Von Normalität weit entfernt

Es ist schon verrückt: Man hat das Gefühl, die Erde dreht sich immer schneller und ändert sich von Tag zu Tag. Und dann wieder stößt man auf Dinge und muss feststellen: Es ändert sich gar nichts oder zumindest nicht viel. Ein solches Erlebnis hatten jetzt Oma und ich, als wir alte Fotoalben durchforsteten. Da fiel uns ein Zeitungsartikel in die Hände, der vor sage und schreibe 28 Jahren erschienen ist und aus der Feder von Oma stammte. Präsent hatten wir ihn nicht mehr. Aber nach der Lektüre kamen wir ziemlich überrascht überein, dass der Text an Aktualität kaum etwas eingebüßt hat. Doch lesen Sie selbst:

Von Normalität sind wir noch weit entfernt

Kaum ein anderes Volk hat so große Schwierigkeiten mit dem Nationalgefühl wie die deutschen – und wird so genau beobachtet

Allein im Februar 1993 gab es in Deutschland 429 ausländerfeindliche Straftaten. Elly Mickers, selbst Niederländerin, hat das Thema Deutsche und Ausländer einmal aus der Perspektive einer Ausländerin betrachtet, die seit Jahren in Deutschland lebt:

Sind die Deutschen ausländerfeindlich? Diese Frage beschäftigt in diesen Tagen vor allem Menschen wie mich, die, nach wie vor mit einer anderen Nationalität ausgestattet, seit vielen Jahren hier leben.

Vorab: ich bin Niederländerin und seit fast 17 Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Wir haben zwei Kinder im Alter von elf und 14 Jahren und sind mit diesen bereits sechsmal innerhalb Deutschlands umgezogen. In all dieser Zeit hat es weder mir noch meinen beiden Töchtern gegenüber, die beide Nationalitäten haben, ausländerfeindliche Erscheinungen gegeben.

Nun kann dies nicht besonders verwundern. Sprache und Äußeres lassen nicht auf eine ausländische Herkunft schließen. Doch frage ich mich immer öfter, wie es wohl wäre, wenn entweder mein Deutsch oder mein Aussehen sofort erkennen ließen, daß ich aus dem Ausland käme.

Die Bilder von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und anderswo sind mir noch deutlich in Erinnerung. Und nach wie vor bin ich erschüttert über das, was alles geschehen ist. Nie hätte ich geglaubt, daß so etwas passieren kann. Doch so schrecklich die Ereignisse auch waren und sind: Dies alles ist nicht charakteristisch für Deutschland. Aber kein Volk steht so auf dem Prüfstand der internationalen Gemeinschaft wie das deutsche. Ähnlich problematisch stellt sich das Thema Nationalbewußtsein dar. So ist es eine Tatsache, daß sich mein Mann nicht so selbstverständlich zu seiner Nationalität bekennen kann wie ich zu meiner. Dabei will ich gar nicht das Wort „stolz“ strapazieren. Aber, und auch darum habe ich heute noch meine Nationalität: Ich bin gerne Niederländerin. Gäbe mein Mann ein entsprechendes Bekenntnis ab, er würde sowohl in Deutschland als auch im Ausland wohl sehr skeptisch betrachtet. Was auch immer, bei all diesen Überlegungen bleibt die traurige Erkenntnis, daß wir von Normalität im Zusammenhang mit Deutschland und den Ausländern bzw. dem Ausland noch weit entfernt sind. Dabei wäre gerade sie vermutlich der Schlüssel, um der Lösung des Problems näher zu kommen. Wir müssen es schaffen – und das geht weit über Deutschland hinaus -, im Umgang miteinander zu einer Form zu finden, die geprägt ist von natürlichem Respekt, Anstand und Toleranz.

Das gilt im übrigen gleichermaßen für in Deutschland lebende Ausländer, die nun vereinzelt glauben, sie könnten sich alles erlauben, da man sie ohnehin kaum oder nur schwer zu Rechenschaft ziehen könne, ohne daß sofort der Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit erhoben würde. Doch ist das – Gott sei Dank – genausowenig typisch für alle Ausländer wie die Ausschreitungen für ganz Deutschland.

Was soll ich sagen? Je länger ich den Text auf mich wirken lasse und darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Ergebnis, dass sich nicht nur nichts geändert hat, sondern noch neue Probleme dazu gekommen sind: Struktureller Rassismus, Antisemitismus nicht nur von Deutschen, sondern auch von Menschen insbesondere mit (arabischem) Migrationshintergrund, (a)soziale Ausgrenzung in den (a)sozialen Medien und eine weiter voranschreitende Verrohung der Gesellschaft insgesamt. Dabei wäre alles so einfach, wenn die Menschen doch nur die wohl von dem englischen Schriftsteller Charles Reade (1814–1884) stammende Weisheit beherzigen würden, die da lautet: “Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.”

Das Leben ist schön

Brandenburg hat was. Am Pfingstmontag, der dann doch sehr viel sonniger wurde als angekündigt, haben wir unser Cabrio ausgeführt – und es genossen. Fast war es der Himmel auf Erden, wie auf dem zweiten Bild zu sehen ist. Schon als ich unser Schätzchen aus der Garage abholte, blinkte es mich ganz verzückt an. Dann wurden die notwendigen Utensilien wie Picknickdecke, Picknickkorb und Kaffee eingepackt. Oma hatte zur Feier des Tages eine Koude Schotel gemacht, ein holländischer Kartoffelsalat zum Reinlegen, inklusive hart gekochter Eier. Und los ging’s. Zirka drei Stunden waren wir südlich von Berlin unterwegs – inklusive Pause, die wir sozusagen hinterm BER verbrachten und von dem in dieser Zeit gerade mal eine Maschine startete. Was soll ich sagen? Das war ein Tag, der Corona fast vergessen ließ, zumal der weiß-blaue Himmel bayerischer nicht hätte sein können. Insofern können wir das Ergebnis einer jüngst veröffentlichten Umfrage nicht bestätigen, wonach signifikante Rückgänge der Lebenszufriedenheit auch und vor allem bei den Älteren über 50 Jahren festzustellen sind. Wir finden: Das Leben ist schön.

… wenn wieder alles gut wär

Schnee im Mai, April vorbei, lautet eine uralte Bauernregel, die sich allerdings bis zu den Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) nicht herumgesprochen hatte. Am Freitag jedenfalls schneite es in Berlin (und Brandenburg) und verblüffte die Wetterfrösche vom DWD: „Das haben wir in dem Ausmaß nicht vorhergesagt, das hat uns selbst ein bisschen überrascht.“ So kann’s gehen. Dabei ist eigentlich der April berühmt und berüchtigt dafür, dass er macht, was er will. Aber Wonnemonat Mai war bislang jedenfalls nicht bekannt dafür, dass er zu besonderen Wetterkapriolen neigt. So konnte beispielsweise die Wetterstation im benachbarten Potsdam erst drei Mal nach 1983 Schnee im Mai registrieren. Aber das Wetter ist eben auch nicht mehr, was es einmal war. Was soll ich sagen? Da kommt einem doch glatt Heinz Ehrhardt in den Sinn: “Früher war alles gut, heut ist alles besser. Besser wäre, wenn wieder alles gut wär.”