In einer anderen Welt

Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht. Mit diesen Worten hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ihre Erklärung zum Angriff Russlands auf die Ukraine begonnen. Und in der Tat bedeutet der 24. Februar 2022 eine Zeitenwende in der Geschichte Europas, das gerade die größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt. Dabei hätte man es wissen können – und müssen. Die frühere Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer brachte das historische Versagen des Westens auf Twitter auf den Punkt:  „Wir haben nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet (…), was Putin wirklich abgeschreckt hätte.“ Schlimmer noch: Die Untätigkeit und die Halbherzigkeit Amerikas und Europas dürften den Despoten in Moskau eher noch animiert haben, seine Idee einer neuen Weltordnung mit Brachialgewalt voranzutreiben. Dass Putins Machthunger nach der wohl nicht mehr zu verhindernden Einverleibung der Ukraine gestillt sein könnte, ist eher unwahrscheinlich und unter der Rubrik Wunschdenken abzulegen. In diesem Zusammenhang sind es sicher nicht nur die baltischen Staaten, mit denen der Kreml-Chef liebäugelt, auch die südosteuropäischen Länder Rumänien und Bulgarien dürften für ihn von Interesse sein. Und dann ist da noch die russische Exklave Kaliningrad, zu der das Mutterland Russland vermutlich gerne einen direkten Zugang hätte, wodurch auch Polen involviert sein könnte. Was soll ich sagen? Wenn ich an meine Kinder und Enkelkinder denke, dann bin ich nicht nur traurig, sondern wütend. Auch wenn viele Vergleiche hinken, vielleicht auch dieser: Aber das Geschehen erinnert doch erschreckend an den 1. September 1939, als Deutschland Polen überfallen hat und damit die untauglichen Versuche der Alliierten, Hitler zu besänftigen, gescheitert sind. Auch damals waren es die Angegriffenen, die von der Propaganda der Nazis als die Schuldigen dargestellt wurden. So wiederholt sich dann doch die Geschichte und es sieht leider nicht danach aus, dass sich am weiteren Lauf der Dinge etwas entscheidend ändern würde. Ja, die Welt ist nicht mehr die, in der wir gestern eingeschlafen sind.

Meinungsfreiheit

Zum Fall Martenstein haben sich eigentlich schon genug und vermutlich auch berufenere Journalisten-Kollegen geäußert und ihr Unverständnis über das Vorgehen des Tagesspiegels und seiner Chefredaktion zum Ausdruck gebracht. Eigentlich. Aber das, was da passiert ist, ist Ausdruck einer Entwicklung, die noch einmal böse enden kann. Und deshalb werde auch ich noch meinen Senf zu der Causa hinzugeben, ganz egal, ob der allen schmeckt oder nicht. Worum geht bzw. ging es. Harald Martenstein hat am 6. Februar in seiner Kolumne im Tagesspiegel Folgendes geschrieben: „Wer den Hitlervergleich bemüht, der natürlich nie stimmt, möchte sein Gegenüber als das absolut Böse darstellen, als Nichtmenschen. Der Vergleich will Hitler gerade nicht verharmlosen, er macht ihn zu einer Art Atombombe, die einen politischen Gegner moralisch vernichten soll. Der Judenstern dagegen soll seine modernen Träger zum absolut Guten machen, zum totalen Opfer. Er ist immer eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung, er ist für die Überlebenden schwer auszuhalten. Aber eines ist er sicher nicht: antisemitisch. Die Träger identifizieren sich ja mit den verfolgten Juden. Jetzt werden auf Corona-Demos häufig Judensterne mit der Aufschrift ‚ungeimpft’ getragen. Von denen, die das ‚antisemitisch‘ nennen, würden wahrscheinlich viele, ohne mit der Wimper zu zucken, Trump mit Hitler und die AfD mit den Nazis vergleichen. Der Widerspruch in ihrem Verhalten fällt ihnen nicht auf.“ Das wurde, glaubt man dem Tagesspiegel, „sowohl innerhalb der Redaktion als auch von Leserinnen und Lesern stark kritisiert.“ Das wiederum hat den Tagesspiegel nach eigener Aussage nach vielen Gesprächen zu dem Schluss kommen lassen, „dass wir diese Kolumne so nicht hätten veröffentlichen sollen; wir haben diesen einen Beitrag deshalb online zurückgezogen.“ Dass Martenstein daraufhin entschieden hat, nicht mehr für den Tagesspiegel zu schreiben, ist nicht nur verständlich, sondern war auch konsequent und folgerichtig. Was den ganzen Vorgang so brisant macht, ist noch nicht einmal, dass ein Blatt, das sich für das Leitmedium der Hauptstadt hält, offensichtlich nicht in der Lage ist, tagesaktuell zu entscheiden, was journalistisch vertretbar ist und veröffentlicht werden kann. Auch, dass ein verdienter Journalist nach 34 Jahren Zusammenarbeit und unzähligen Texten wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird, – wenn auch schweren Herzens – geschenkt. Was aber eben gar nicht geht, ist, dass ein gestandener Autor mundtot gemacht wird, weil er nicht im moralisierenden Mainstream mitschwimmt. Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sind die Grundpfeiler unserer Demokratie mit garantierter Pressefreiheit. Wer an diesem Fundament sägt, spielt mit der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Was soll ich sagen? Demokratie ist die Voraussetzung für unseren Rechtsstaat. Vor diesem Hintergrund klingt es schon mehr als sonderbar, wenn der Tagesspiegel als Begründung für seine Löschung schreibt: „Wir verteidigen die Meinungsfreiheit, sind uns aber deren Grenzen bewusst. Dabei gilt: Nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspiegels angemessen.“ Beliebiger geht es nicht. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Um es mit den Worten des von mir gerne gelesenen römischen Dichters Ovid zu formulieren: Wehret den Anfängen. Noch ist es nicht zu spät.

Fliegende Kühe und Wolpertinger

Der 18. Februar hat es in sich: Ehrentag der Daumen, internationaler Iss-Eis-zum-Frühstück-Tag, Tag des Weintrinkens, Tag der Batterie, internationaler Tag der Entdeckung Plutos und, jetzt halten Sie sich fest, Tag der fliegenden Milchkuh. Also, Oma und ich haben uns spontan für letzteren Tag entschieden, zumal wir bei unseren bisherigen Aufenthalten im Allgäu keine fliegenden Kühe gesehen haben. Dafür aber jede Menge Wolpertinger, die  tief verborgen in den Wäldern Bayerns und in den Alpen leben. Die Jagd nach ihnen ist recht schwierig, weil sich die scheuen Wesen nur bei Vollmond zeigen. Manche Viecher kann man nur fangen, wenn man ihnen Salz auf den Schwanz streut. Nach Angaben im Münchner Jagd- und Fischereimuseum ernähren sie sich ausschließlich von „preußischen Weichschädeln“. Was soll ich sagen? Do legst di nieda!

Wenn die Realität Satire überholt

Heute ist der Safer Internet Day. In mehreren Ländern Europas sollen Menschen aller Altersgruppen dazu bewegt werden, dem Thema Sicherheit im Internet mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Auf Initiative der Europäischen Kommission soll durch das 1999 gestartete Safer Internet Programm die Medienkompetenz bei Kindern, Eltern und Lehrern gefördert und sie für Gefahren im Netz sensibilisieren werden. Das ist gut und richtig so. Was leider nicht so gut ist, ist der Umstand, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung im weltweiten Vergleich, um es noch ein wenig freundlich zu formulieren, unter ferner liefen rangiert. Sicherlich hat die Pandemie in einigen Bereichen zu einem spürbaren Digitalisierungsschub geführt. Aber in weiten Teilen blieb und bleibt das Land weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Vor allem bei Behörden und Schulen ist der Status quo erschreckend. Was soll ich sagen? Wenn das alles nicht so traurig wäre, könnte man ja herzhaft lachen, vor allem wenn man sich die Geschichte vor Augen führt, die extra3 ausgegraben hat:

Wenn am Ende ein Pferd schneller als das Internet ist, kommt einem unwillkürlich der deutsche Journalist und Satiriker Wolfgang J. Reus in den Sinn, der es einmal so auf den Punkt gebracht hat: “Die Realität übertrifft die Satire”, seufzte der Satiriker, “dabei sagte mir gestern ein Realist, die Satire wäre noch nie real gewesen…”