Made in Berlin

Als unser jüngster Enkel letzte Woche bei uns war, wurden Oma und er durch ziemlichen Lärm auf der Straße und beißenden Teergeruch nach draußen gelockt. Die beiden stürmten also aus dem Haus. Doch als sie an der Kreuzung angekommen waren, waren die Straßenbauer bereits weitergezogen, bis auf diejenigen, die noch den Teer und Split wie Kuchenstücke herausschneiden mussten, um die zugeschmierten Straßenabflüsse und Gullideckel frei zulegen. Dass dabei ziemlich viel Teer und Split in die Kanalisation bröselte, wunderte nicht nur Oma, sondern auch unseren Enkel, der nur trocken anmerkte: “Da kann ja gar nichts mehr ablaufen.” Dabei dürfte das dicke Ende erst noch kommen. Denn die Arbeiter haben so viel Split auf die Straße gekippt, dass der sich nunmehr schon an der Bordsteinkante sammelt und spätestens beim nächsten kräftigen Guss in den Untergrund gespült wird. Was soll ich sagen? Also, ich bin zwar kein Straßenbauer und auch kein Experte auf dem Gebiet. Aber dass das so State of the Art sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. Jedenfalls ist als Ergebnis festzuhalten: Die Straße ist gefährlicher, umweltschädlicher, fahrzeug- und straßenunfreundlicher sowie lauter geworden, da Fahrradfahrer wegen des vielen Splits nicht mehr vernünftig am Straßenrand fahren können, Unmengen an Teer und Split in die Kanalisation gelangt sind und noch weiter gelangen werden, die geparkten Fahrzeuge ebenso wie die angrenzenden nicht bearbeiteten Straßen durch den Split bereist ziemlich heftig in Mitleidenschaft gezogen wurden und die Straßengeräusche um einige Dezibel zugenommen haben. Na toll, aber eben: Made in Berlin.

StraßeStraßenbau “Made in Berlin” – State of the Art sollte eigentlich anders aussehen.

Kindergeräusche: Das Tedeum

Es ist nicht das erste Mal, dass Anwohner gegen Begleitgeräusche von spielenden Kindern vor Gericht gezogen sind, und es wird vermutlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Aber es zeigt doch wieder einmal ziemlich deutlich, wes Geistes Kind solche Menschen sind. Zum konkreten Fall: Es ging um eine private Grundschule im Berliner Stadtteil Zehlendorf, die erweitert werden und mehr Schüler aufnehmen soll. Nachbarn, deren Grundstücke an das Schulgelände grenzen, forderten nun per Klage vor dem Verwaltungsgericht eine Lärmschutzmauer sowie schallschutzisolierte Fenster in den Musik- und Gymnastikräumen – Gott sei Dank vergeblich, muss man sagen. Warum in demselben Stadtteil rund um Spielplätze und eine Kita zum Lärmschutz von Neubauwohnungen eine meterhohe Wand gezogen wird, obwohl gar keine Klage vorliegt, wissen vermutlich nur die Götter. Was soll ich sagen? Es hat schon seinen Grund, warum die Privilegierung von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen in § 22 des Bundesimmissionsschutzgesetzes das Wort “Kinderlärm” vermeidet und mit “Geräuscheinwirkungen” umschreibt. Das Wort “Kinderlärm”, auch wenn es von vielen verwendet wird, ist nämlich ein semantisches Paradoxon. Für normale Menschen sind Geräusche wie das Lachen, Singen und Kreischen von Kindern das Tedeum. 

Gerüchteküche-Küchengerüchte

Laut Duden ist die Gerüchteküche ein imaginärer Ort, an dem viele Gerüchte entstehen. Ist dieser Ort allerdings eine Küche, dann sind es eben Küchengerüchte. Die können auch spannend oder lustig oder beides sein. Jedenfalls wird sich Opa künftig jeden Samstag mit ihnen beschäftigen. Heute geht es um die Küchengerüchte zum Thema Kochen für kleines Geld.

Kochen ist in. Und die gehobene Küche ist – nicht zuletzt dank der zahlreichen Kochsendungen im Fernsehen – besonders beliebt. Die Frage, die sich viele stellen: Kann sich das denn jeder leisten? Um es kurz zu machen: Ja. Kochen mit hochwertigen Lebensmitteln muss nicht teuer sein und ist für kleines Geld möglich. Mehr noch: Es ist allemal preisgünstiger als bei jedem Fastfood-Anbieter und dazu noch viel gesünder. Wer jetzt behauptet, das stimme nicht, der sei hier eines Besseren belehrt: Man nehme zwei De Mayenne, das ist eine französische Weichkäse-Spezialität aus Frankreich, 500 Gramm frischen Spinat und ein Steinofen-Baguette zum Aufbacken, et voilà, fertig ist ein wunderbares Abendessen. (Das Rezept gibt’s in Opas Kochbuch.) Kostenpunkt pro Person: 3,53 Euro. Sollten Sie sich jetzt noch überraschenderweise den Luxus gönnen und ein Gläschen Wein dazu trinken wollen, begleitet selbstverständlich von Mineralwasser, kämen noch einmal 1,39 Euro dazu, wobei die Flasche Wein 0,75 Liter und die Flasche Wasser 1,5 Liter enthalten. Die Lebensmittel stammen von einem Discounter, der in eingeweihten Kreisen auch Feinkost Albrecht genannt wird. Sie könnten aber auch von jedem anderen Konkurrenten stammen, in gleicher Qualität, bei vergleichbarem Preis. Was soll ich sagen? À la bonne heure et bon appétit!

IMG_3723Kochen für kleines Geld – und lecker ist es auch noch.

Empörungs-La Ola

Keine Angst, es geht nicht schon wieder um die Fußball-Weltmeisterschaft. Allerdings erregt ein damit zusammenhängendes Thema derzeit die Gemüter so heftig, dass ich mir einen Therapieversuch nicht verkneifen kann. Also, statt des inhaltlich, choreographisch wie musikalisch sicherlich noch optimierbaren Auftritts einiger Nationalspieler – gemeint ist der sogenannte Gaucho-Tanz – biete ich ein paar vollkommen willkürlich herausgepickte aktuelle Themen für eine nationale Empörungs-La Ola an: Da leben bzw. hausen in einem mexikanischen Kinderheim namens “La Gran Familia” (Die große Familie) rund 600 Menschen unter menschenunwürdigsten Bedingungen – 20 Tonnen Müll in den Schlaf- und Speisesälen, verfaulte und verschimmelte Lebensmittel, ein Vegetieren zwischen Insekten und Ratten inklusive unmenschlicher Versklavung und schlimmsten sexuellen Missbrauchs – und die hoch dekorierte Heimgründerin und -leiterin Rosa del Carmen Verduzco erhält noch Solidaritätsadressen eines ehemaligen Präsidenten des Landes über Twitter. – Im Nahen Osten und in der Ukraine sterben täglich Menschen, darunter immer wieder viele Kinder, wegen des Einsatzes von Waffen, von denen einige sicherlich auch das Gütesiegel tragen: Made in Germany. – Apropos Germany, hierzulande ist für 1,6 Millionen Kinder eine Kindheit in Armut Normalität. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern ist die Lage prekär. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt liegt die Quote bei fast 25 Prozent. Und in Berlin ist jedes dritte Kind von Armut bedroht. – Trotz des seit 1. August 2013 bestehenden gesetzlichen Anspruchs auf einen Betreuungsplatz gibt es beim Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige  immer noch erheblichen Nachholbedarf. Während sich 41,7 Prozent der Eltern eine solche Betreuung wünschen, liegt die Quote nur bei 32,5 Prozent. – Im Fall Edathy haben sich die Verdachtsmomente offensichtlich derart erhärtet, dass die Staatsanwaltschaft Hannover jetzt Anklage gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos erhoben hat. Was soll ich sagen? Ich finde, bei all diesen Themen kann man sich wirklich aufregen.

„Bosheit ist kein Lebenszweck!“

„Max und Moritz machten beide, als sie lebten keine Freude“, heißt es in der Einleitung zu eben jener Bubengeschichte, die seit ihrer Erstveröffentlichung im Oktober 1865 Generationen von Kindern in ihren Bann gezogen hat. „Mit behaglichem Gekicher, weil du selbst vor ihnen sicher“, lauschen auch unsere beiden Enkel mit wachsender Begeisterung, wenn Opa die sieben Streiche dieser bösen Kinder vorliest, „die, anstatt durch weise Lehren sich zum Guten zu bekehren, oftmals noch darüber lachten und sich heimlich lustig machten.“ Und in der Tat ist ja das, was Max und Moritz der armen Witwe Bolte, Meister Böck, Lehrer Lämpel, dem Zuckerbäcker und Bauer Mecke antun, nicht von schlechten Eltern. „Aber, wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!!“ Da wird doch ziemlich deutlich: „Bosheit ist kein Lebenszweck!“, sondern rächt sich. Was soll ich sagen? Auch wenn die Geschichte dieser Bösewichter schon in die Jahre gekommen ist, hat doch die Darstellung und Unterscheidung von richtig und falsch sowie gut und böse nach wie vor ihre Berechtigung bzw. ist notwendiger denn je. Denn nicht einmal im Fernsehen mehr enden alle Kriminalgeschichten damit, dass am Ende das Gute siegt. Nur eben bei Wilhelm Busch bleibt es dabei: „Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei mit der Übeltäterei!“

IMG_1682 Opa liest seinen Enkeln “Max und Moritz” vor: Steckt dahinter etwa auch ein kluger Kopf?

An Tagen wie diesen …

An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit. Das wissen nicht nur die “Toten Hosen”. Spätestens seit gestern ist das in ganz Deutschland wieder – nach 1954, 1974 und 1990 – Allgemeingut. Während Oma und Opa das ganze Spektakel altersgerecht am Fernseher verfolgt haben, war unsere älteste Tochter mit ihrem Sohnemann mittendrin im Geschehen und hat nicht nur Geschichte geschaut, sondern war Teil von ihr. Weder die deutsche Fußball-Nationalmannschaft noch die Fans aus allen Teilen des Landes werden diesen Empfang des Fußball-Weltmeisters 2014 vergessen. Ob allerdings unser großer Kleiner realisiert hat, was da rund um ihn herum los war, wage ich zu bezweifeln. Aber wenn er einmal älter ist, kann er mit Fug und Recht behaupten: Ich bin dabei gewesen. Was soll ich sagen? Wer weiß, wie lange er und Deutschland auf einen solchen Moment wieder warten müssen. Das letzte Mal hat es 24 Jahre gedauert. In einem solchen Fall wüsste er aber dann spätestens in 2038, was sich anno 2014 in Berlin zugetragen hat.

IMG_1672An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit. Es wird Geschichte geschrieben …Pokal … und unser Enkel ist mittendrin.

Und noch eine WM-Nachlese

Ganz Brasilien schwärmt von den Deutschen und ihrer Fußballkunst. Mehr noch als Götze & Co. aber erobert ein kleiner Junge die Herzen der Südamerikaner: Unser ältester Enkel. Der hatte sich während der Fußball-Weltmeisterschaft irgendwann bedingungslos auf die Seite der Seleção geschlagen und mit der 1:7-Niederlage der gelben Trikotträger gegen Deutschland sein erstes persönliches Waterloo erlebt. Jedenfalls kriegte sich der kleine Mann angesichts dieser fußballerischen Schmach überhaupt nicht mehr ein und litt ebenso wie die Brasilianer selbst. Als die dann auch noch das Spiel um den dritten Platz gegen die Niederländer verloren, war die Enttäuschung erneut riesengroß, obwohl er unseren Nachbarn ja eigentlich wegen der Nationalität seiner Großmutter und der seiner holländischen Verwandten emotional etwas näher stehen müsste. Aber wo die Fußball-Liebe halt hinfällt. Von diesen Gefühlswallungen nun erzählte seine Mutter einer Brasilianerin, die das natürlich in ihre Heimat weitergab. Und dort macht jetzt diese herzzerreißende Geschichte die Runde und rührt die Menschen zu Tränen. Was soll ich sagen? Mit seinen Emotionen passt unser ältester Enkel ziemlich gut zu den Brasilianern. Und es gibt wahrlich unsympathischere Fußballmannschaften als Neymar und seine Mannen.

Bilder für die Ewigkeit

Es waren Bilder für die Ewigkeit, die die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien am Schlusstag lieferte: Das sensationelle Tor von Mario Götze in der 113. Minute der Verlängerung des Endspiels, das vom Kampf gezeichnete Gesicht von Sebastian Schweinsteiger, die nach dem Schlusspfiff jubelnden deutschen Spieler, der WM-Pokal in den Händen von Philipp Lahm sowie ein sichtlich zufriedener und tiefenentspannter Bundestrainer Joachim Löw. Ja, das waren Bilder für die Ewigkeit, die man nicht so schnell vergisst. Und dann gab es da aber noch weitere Bilder, die irgendwie neu und anders waren: Der große Sebastian Schweinsteiger unterhält sich mit dem kleinen Louis Gabriel Podolski auf Augenhöhe im Sechzehnmeterraum, Lukas Podolski kickt mit seinem Sohn ausgelassen auf ein Tor, dessen Netz längst abmontiert ist, Opa Klose macht ein Erinnerungsfoto von seinem Sohn Miroslav und dessen Zwillingssöhnen Luan und Noah, Jerome Boateng spaziert Hand in Hand mit seinen beiden Zwillingstöchtern Soley und Lamia über den Platz, Joachim Löw herzt euphorisch Frauen und Lebenspartnerinnen seiner Spieler. Was soll ich sagen? Ja, auch das waren Bilder für die Ewigkeit, die zeigen, dass die Mitglieder der deutschen Nationalmannschaft mehr sind als nur moderne Gladiatoren, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die auf ihre Familien genauso angewiesen sind wie andere auch. Es ist gut, dass der deutsche Fußball-Bund und dessen Trainer dem Rechnung tragen.

weltmeisterAuch das ein Bild für die Ewigkeit: Opa gestern Abend mit seinem Weltmeister-Schal.

Nervöser Papst

Der heutige Tag hat es in sich. Es ist Sonntag, Tag des Herrn. In praktisch allen europäischen und den meisten christlich geprägten Ländern gelten Einschränkungen der Sonntagsarbeit. In Deutschland ist die Sonntagsruhe über Artikel 140 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verankert. Er verweist auf Artikel 139 der Weimarer Verfassung, der da lautete: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ Doch mit der Sonntagsruhe dürfte es heute Abend spätestens um 21.00 Uhr vorbei sein. Dann nämlich pfeifft der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien an. Und das ist das Problem: Es spielt Deutschland gegen Argentinien, eben die beiden Länder, aus denen die beiden derzeit lebenden Päpste stammen. Mit Papst Franziskus und Papst-Emeritus Benedikt leben erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche zwei Päpste im Vatikan friedlich nebeneinander. Es wird berichtet, sie seien sogar befreundet. Da beide Männer diese Freundschaft sicher nicht auf Spiel setzen wollen, werden sie vermutlich – wie es sich für Päpste auch gehört – still und leise jeweils für ihre favorisierte Mannschaft beten. Was soll ich sagen? Jetzt kommt es also auf den lieben (Fußball-)Gott an, wem er mehr Gehör schenkt. In diesem Zusammenhang wird aus dem Vatikan folgendes Gespräch kolportiert: Franziskus zu Benedikt: „Du bist nervös.“ – Benedikt zu Franziskus: „Nein, ich bete.“ – Franziksus zu Benedikt: „Jetzt bin ich nervös.“

PäpsteAuch das WM-Magazin “11 FREUNDE TÄGLICH” des Berliner Tagesspiegel stellte unter der Überschrift “So sehen Segner aus” die Frage: “Wer glaubt mehr an den WM-Titel?” Spätestens heute Abend werden wir es wissen.