Jesus. Eine Weltgeschichte (II)

Der erste Teil von Jesus. Eine Weltgeschichte beginnt behutsam, um dann gleich den ersten Kracher zu zünden: „Wir tasten uns langsam an Jesus heran. Und gehen dafür weit zurück“, schreibt Markus Spieker. „Ganz weit zurück.“ Und jetzt kommt es. Man fühlt sich plötzlich in die Welt von George Lucas hineinkatapultiert: „Vor langer, langer Zeit in einer weit entfernten Galaxie“, beginnt die Rückschau, die nicht zufällig die Assoziation zu Star Wars weckt. Vielmehr will Spieker, das wird auch in seiner lebendigen und jungen Sprache deutlich, nicht nur eine begrenzte Elite von Theologen ansprechen, sondern „die spannendste Persönlichkeit aller Zeit“, wie er Jesus schon in seinem Intro beschrieben hatte, einem breiten Publikum nahe bringen und ans Herz legen. Dabei ist die leicht veränderte Wortwahl sicherlich bewusst gewählt. So heißt es nicht wie im Vorspann der Lucas-Filme „vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“, sondern eben „vor langer, langer Zeit in einer weit entfernten Galaxie“. Das kann man getrost als ersten kleinen Hinweis auf die göttliche Ewigkeit interpretieren, zumal bei dem Ereignis, um das es da geht, Leben spendender Sternenstaub entsteht, „der danach durchs Universum regnet.“ Ich will das jetzt mal so stehen lassen. Denn beim Lesen dieses monumentalen Werkes merkt man immer wieder, wie begeistert der Autor vom Glauben an Jesus ist. Und so begeistert er auch seine Leser, mit denen er nun im Schweinsgalopp durch die Jahrhunderte fegt. Kaum einer oder etwas wird ausgelassen: Gilgamesh, Agamemnon, Echnaton, Buddha, Konfuzius, Zarathustra, Thales, Diagoras,  Alexander, Gyges, Sokrates, Platon, Aristoteles, Cicero, Hesekiel, Mose, Josua, David, Jona und Rut, die Pax Romana, Brot und Spiele – es ließe sich noch vieles aufzählen, was einen an die eigene Schulzeit erinnert, in der der eine oder andere im Griechisch- oder Lateinunterricht mit eben diesen Protagonisten oder Erscheinungen konfrontiert wurde. Während es dabei in letzter Konsequenz eher um Schulnoten ging, geht es Spieker um die „Suche nach dem verborgenen Gott“, den „Meisterplan“, die „Welt am Nullpunkt“ und insbesondere darum: „Das Licht geht auf“. Wer nun glaubt, sich bei der Lektüre in einem trockenen Priesterseminar wiederzufinden, irrt. Nein, es findet sich vieles, bei dem man denkt: Wow. Das hat einer im 2. Jahrhundert vor Christus zu Papier gebracht, obwohl es doch so nach heute klingt wie z.B. das welthistorische Gesetz des Schriftstellers Polybios. Der „erkannte“, schreibt Spieker, „dass Demokratien mit der Zeit zur Pöbel-Herrschaft degenerieren und Aristokratien in Tyrannei ausarten, dass irgendwann Anarchie, Umsturz und Neuanfang folgen, bevor der unselige Kreislauf von vorne beginnt.“ Irgendwie kommt einem das bekannt vor, auch aus jüngerer Zeit. Allerdings findet sich auch, zumindest für mich, Unbekanntes: „Vieles spricht dafür, dass die Ankündigung der Geburt Jesu und seine Geburt in die Jahre sechs und fünf vor Christi Geburt fallen“, beschreibt Spieker ein Paradoxon, für das der römische Mönch Dionysius Exitus verantwortlich zeichnet. Was soll ich sagen? Das klingt zunächst wirklich so absurd, dass man es wirklich selber lesen muss, was ja ab dem 11. September möglich ist, wenn das Buch erscheint. Bis dahin lese ich schon einmal weiter, wobei ich jetzt schon gestehen muss: So viel Spaß hat mir schon lange kein Sachbuch mehr bereitet. Dazu tragen vor allem diese Sätze bei, bei denen man das Gefühl hat, sie gehören in Stein gemeißelt: “Alles kann nur der, der auch auf alles verzichten kann.”

PS: Wussten Sie, dass sich aus dem Namen der Frau des Arminius, Thusnelda, “ganz nebenbei der umgangssprachliche Begriff ‘Tussi’ ableitet”?

Markus Spieker, Jesus. Eine Weltgeschichte.
Fontis-Verlag, Basel, 11. September 2020, 1.004 Seite, 30,00 Euro, ISBN 978-3-03848-1881