympiastadion in Berlin zu versammeln. „Wow!“, denkt der Laie und der Fachmann wundert sich. Denn dass das nicht zum Nulltarif zu haben ist, sondern kostet, versteht sich ja von selbst. Deshalb denken die Initiatoren groß und haben, um diesen 12. Juni 2020 zu finanzieren, ein Crowdfunding-Projekt gestartet, das 4,5 Millionen Euro einsammeln will. Schließlich geht es ja um nicht mehr und nicht weniger, als die Welt zu retten. Über 400.000 Euro sind schon zusammen gekommen. Wer noch mitmachen will, kann das noch tun. Ab 29,95 Euro ist man dabei, wobei nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Eine Grenze gibt es aber doch: 1,8 Millionen, die man für das Obergönner*in-Ticket hinblättern muss, das es allerdings nur einmal gibt. Wer also Interesse hat, sollte sich beeilen. Denn gutes Karma ist einem gewiss. Wie allerdings die Welt nun gerettet wird, erschließt sich mir noch nicht. Denn allein die Anwesenheit bewirkt noch gar nichts. Und auch die geplanten Online-Petitionen verursachen zunächst einmal nur Elektrosmog. Wenn man dann noch bedenkt, wie viel Müll 90.000 Menschen überhaupt produzieren können, werden die Bedenken immer stärker. Denn irgendwie müssen diese Menschenmassen ja auch nach Berlin kommen. Und das alle mit dem Fahrrad fahren, glaubt selbst Greta Thunberg vermutlich nicht. Was soll ich also sagen? Es ist wahrlich nicht einfach, die Welt zu retten. Vielleicht ist es ja hilfreich, einmal klein zu denken, so ganz nach dem Motto: Wer die Welt verändern will, muss bei sich selbst anfangen. Das ist zwar nicht besonders spektakulär, aber vermutlich wirksamer, als 90.000 Menschen im Berliner Olympiastadion. Oma und ich jedenfalls haben schon damit angefangen.
Wo bleibt die Goldene Regel?
Was für armselige Kreaturen müssen das sein, die das Missgeschick eines Mitmenschen auf Twitter mit hämischen und bösartigen Kommentaren versehen. Das, was sich heute nach dem Sturz von Wirtschaftsminister Peter Altmaier beim Digital-Gipfel 2019 im Netz zum Teil abgespielt hat, war auf jeden Fall unter aller Sau – eine andere Formulierung fällt mir dazu gerade nicht ein. Eigentlich bin ich ja ein friedlicher Zeitgenosse. Aber angesichts der Kommentare, die ich hier und da gelesen habe, wünsche ich diesen Schmierfinken wirklich jede Art von Pest an den Hals. Peter Altmaier dagegen wünsche ich von ganzem Herzen gute Besserung, ganz unabhängig davon, ob ich seine Politik nun gut finde oder nicht. Was soll ich sagen? Haben denn so viele die Goldene Regel vergessen: Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.