Auch nicht mehr das, was er war

Der Politische Aschermittwoch ist auch nicht mehr das, was er einmal war. 1953 von der CSU im niederbayerischen Vilshofen erstmals durchgeführt, wurde er von keinem Politiker so geprägt wie von dem bajuwarischen Urgestein Franz Josef Strauß, Gott hab ihn selig. Der spätere CSU-Chef polterte, was das Zeug hielt, und rechnete im „Wolferstetterkeller“ gnadenlos mit dem politischen Gegner ab, wobei keine Auge und vor allem keine Kehle trocken blieb. Die Deutsche Welle zitierte den Altmeister des Politischen Aschermittwochs über den „Geist von Vilshofen“ wie folgt: “So etwas hinterwäldlerisch, altertümlich, etwas Bierdunst und der Qualm von Virginias, selbstverständlich eine etwas, sagen wir mal, zurückgebliebene Bevölkerung, die einem primitiven Redner ihren Tribut spendet, was soll sie auch sonst tun: so erschien doch jahrelang das Wort Vilshofen. Das hat uns aber nicht abgeschreckt, möchte ich gleich sagen.” SPD, FDP und später die Grünen waren Hauptzielscheiben seiner verbalen Keulenschläge. Die SPD-Genossen verglich er einmal mit Christoph Kolumbus: „Auch er hat nicht gewusst, woher er kam, er hat nicht gewusst, wohin er fuhr, als er ankam, hat er nicht gewusst, wo er war, als er zurückkam, konnte er nicht sagen, wo er gewesen war.“ Das Zitat stammt aus 1977, zwei Jahre nachdem Vilshofen zu klein geworden und die CSU nach Passau in die Nibelungenhalle umgezogen war. Wer, wie ich, das Vergnügen hatte, dieses politische Spektakel auch live zu erleben, wird sich erinnern: Der Unterhaltungswert war und blieb ausgesprochen hoch. Ein paar Kostproben gefällig: “Von Viertel-Intellektuellen lassen wir uns nicht vormachen, was Intelligenz ist.” “Die SPD/FDP-Regierung, die auszog, Deutschland zu reformieren, in Wahrheit aber einen riesigen Saustall angerichtet hat.” “Weg mit den roten Deppen.” “Lassen sie sich von diesen Rattenfängern nicht einfangen.” “Grüne Ideen gedeihen nicht in den Quartieren der Arbeiter. Sie gedeihen in den Luxusvillen der Schickeria.” Und dem SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau attestierte er: “Das Kanzleramt und das Kanzlerhemd ist ihm um drei Halskragennummern zu groß“, um zu ergänzen: “Der kann seine Füße in den Kanzlerkandidatenschuhen umdrehen, ohne dass die Richtung der Schuhe verändert wird.” Aber das alles war einmal. Der Politische Aschermittwoch heute: Alles virtuell, ohne Bierzelt, ohne Menschen, ohne Bier und ohne Stimmung. Corona lässt grüßen. Was soll ich sagen? Vor allem, was würde Franz Josef Strauß sagen? Dem würde es vermutlich die Sprache verschlagen und er würde sich, wie er es einmal über Kurt Schumacher und die SPD geäußert hat, „im Grabe wie ein Ventilator drehen, wenn er sehen könnte, wie seine Nachfolger sein geistiges Erbe verwalten.”

Was würde Franz Josef Strauß dazu sagen? Die Ankündigung der CSU für ihren ersten virtuellen Politischen Aschermittwoch am 17. Februar 2021. (Screenshot von der Webseite der CSU)