Ab 105 Jahren wird es besser

Ich weiß nicht so recht, ob ich mich freuen oder traurig sein soll. Da hat doch ein internationales Wissenschaftlerteam herausgefunden, dass das Risiko, innerhalb eines Jahres zu sterben, ab einem Alter von 105 Jahren nicht mehr zunimmt. So weit, so gut. Allerdings hat die Sache einen Haken. Denn bei der Analyse ihrer Daten fanden die Wissenschaftler ebenfalls heraus, dass bis zu einem Alter von 80 Jahren das Sterberisiko expotentiell wächst. Danach steigt das Risiko langsamer, bis es dann – siehe oben – überhaupt nicht mehr wächst. Für Oma und Opa bedeutet das: Wir müssen noch eine ganze Zeit durchhalten, bis wir das rettende Ufer erreicht haben. Und danach? Alle, die sich jetzt Hoffnungen auf das ewige Leben gemacht haben, muss ich enttäuschen. Bereits im Jahr 2012 hat, wie Der Postillon seinerzeit berichtet, eine Schockstudie enthüllt: Wir werden alle sterben! Früher oder später, und zwar ausnahmslos und an den verschiedensten Todesarten. Die menschliche Sterblichkeitsrate liegt damit bei sage und schreibe 100 Prozent. Seit diesem Erkenntnisgewinn soll es sogar schon Selbstmorde aus Angst vor dem Tod gegeben haben. Dabei hat doch der Lyriker und Musiker Thomas S. Lutter einmal gesagt: „Der beste Schutz gegen Selbstmord ist die Angst vor dem Tod.“ Irgendwie, so habe ich das Gefühl, kann man sich auf nichts mehr verlassen. Was soll ich sagen? Spaß beiseite. Egal, von welcher Seite man auch das Thema angeht, der Beschäftigung mit dem Tod haftet immer etwas, wie Bertrand Russell es einmal formuliert hat, „Verächtliches und Unwürdiges“ an – morbide irgendwie. Dabei gehört der Tod ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Mir kommt in diesem Zusammenhang immer die Frage des deutschen Philosophen und Literaturwissenschaftlers Rüdiger Safranski in den Sinn, der damit das ganze Dilemma auf den Punkt bringt: „Vor meiner Geburt war ich doch auch nicht dabei, warum beunruhigt mich die künftige Abwesenheit so viel mehr?“ Die Antwort dürfte zwar richtig sein, aber den meisten Mensch auch nicht weiterhelfen: Weil „man nicht aufhören kann, alles auf sich selbst als Mittelpunkt zu beziehen.“ Man könnte den Alten Fritz zu Rate ziehen: „Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?“ Dann trösten wir uns doch lieber mit Bertold Brecht: „Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ In diesem Sinne: Allen ein langes Leben.

Solange der Verstorbenen gedacht wird, sind sie – frei nach Bertold Brecht – nicht tot. Der Johannis-Friedhof in Nürnberg, einer der weltweit bekanntesten Ruhestätten.