“Ehe und Familienleben”

Das Wort zum Sonntag gibt es schon seit über 60 Jahren in Deutschland. Seit dem 8. Mai 1954 wird es jeden Samstag nach den Tagesthemen im Ersten ausgestrahlt und regt an zum Nachdenken, Umdenken und zum menschlichen Denken. Das genaue Gegenteil ist eine Broschüre, die mit dem Titel “Ehe und Familienleben” und Tipps für Frischvermählte in der Türkei für Aufregung sorgt. Und das kann man verstehen. Denn die rosafarbene Broschüre der Stadt Kütahya mit einer Rose auf dem Cover wartet mit Hinweisen und Vorschlägen auf, bei denen einem die Luft wegbleibt und man unwillkürlich ans Mittelalter denkt. So heißt es da beispielsweise: “Wenn du als Ehefrau beim Sex sprichst, wird dein Kind stottern.” Ein anderer Tipp, dieses Mal für die Ehemänner, lautet: “Heiratet gebärfreudige, liebenswürdige Frauen, aber sie sollen Jungfrauen sein.” Ernst gemeint ist ganz offensichtlich auch: “Für den Fall, dass die Frau zickig ist, sollte der Mann sich nicht sofort scheiden lassen, damit diese Frau nicht auch noch zum Verhängnis für einen anderen Mann wird. Stattdessen sollte der Ehemann eine zweite Frau ehelichen, damit sie die erste Ehefrau zur Vernunft bringt.” Was fehlt noch, na klar: “Eine Frau, die sich nicht für ihren Mann zurechtmacht, ihrem Mann als Herren im Hause nicht gehorsam ist, kann geschlagen werden.” Ergo: “Manchmal sind ein, zwei Schläge ganz nützlich, das wirkt wie Medizin. Der Ehefrau wird so in Erinnerung gerufen, wer das Sagen im Haus hat.” Und es ist auch keine Realsatire, wenn da steht: “Berufliches Arbeiten ist für die Frau unnütz.” Denn: “Im Arbeitsleben kann die Frau einen noch attraktiveren Mann als ihren Ehemann sehen und sich in ihn verlieben. Sie soll daher ihre Beine übereinanderschlagen und lieber zu Hause bleiben.” Was soll ich sagen? Da fällt einem nichts mehr ein. Vielleicht hilft ja die Information weiter, dass der Bürgermeister der Stadt Mitglied der AKP, der Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, ist. Ach so, dann ist ja alles klar.

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