Wie im siebten Himmel

Oma und ich feiern heute unseren 43. Hochzeitstag. Laut Hochzeitstag-Liste heißt dieser Tag Bleihochzeit, weil, so steht es dort geschrieben, Blei ein nahezu oxidationsfreies und damit sehr haltbares Metall ist – wie eine Ehe nach 43 Jahren. Also, nichts mit bleierner Füßen oder Gedanken. Wir beide genießen derzeit unser Leben in vollen Zügen und können nach wie vor voll und ganz unterschreiben, was ich im letzten Jahr zu unserem 42. Hochzeitstag geschrieben habe: Es geht uns wirklich gut. Was soll ich sagen? Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, bis auf, dass wir ausgesprochen wohlgemut unserem 44. Hochzeitstag entgegensehen. Und das empfinden wir nun wirklich nicht als Griff nach den Sternen, auch wenn der Hochzeitstag in einem Jahr, warum auch immer, Sternenhochzeit heißt. Sicher ist aber, dass wir uns heute einmal mehr wie im siebten Himmel fühlen.

Brabants genieten

Unbezahlte Werbung

Obwohl die Niederlande mittlerweile mit 110 Sterne-Restaurants in der Gourmet-Königsklasse mitspielt – zum Vergleich: Das fünf Mal so viel Einwohner zählende Deutschland hat „nur“ 309 Sterne-Restaurants -, kann man im Alltag nicht gerade von einer anspruchsvollen Esskultur unseres Nachbarn sprechen. “Eten uit de muur”, Frittenbuden wie Sand am Meer oder indonesisch angehauchte Chinarestaurants en masse sind nur ein paar Stichworte, die die Situation beschreiben. Dennoch: Still und leise hat sich ein gastronomischer Mittelstand herausgebildet, der dem in Deutschland in Nichts nachsteht. Das sind kleine, aber feine Lokale, in der eine beachtliche Küche zu einem fairen Preis zu haben ist. Ein solches Beispiel ist das ’t Wevershuisje, das in Gemert in Nord-Brabant unweit der deutschen Grenze liegt. Die Speisekartenjedenfalls machen schon Appetit und Lust auf mehr. Und das Essen selbst hält, was die Webseite verspricht. Was soll ich sagen? Der Besuch hat sich nicht nur kulinarisch gelohnt. Auch der Service war gut und zuvorkommend. Selbst Sonderwünsche wurden anstandslos erfüllt. So zum Beispiel fand ich den kleinen Salzstreuer, der den großen in den „Friettenten“ nachempfunden ist und in dem Lokal die Esstische dekorierte, so toll, dass ich ihn kaufen wollte. Das brauchte ich nicht einmal und durfte ihn kostenlos mitnehmen. Dort ist der Kunde wahrlich König – „Brabants genieten“ eben.

Überflüssig wie ein Kropf

Heute ist in Berlin Feiertag: Frauentag. Was ich davon halte, habe ich hier ja schon geschrieben. Nun soll Oma zu Wort kommen: Sie hält vom Frauen-Feiertag ebensowenig wie ich und ihn so überflüssig wie einen Kropf. Recht hat sie. Bei uns zu Hause ist ohnehin das ganze Jahr Frauentag. Schon unsere Enkel wissen: Oma ist die Allerbeste. Auch unsere Kinder sind sich sicher. Mama ist die Beste. Und nicht zuletzt ich kann mit Gewissheit sagen: Ohne unsere Gute geht gar nichts. Was soll ich sagen? Wenn ein Zitat auf Oma zutrifft, dann ist es das Zitat von Katharine Hepburn: Frauen von heute warten nicht auf das Wunderbare – sie inszinieren ihre Wunder selbst.

Wasser predigen, Wein saufen

Heute morgen habe ich schlucken müssen. „Verkehrssenatorin: Berliner sollten ihr Auto abschaffen“, lautete die Überschrift auf der Titelseite unserer Zeitung. Wörtlich hatte die seit 2016 amtierende Senatorin gesagt: „Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen.“ Stattdessen sollten Pkw-Fahrer künftig mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder in gemeinsam genutzten Fahrzeugen von Sharing-Anbietern ihre Alltagswege zurücklegen. „Je weniger Autos auf der Straße, desto mehr Platz für jene, die wirklich auf das Auto angewiesen sind“, so Regine Günther, die zwar parteilos ist, aber für die Grünen im Senat sitzt. Warum ich so schlucken musste? Na ja, Oma und ich wollten uns gerade auf den Weg zur Humboldthain-Grundschule in Berlin-Wedding aufmachen, um dort im Rahmen von KINDER | KOCHEN einer sechsten Klasse einen Kochkurs zu geben. Die notwendigen Utensilien wie zum Beispiel die Lebensmittel für rund 25 Personen, ein paar Töpfe und ein Beamer waren in drei nicht gerade leichten Kisten sowie zwei mittelgroßen Tragetaschen verstaut. Natürlich haben wir den rund 20 Kilometer langen Weg mit dem Auto zurückgelegt, was nicht möglich gewesen wäre, wenn wir kein Auto mehr gehabt hätten. Unabhängig davon, ob wir derart bepackt überhaupt mit den Öffentlichen hätten fahren können, wir wären ja noch nicht einmal zur nächsten Haltestelle gekommen. Nun ist es sicherlich richtig, dass man nicht jeden Weg mit Auto machen muss. Nur hat man, wenn man das Auto einmal abgeschafft hat, noch nicht einmal mehr die Entscheidungsmöglichkeit. Unsere gemeinnützige Tätigkeit jedenfalls müssten wir einstellen. Denn jedes Mal neben den Kosten für Lebensmittel und sonstigem Kleinkram auch noch die nicht gerade günstigen Taxigebühren hinzublättern, würde uns schon etwas schwerfallen, und unseren anderen Kochpaten vermutlich ebenso. Jedenfalls gibt es bei uns keine Car-Sharing-Angebote und Lastenfahrräder, wenn die denn überhaupt gereicht hätten, haben wir auch nicht. Was soll ich sagen? Auch meine beiden Töchter wären vermutlich ziemlich überfordert bei ihren Bemühungen, Beruf und Familie inklusive Kindertransporte unter einen Hut zu bringen. Aber man lässt sich ja gerne eines Besseren belehren. Insofern hätte ich da einen Vorschlag: Nachdem die Senatorin einen Dienstwagen hat, könnte sie ja mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie leicht sie alle ihre Termine mit Fahrrad oder ÖPNV in dieser Stadt hinbekommt. Und auch die anderen beiden grünen Senatoren könnten das tun. Aber soweit reicht die Liebe zur Umwelt vermutlich dann doch nicht. Es ist halt immer leicht, Wasser zu predigen und Wein zu saufen. Denn mal Prost …

KINDER | KOCHEN, wie heute in der Humboldthain-Grundschule, würde es ohne Auto künftig nicht mehr geben.