Das SPD-Mitgliedervotum hat ein Schlaglicht auf die politische Kultur in unserem Lande geworfen. Dabei darf der Umstand, dass mit dem mehrheitlichen Ja der SPD-Mitglieder zur Großen Koalition nun endlich eine Regierung ihre Arbeit gebildet kann, allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das demokratische Koordinatensystem in unserem Lande gewaltig verschoben hat. Nach dem Grundgesetz geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, das diese in Wahlen und durch Organe von Legislative, Exekutive und Judikative ausübt. Dabei wirken in Deutschland die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit – und zwar auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, „indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen“, wie es in § 1 Absatz 2 des Parteiengesetzes heißt. Das Volk, von dem die Staatsgewalt hierzulande ausgeht, besteht derzeit 82,8 Millionen Menschen, von denen 61,5 Millionen Menschen bei der letzten Bundestagswahl wahlberechtigt waren. Diese 61,5 Millionen Wahlberechtigte haben der Politik nicht besonders viel Freude bereitet. Denn das Wahlergebnis war nicht gerade das, was sich die Verantwortlichen in den Parteien erhofft hatten. Jedenfalls gestaltete sich die Regierungsbildung nach der Wahl am 24. September 2017 so schwierig, dass wir nach wie vor nur eine geschäftsführende Regierung im Amt haben. Erst scheiterten die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, Grünen und FDP. Dann verhandelten Union und SPD mit einem Ergebnis, das jetzt mit 66,02 Prozent von der Mehrheit der SPD-Mitglieder abgesegnet wurde, die damit den Weg frei für eine Regierungsbildung gemacht haben. Wenn man jetzt allerdings genauerer hinschaut, ergibt sich ein – sagen wir einmal – komisches Bild. Denn von den über 460.000 SPD-Mitgliedern haben sich 378.437 an dem Mitgliedervotum beteiligt. Das sind immerhin 78,39 Prozent. Vergleicht man diese Zahl jedoch mit der Zahl der Wahlberechtigten in Deutschland, sieht das Ergebnis nicht mehr so positiv aus. Denn es sind nur 0,6 Prozent der Wahlberechtigten, wobei einige von ihnen bei einer Bundestagswahl überhaupt nicht wahlberechtigt wären wie Ausländer oder unter 18-Jährige. Das heißt also nichts anderes, als dass über das Wohl und Wehe unseres Landes gerade einmal eine Handvoll Menschen entschieden hat, die in keinster Weise repräsentativ für das (Wahl-)Volk ist. Was soll ich sagen? Vor diesem Hintergrund ist es doch einigermaßen befremdlich, wenn sich eine SPD, die mit ihren aktuell 16 Prozent Zustimmung bei Umfragen alles andere als noch eine Volkspartei ist, als basisdemokratische Mutter aller Demokraten feiert. Darüber hinaus wird es spannend sein zu beobachtet, inwieweit die SPD den Zweidrittel-Eindrittel-Riss, der nach dem Mitgliedervotum in der GroKo-Frage durch die Partei geht, gekittet werden kann. Denn viel Spielraum bleibt den Sozialdemokraten für Grabenkämpfe nicht. Ein Schicksal wie das der niederländischen Kollegen, die mit nicht einmal mehr 50.000 Mitgliedern bei der Wahl im letzten Jahr von 24,8 Prozent auf gerade noch 5,7 Prozent der Stimmen abgesackt sind, erscheint längst nicht mehr ausgeschlossen.