„Wenn Berlin ein Gedicht wäre“ lautet der Titel des 4. Kapitels, das der Versuch eines Psychogramms der Berlinbewohner sein soll. Doch damit treffen Harald Martenstein und Lorenz Maroldt in ihrem Stadt-Porträt „Berlin in 100 Kapiteln … von denen leider nur 13 fertig wurden“ den Nagel auf den Kopf, wobei Kapitel 8, das mit „Zurückbleiben bitte“ überschrieben ist, sozusagen einem Feinschliff bei der Darstellung des Berliners gleichkommt. Der Wiedererkennungswert jedenfalls beträgt für einen in der deutschen Hauptstadt lebenden Leser mindestens 100 Prozent, wenn nicht sogar mehr. Das liegt nicht zuletzt daran, dass vor allem Beispiele aus dem Kosmos des Berliner ÖPNV zur Beschreibung herangezogen werden. „Nimm deinen Zuckerarsch aus meiner Tür!“ hält dabei als Soft-Variante für die sprichwörtliche Berliner Schnauze her, „Schwing deinen Arsch in den Waggon, du Kanaille!“ als etwas rauere Fassung. Auch das detailliert beschriebene „Bremsbowling“, „also wie sich durch scharfe, unerwartete Bremsmanöver möglichst viele Leute im Waggeninneren umkegeln lassen“, das BVG-Fahrer angeblich in einem fiktiven Trainingszentrum erlernen, ist für leidgeprüfte ÖPNV-Nutzer eher die bittere Realität. Die Beispiele für treffsichere Beschreibungen des Berliner Alltags ließen sich endlos fortsetzen. Insofern ist den beiden Autoren wirklich ein großer Wurf gelungen, der für Neuberliner ein absolutes Muss und für Altberliner eine amüsante Bestätigung ihres Alltags ist. Was soll ich sagen? Wenn man überhaupt etwas an diesem Buch kritisieren will, dann dies: In Kapitel 7, in dem die zwölf Bezirke ebenfalls recht launisch beschrieben werden, kommt Lichterfelde-West überhaupt nicht vor, wobei das vermutlich nur in Lichterfelde-West wohnende Zeitgenossen – so wie ich – überhaupt bemerken. Aber was soll’s? Selbst dieser kleine Fauxpas tut dem Buch keinen Abbruch. Wie sagte doch der zitierte „Spock“ aus der Kreuzberger Traditionskneipe „Novo“: „Manchmal ist das, was man hat, eben das Beste, was man kriegen kann.“
PS: Ein Lob gilt auch dem Verlag Ullstein, der der Umwelt zuliebe auf die bei vielen anderen ansonsten immer noch übliche Plastikfolie verzichtet und einen intelligenten, selbstklebenden Verschluss benutzt hat.
Klingt sehr interessant. Bei diesen beiden Autoren auch nicht anders zu erwarten. Danke für den Hinweis.