“Schlimmstenfalls schließen …”

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Beitrag ist eine absolute Ausnahme. Aber dieser Tage ist mir (wieder) ein Büchlein in die Hände gefallen, das so geistreich und amüsant zugleich ist, dass ich dafür unbezahlte Werbung machen muss. Gekauft habe ich das Buch wohl noch zu D-Mark-Zeiten, jedenfalls ist die Preisangabe auf der Rückseite in DM, wobei nur am Rande angemerkt sei, dass der Betrag heute in Euro nur unwesentlich niedriger ist als damals. Aber das tut dem Werk, das den einmaligen Titel “Nationalökonomologie” trägt und als 6., weiter er. Aufl. aus dem Jahr 1991 gekennzeichnet ist, keinen Abbruch. Um dem geneigten Leser einen kleinen Eindruck zu vermitteln, zitiere ich ein paar Zeilen aus einem der zahlreichen Beiträge und habe dafür – sozusagen aus lokalpatriotischer Sicht – den “McKinsey-Bericht über den Besuch bei den Berliner Philharmonikern” von Oswald Neuberger ausgewählt. Und der beginnt so: “Die vier Oboisten haben sehr lange nichts zu tun. Die Nummer sollte gekürzt werden und die Arbeit gleichmäßig auf das ganze Orchester verteilt werden, damit Arbeitsspitzen vermieden werden.” Da weiß man gleich: Wirtschaft(lichkeit) und Kunst – zwei Galaxien prallen aufeinander. Und es versteht sich von selbst, dass es in diesem Sinne weitergeht: “Die zwölf Geigen spielen alle dasselbe. Das ist unnötige Doppelarbeit. Diese Gruppe sollte drastisch verkleinert werden. Falls eine größere Lautstärke gewünscht ist, läßt sich das durch eine elektronische Anlage erreichen.” Hiernach spielt der Autor mit Zweiunddreißigstel- und Sechszehntelnoten, was hier allerdings keinen wesentlichen neuen Erkenntnisgewinn bringt und deshalb ebenso unter den Tisch fallen kann wie seine Überlegungen, Partituren wegen zu vieler Wiederholungen “gründlich” durchzuarbeiten, so dass “das Konzert, das jetzt zwei Stunden in Anspruch nimmt, nur noch schätzungsweise zwanzig Minuten” dauere, “so daß die Pause wegfallen kann.” Da ahnt man schon, dass es mit dem Konzertsaal kein gutes Ende nehmen wird, und ist insofern nicht sonderlich verwundert, dass es zum Schluss heißt: “Schlimmstenfalls könnte man ihn ganz schließen und die Leute in das Konzertkaffeehaus schicken…” Was soll ich sagen? Von dem Kaliber sind auch all die anderen Geschichten wie z.B. “Der alte Trapper”, “Eine Anmerkung zu den Opportunitätskosten des Heiratens” oder das “Anekdötchen”. Wem diese Art von Humor zusagt, der liest hier goldrichtig. Allerdings sollte man sich sputen. Der Verlag Mohr Siebeck hat mir zwar versichert, dass die mittlerweile 7., stark rev. Aufl. von 1994 noch lieferbar sei. Die Frage ist nur: Wie lange? Immerhin steht Weihnachten vor der Tür …

IMG_0030                                                         Hrsg. Orestes V. Trebeis, Nationalökonomologie.                                                                  Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, 1994, 287 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-16-146332-7

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