Gedanken über Anfang und Ende

Es hat ganz offensichtlich etwas mit dem Lebensalter zu tun. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass ich mich in jungen Jahren mit meinem eigenen Tod beschäftigt hätte. Gedanken darüber haben sich erst im Lauf der Jahre eingestellt oder eben gesundheitsbedingt, als mir beispielsweise eine künstliche Herzklappe eingestellt wurde. „Vor meiner Geburt war ich doch auch nicht dabei, warum beunruhigt mich die künftige Abwesenheit so viel mehr?“, fragt Rüdiger Safranski in seinem jüngsten Buch ZEIT Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen und bringt damit das Dilemma ganz gut auf den Punkt. Aber es finden sich auch ausgesprochen tröstliche Worte, wenn man sie denn an sich heranlassen will: „Würden die Menschen es lernen, das Ende mit dem Anfang zu verbinden, würden sie sich also eingebettet fühlen können in den regenerativen Lebensprozess, dann würden sie ihr Sterben nicht mehr als Vernichtung ihres Lebens, sondern als Einkehr ins umfassende Leben verstehen können.“ Das sei viel verlangt, gibt Safranski zu, denn es setze voraus, von sich selbst absehen zu können und das Leben, bei dem man nicht mehr dabei ist, mit derselben Teilnahme anzusehen, wie wenn man dabei wäre. „Man müsste“, so der 70-jährige Philosoph, „innerlich an einer Zukunft teilnehmen können, die einen selbst ausschließt. Doch schließt sie einen wirklich aus? Nein, sie tut nichts dergleichen. Es kommt einem nur so vor, wenn man nicht aufhören kann, alles auf sich selbst als Mittelpunkt zu beziehen.“ Was soll ich sagen? Bis dahin, sich zu freuen, dass das Leben weiter geht, auch ohne einen, ist es für die meisten Menschen ganz sicherlich ein weiter Weg. Um ihn überhaupt zu beschreiten, kann Safranskis Buch durchaus ein Wegweiser sein. Wer mehr darüber lesen möchte, kann dies bei Opas Tests und Kritiken in der Rubrik Bücher tun.

Safranski_23653_MR1.indd                                                                                 Rüdiger Safranski: ZEIT                                                                                             Hanser Verlag, 28. August 2015, 272 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-446-23653-0

Etwas Größe ist gut, aber …

Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Als unser jüngster Enkel sich einen niemals endenden Hamburger wünschte, musste Opa an dessen Vater denken. Der hatte uns vor Jahren einmal zu einem Hamburger-Essen eingeladen, bei dem es Hamburger gab, die vermutlich ziemlich genau in das Beuteschema unseres kleinen Vielfraßes gepasst hätten. Was soll ich sagen? Da fällt mir der Satz des amerikanischen Schauspielers und Diplomaten Eric Allen Johnston (1896 – 1963) ein, der einmal gesagt hat: “Die beredsame Lektion der Dinosaurier ist, daß etwas Größe gut, aber Übergröße nicht notwendigerweise besser ist.

Hamburger Wohl wahr: Etwas Größe ist gut, aber Übergröße nicht notwendigerweise besser.

Von wegen hier geht die Post ab

Bei der Post wird gestreikt, mittlerweile unbefristet. Mein heutiger Post ist davon glücklicherweise nicht betroffen. Auch nicht der von morgen und übermorgen. Dabei kommt das Wort Post von to post. Das ist Englisch und heißt so viel wie mit der Post verschicken. Aber eben nur virtuell. Das hat, wie man sieht, in diesem Fall Vorteile. Das ist nicht immer so. Ein virtuelles Essen beispielsweise macht nicht wirklich satt. Aber bleiben wir bei der Post. Die bietet seit geraumer Zeit auch E-Post an: „Meine ganz Post – immer und überall dabei“, lautet das Motto. Also habe ich mich registriert. Doch von wegen „Briefpost mobil empfangen“. Die Briefe, auf die ich warte, habe ich dort auch nicht gefunden. Aber so ist das mit werblichen Botschaften. Da wird halt immer ein bisschen geflunkert. Und überhaupt ist das mit der elektronischen Post so eine Sache. Auf die Freude, mal wieder eine Briefmarke zu entdecken, die nicht abgestempelt wurde, kann man lange, um nicht zu sagen vergeblich warten. Auch elektronische Liebesbriefe haben nicht den Charme von Briefen aus Papier, das nach dem Parfüm der Liebsten riecht und einen Kussmund mit echtem Lippenstift enthält. Ach, das waren noch Zeiten, als Opa und Oma sich Liebesbriefe geschrieben haben. Aber das ist schon lange her. Was soll ich sagen? So langsam schwant mir, was ältere Menschen mit dem Satz meinen: Früher war alles besser.

PS: Schon Karl Valentin wusste es: Die Zukunft war früher auch besser!

LiebesbriefeLiebesbriefe von Oma und Opa aus einer fernen Zeit, als Oma noch Fräulein war.

Natur-Analphabetentum

Der Biologie-Professor Marcus Hammann von der Universität Münster konnte es kaum fassen. „Ich hatte eine Gruppe Erstsemester aus Berlin zu Gast. Von denen wusste nicht einer, wie eine Amsel aussieht”, sagte er der Freien Presse in Chemnitz und beklagte das Natur-Analphabetentum. Das Problem liege im Rückzug aus der Natur. “Man trifft sich eher zu Spielpartys am Computer, als draußen Erlebnisse zu sammeln. Ich weiß nicht, wie viele überhaupt schon mal einen Bach angestaut haben, wie wir das früher gemacht haben”, wird Hammann zitiert. “Naturerfahrungen werden meist nur noch medial vermittelt.” Daraus entstehe eine Art Teufelskreis. Bei unseren Kindern und Enkelkindern ist das Gott sei Dank anders. Als unsere Kinder klein waren, haben wir in Bayern auf dem Land gewohnt. Insofern kennen sie Tiere nicht nur aus dem Fernsehen. Und unsere Enkel, die in Berlin aufwachsen? Aufgrund der Naturverbundenheit ihrer Eltern, die mit ihnen an Wochenenden immer wieder in die Natur gehen, gehören sie nicht zu denen, die die Farbe von Kühen mit lila angeben. Was soll ich sagen? Vielleicht hatte Bertold Brecht ja recht, als er sagte: „Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte.“

IMG_0707Mit der Natur auf Du und Du: Unser ältester Enkel bei seinem Besuch in den Niederlanden.

Omas Morgenröte

Oma und Opa sind leidenschaftliche Langschläfer, eigentlich. Denn manchmal überkommt es einen von uns, der dann an seniler Bettflucht leidet. Heute morgen war es Oma, die sich irgendwie durch rosafarbene Vorhänge und Tapeten irritiert fühlte. Ursache für das ungewohnte Farbenspiel war eine Morgenröte, wie sie im Buche steht. Apropos Buche: Auch im Buch der Bücher, der Bibel, findet dieses Naturphänomen seinen Niederschlag: “Des Abends sprecht ihr: es wird ein schöner Tag werden, denn der Himmel ist rot. Und des Morgens sprecht ihr: Es wird heute Ungewitter sein, denn der Himmel ist rot und trübe. Über des Himmels Aussehen könnt ihr urteilen; könnt ihr dann nicht auch über die Zeichen der Zeit urteilen?”, heißt es bei Matthäus (XVI, Vers 2 und 3). In der Literatur wird ein roter Himmel oft als Bote für Krieg angesehen. So schreibt Friedrich Schiller in seinem Wallenstein: Am Himmel geschehen Zeichen und Wunder, und aus den Wolken blutigrot Hängt der Herrgott den Kriegsmantel runter. Bei Johann Wolfgang von Goethe liest sich das im Faust 2 so: Der Horizont hat sich verdunkelt, Nur hie und da bedeutend funkelt Ein roter ahnungsvoller Schein; Schon blutig blinken die Gewehre, Der Fels, der Wald, die Atmosphäre, Der ganze Himmel misch sich ein. Friedrich Nietzsche benannte seine in einem Buch festgehaltenen Gedanken über die moralischen Vorurteile “Morgenröte”. Dagegen bleiben die diversen Bauernregeln bei der Wettervorhersage und bringen es auf den Punkt: Abendrot, Schönwetterbot’ – Morgenrot, schlecht Wetter droht. Was soll ich sagen? Mein Blick aus dem Fenster bestätigt das: Es regnet …

IMG_0579Omas Farbdefinition für diesen Himmel: Schlüpfer-Rosa – aufgenommen um 6.47 Uhr.IMG_0581

Die wahren Sicherheitslücken

Von den Schwiegereltern unserer ältesten Tochter bekam Oma jetzt eine Mail, die mit einem Bildchen den Spruch des Tages dokumentieren sollte: “Vergesst Facebook und Google! Die wahren Sicherheitslücken für privateste Daten sind Vierjährige im Kindergarten.” Irgendwie kam mir der Spruch bekannt vor. Und in der Tat: In der Huffington Post zitierte Béa Beste den Spruch im September letzten Jahres und verwies dabei auf Patricia Cammarata alias Dasnuf, die wiederum im Januar 2013 einen Tweet von Gebbi Gibson aus demselben Monat aufgegriffen hatte. Wie auch immer: Kinder bis zu sechs Jahren verstehen noch nicht viel vom Hüten von Geheimnissen, wissen Pädagogen aus wissenschaftlichen Büchern und Eltern eben aus Erfahrung. Denn wer kennt nicht die peinlichen Situationen, in denen der eigene Nachwuchs in aller Öffentlichkeit lautstark mit unangenehmen Fragen aufwartet. Die BILD hat das mal in einer Werbekampagne aufgegriffen unter dem Motto: Nichts ist härter als die Wahrheit. Da fragt dann an der Kasse ein Mädchen seine Mutter: Und was ist mit dem Parfüm in deiner Tasche? Oder im Wartezimmer eines Arztes: Mama, kriegt man bei jedem Urlaub die Syphllis. Das Video zeigt noch mehr Beispiele, die vermutlich alle ziemlich nah an der Wahrheit liegen. Was soll ich sagen? Deshalb wusste der Volksmund schon immer: Was du hast im Haus, das plaudere nicht vor andern aus. Und für ein Kind galt um so mehr: Du darfst alles essen, aber nicht alles wissen.

                              Nichts ist härter als die Wahrheit …

Ein Hauch von Winter

“Januar ganz ohne Schnee tut Bäumen, Bergen und Tälern weh”, lautet eine alte Bauernregel. Da können wir in Berlin ja nur von Glück sagen, dass es am 31. Januar gerade noch für einen leichten Schneeüberzug gereicht hat. Jedenfalls präsentierte sich am Morgen bei strahlend blauem Himmel ein Hauch von Winter, der schöner nicht hätte ausfallen können. Dass es da niemanden mehr zu Hause gehalten hat und sich alle zu einem ausgiebigen Winterspaziergang aufgemacht haben, versteht sich da von selbst. Was soll ich sagen? Jetzt können wir nur hoffen, dass auch der Februar ein paar weiße Flocken bereit hält. Denn, so eine andere Bauernregel: “Im Hornung Schnee und Eis, macht den Sommer lang und heiß.”

IMG_0386Ein Hauch von Winter in Berlin.

Hölle Elternabend

Als Großeltern kann man sich beim Thema Elternabend ganz entspannt zurücklehnen. Denn diese Hölle, durch die alle Eltern hindurch müssen, haben sie längst hinter sich. Oma und Opa kommen, so habe ich ausgerechnet, auf mindestens 32 Elternabende, wobei ich davon ausgegangen bin, dass pro Jahr ein solcher Abend stattgefunden hat. Aber es waren sicher mehr. Denn irgendeine Klassenfahrt, eine Klassenraumrenovierung, ein problematischer Mitschüler oder sonst ein Problem findet sich als Anlass immer, um die Mamas und Papas einmal mehr in ein meistens total überfülltes Klassenzimmer zu bitten, in dem sich dann erwachsene Menschen auf für sie viel zu kleinen Stühlen wiederfinden – und sich dann zuweilen auch noch ziemlich kindisch benehmen. Kein Wunder also, dass sich die Unterhaltungsindustrie des Themas angenommen hat. Aktuelles Beispiel: Frau Müller muss weg! lautet der Titel eines jetzt angelaufenen Films von Sönke Wortmann. Aber auch Bücher gibt es genug. Erst letztes Jahr erschienen ist Schlachtfeld Elternabend. Und in der Tagespresse erfreut sich der Elternabend ebenfalls wachsender Beliebtheit. Zuletzt waren im Tagesspiegel fünf wahrlich amüsante Erfahrungsberichte zu lesen, die leider online nicht abrufbar sind. Was soll ich sagen? Einer der Tagesspiegel-Autoren schloss seinen Beitrag mit dem Satz: “Die Fortsetzung der Elternabende mit ähnlichen Mitteln sind übrigens die sogenannten Wohnungseigentümerversammlungen.” Wer möchte dem widersprechen.

 Der offizielle Trailer: Frau Müller muss weg!

Schlange – Drache – Holz-Ziege

Die Tage des Jahres 2014 sind gezählt, der Jahreswechsel steht unmittelbar bevor. Damit haben Wahrsager und Horoskope Hochkonjunktur. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich in diesem Zusammenhang chinesische Horoskope, von denen Oma und Opa jetzt ein aktuelles in die Hände gefallen ist und in dem sie sich sogar ein wenig wiederfinden. Während diese Kurzform etwas hölzern klingt, ist eine ausformulierte Variante, die Opa im Internet gefunden hat, viel netter und ansprechender zu lesen. Entsprechend dem Grundsatz “Ladies first” fangen wir mal mit Oma an, die im Zeichen der Schlange geboren ist und wie folgt beschrieben wird: “Schlange-Geborene sind charismatisch, denn hinter der zurückhaltenden Fassade sind sie empfindsame und nachdenkliche Wesen, die über eine feine Beobachtungsgabe und einen scharfen Verstand verfügen. Eine Schlange hat viel Gespür für die anderen, gibt aber selbst wenig von sich preis und vertraut nicht gleich jedem. Sie ist friedliebend und eckt nicht gern an. Aber sie kann manipulierend sein. Wer sich von ihrer kühlen distanzierten Art nicht verunsichern lässt, entdeckt dahinter einen humorvollen, warmen, vielschichtigen und unabhängigen Charakter mit viel Tiefgang.” Opas Beschreibung liest sich wie folgt: “Im Zeichen des Drachen Geborene sind imposante, überaus aktive und entschlossene Menschen, die mit Glück, Reichtum und Macht gesegnet sind. Großherzig und kraftvoll begegnen sie dem Leben. Als Macher brauchen sie eine besondere Aufgabe, ein Ziel, auf das sie hinarbeiten können. Drachen sind stolz, Kleinlichkeit oder Hinterlist sind ihnen fremd. Sie gelten als überaus begabt, enthusiastisch und liebenswürdig, aber dank ihres gesunden Selbstbewusstseins sind sie sich ihrer Großartigkeit auch bewusst und brauchen viel Anerkennung.” Und auch das kommende Jahr lässt hoffen: “2015 ist das Jahr der Holz-Ziege und damit dürfen wir uns auf harmonische Zeiten freuen. Die Ziege steht für Sanftmut, Frieden, Liebe, Kooperation und Hilfsbereitschaft und das Holz für Kreativität und Produktivität. So könnten jetzt viele neue Ideen umgesetzt werden, bei denen Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit und soziale Fairness im Vordergrund stehen. Politisch lässt das Jahr nach den wachsenden Konflikten der letzten Monate auf friedliche und diplomatische Lösungen hoffen. Im privaten Umfeld werden wir endlich wieder mehr Zeit für die Liebe und Familie haben. Ein versöhnliches und liebevolles Miteinander wird begünstigt und für einsame Herzen steigen die Chancen, sich zu verlieben.” Was soll ich sagen? Egal, ob das Zitat von Mark Twain, Winston Churchill, Kurt Tucholsky oder wem auch sonst stammt: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Horoskop1Haben gerade Hochkonjunktur: Chinesische Horoskope.

Das Schlüsselloch

So, Weihnachten ist also auch schon wieder vorbei. Gott sei Dank liegen die Fest- und Feiertage dieses Jahr so, dass wir vom Ernst des Lebens noch ein wenig verschont bleiben und es erst im nächsten Jahr wieder so richtig losgeht. Insofern bleibt auch ein wenig Zeit für die eine oder andere Weihnachtsnachlese: Der Umstand, dass Kinder vor dem 24. Dezember neugierig sind wie Harry und unbedingt das Christkind bzw. den Weihnachtsmann sehen wollen, ist vermutlich so alt wie das Weihnachtsfest selbst – zumindest seit der Zeit, zu der es erstmals Geschenke gab. Und ebenso alt ist vermutlich auch die Erkenntnis der Kinder, dass man das Christkind bzw. den Weihnachtsmann einfach nicht zu Gesicht bekommt. Dass es bzw. er hingegen die neugierigen Kinder beim Blinzeln durchs Schlüsselloch beobachtet, passiert schon mal öfters. Jedenfalls haben das Christkind und der Weihnachtsmann, der ihm in unserer Familie beim Geschenkeverteilen hilft, unseren jüngsten Enkel dabei ertappt, wie er durch das Schlüsselloch geblinzelt hat – allerdings vergeblich, wie nicht anders zu erwarten war. Was soll ich sagen? Ich versuch’s mal mit Wilhelm Busch: Das Schlüsselloch wird leicht vermißt, wenn man es sucht, wo es nicht ist.

SchlüssellochNicht viel zu sehen – egal aus welcher Perspektive.Schlüsselloch2