Als Großvater, dem die Zukunft seiner Enkelkinder am Herzen liegt, wird mir manchmal angst und bange. Jedenfalls schüren die täglichen Nachrichten nicht gerade ungebremsten Optimismus in Bezug auf das, was unseren Kindern und Enkelkindern noch bevorsteht. Ein Thema, bei dem ein einzelner Mann eine ziemlich einzigartige Rolle spielt, entwickelt sich dabei immer mehr zur unendlichen Geschichte und macht mir besonders Sorgen. Es geht um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der offenbar ungehindert an den Grundfesten unseres demokratischen Systems rütteln kann, wie es ihm beliebt. Begonnen hat das ganze Drama mit einem Beitrag des NDR-Satiremagazins „extra 3“, über das sich Erdogan offensichtlich mächtig geärgert hat. Jedenfalls ließ er den deutschen Botschafter in der Türkei einbestellen, was diplomatisch schon eine größere Sache ist. Die Reaktion der Bundesregierung ließ etwas auf sich warten, mündete dann aber doch noch in der eher selbstverständlichen Klarstellung, dass die Presse- und Meinungsfreiheit nicht verhandelbar sei – der Flüchtlingsdeal mit der Türkei ließ bereits ein wenig grüßen. Zur Staatstaffäre entwickelte sich der Vorgang, als der Fernseh-Satiriker Jan Böhmermann mit seiner Schmäkritik noch einen draufsetzte. Da konnte Regierungssprecher Steffen Seibert gar nicht schnell genug mitteilen, dass Kanzlerin Angela Merkel das Böhmermann-Gedicht „bewusst verletzend“ finde, die in der Folge auch noch die Ermächtigung zur Strafverfolgung Böhmermanns erteilte. Als wenn das alles nicht schon schlimm genug gewesen wäre, eskaliert das Ganze nach der Resolution des Deutschen Bundestages, der nahezu einstimmig die Massaker und Vertreibungen der Armenier durch das Osmanische Reich als Völkermord einstufte, nun völlig. Denn danach lässt Erdogan wahre Hasstiraden auf die deutschen und vor allem türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten los und animiert damit seine ihm blind ergebenen Anhänger, diese mit Morddrohungen in bislang nicht gekanntem Ausmaß zu überziehen. Dabei unterstellt er ihnen mit Hinweis auf die verbortene kurdische Arbeiterpartei PKK, dass sie „von der separatistischen Terrororganisation in diesem Land die Verlängerung in Deutschland“ seien und attackiert Grünen-Chef Cem Özdemir: “Da kommt ein Besserwisser und bereitet etwas vor, das er dem deutschen Parlament vorschlägt. Ein Türke, sagen manche. Ach was, Türke. Ihr Blut sollte einem Labortest unterzogen werden.” Und was sagt die Bundesregierung? Deren Empörung hält sich in Grenzen, wenn man jedenfalls die Aussage des Regierungssprechers nimmt: “Wenn jetzt einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestags in die Nähe des Terrorismus gerückt werden, so ist das für uns in keiner Weise nachvollziehbar.“ Da waren die Worte von Bundestagspräsident Norbert Lammert – gottlob – schon deutlicher: “Jeder, der – auf welche Weise auch immer – Druck auf einzelne Abgeordnete auszuüben versucht, muss wissen: Er greift damit zugleich das ganze Parlament und unsere Demokratie an.“ Was soll ich sagen? Selbst für Realsatire taugt das alles schon lange nicht mehr. Man könnte es sich ja leicht machen und in Richtung Erdogan mit der lapidaren Aussage bewenden lassen: Der hat sie doch nicht mehr alle. Aber die Türkei will ja mit aller Macht Visafreiheit und in die EU. Insofern kann es da nur eine Antwort geben: Mit diesem Demokratieverständnis von Land, Leuten und Präsident wird das nichts – auf gar keinen Fall.
Ich glaube, lieber Opa, dass die Türkei -sprich Erdogan- längst von der Idee, europäisch zu werden, verabschiedet hat. E. weiß, dass er mit seinen Großwahn-Ideen, an das alte osmanische Reich anknüpfen zu wollen, ohnehin bei uns nicht landen kann. Selbst wenn ich mit dieser Einschätzung falsch läge, bin ich sicher, dass eine Visafreiheit, oder gar eine EU-Partnerschaft nicht mehr realisiert werden kann. Das ist auch gut so, weil wir zunächst einmal klug vorgehen müssen, die sicherlich noch nicht beendete Flüchtlingswelle in geordnete Bahnen zu lenken. Ich bin sehr für die Aufnahme von in Lebensgefahr schwebenden Menschen, denke aber, wir müssen mit der soften Masche aufhören, die Integrationsbereitschaft nur von unserer Seite, sprich von uns Deutschen zu fordern. Nein, Wer Teil von uns werden will, muss deutlich erkennbar machen, dass er bei aller Unterschiedlichkeit aktiv Integration betreibt. Wer nach einem Jahr nicht in deutsch mit uns kommunizieren will oder kann, wer seine Kinder nicht in unsere Schulen schickt (Riesenproblem), wer bei aller religiösen Unabhängigkeit sich nicht dazu bekennt, hier in einem christlichen Land leben zu wollen, wer sich nicht an demokratische Grundregeln hält, sollte es vorziehen, wieder nach Hause zu gehen. Diese Klarheit sind wir unserem Volke schuldig.