Nicht mit Ruhm bekleckert

Das Regiebuch hätte man besser nicht schreiben können: Während alle Welt die Schmähkritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan von Fernseh-Satiriker Jan Böhmermann diskutiert und die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, wird der heute Abend in Marl mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet – immerhin eine der renommiertesten Auszeichnungen für Fernsehbeiträge. Den Preis erhält er für die Fake-Fake-Satire rund um den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis, was die Jury damit begründete, dass Böhmermann „die Medienrepublik in Aufruhr versetzt“ habe und ihm „das Verdienst einer großen Medienkritik“ gebühre. Ob dem 35-Jährigen wegen des neuerlichen Aufregers ein weiterer Preis verliehen wird, bleibt ebenso abzuwarten, wie, ob sich Böhmermann tatsächlich vor Gericht verantworten muss. Denn schlechter Geschmack – und den könnte man Böhmermann bei seinem Gedicht ganz sicher attestieren – steht in der Bundesrepublik nicht unter Strafe. Und ob der Tatbestand des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – überhaupt erfüllt ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Denn wenn Erdogan diese Strafvorschrift für sich reklamieren wollte, müsste er „sich in amtlicher Eigenschaft im Inland“, also in Deutschland aufgehalten haben. Zudem ist bislang nicht bekannt, ob die Türkei überhaupt ein entsprechendes Strafverlangen geäußert hat, was nach § 104a Strafgesetzbuch Voraussetzung für eine Strafverfolgung wäre, für die wiederum die Bundesregierung noch ihre Ermächtigung erteilen müsste. Nichts Genaues weiß man also nicht, nur so viel: Die Bundesregierung hat sich mit ihrem vorauseilenden Gehorsam gegenüber Erogan, einem Despoten, der demokratische Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen tritt und die Meinungs- und Pressefreiheit offensichtlich für ein Grundübel hält, nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Auch wenn Bundeslanzlerin Angela Merkel glaubt, das Flüchtlingsthema nicht ohne die Türkei erfolgreich händeln zu können, ist es nur schwer ertäglich, dass sich die vom Forbes-Magazin zur mächtigsten Frau der Welt gekürte Regierungschefin derart erniedrigt und damit – völlig unnötig – ihren Kritikern in die Hände spielt. Was soll ich sagen? Im Fall des Beitrages des NDR-Satiremagazins „extra3“ hatte die Bundesregierung Erdogan zumindest den kleinen Finger gereicht. Der hat jetzt den ganzen Arm genommen. Dennoch bleibt es dabei: Hände weg von der Meinungs- und Pressefreiheit, die ist unveräußerlich und nicht verhandelbar. Basta!

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