Doppelt so wenig

Die deutsche Sprache ist in der Tat nicht immer einfach. Vor allem Kinder haben manchmal so ihre Schwierigkeiten, Sinn und Unsinn zu erkennen. Und in der Tat ist ja nicht einzusehen, warum es das Wort barfuß gibt, aber nicht das Wort schuhfuß. Ebenso kann man sich fragen, warum doppelt so wenig nicht wirklich Sinn macht. Der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler würde jetzt im Brustton der Überzeugung sagen: „Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken.“ Was soll ich sagen? Wie wichtig eine genaue Ausdrucksweise sein kann, hat der Sketch von Iris Berben und Dieter Krebs bewiesen, der mittlerweile als Klassiker der Comedy gilt: Ein ältliches Ehepaar sitzt stumm im Wohnzimmer. Plötzlich erzählt sie: “Als ich aus dem Fenster schaute, graute der Morgen.” Da blickt er von seiner Zeitung auf und verbessert: “Dem Morgen.”

Erster Schluck ist der leckerste

Das hat gezischt! Am Wochenende haben sich Oma und ich nach vielen, vielen Monaten der pandemiebedingten Enthaltsamkeit das erste frisch gezapfte Bier auf der Terrasse unseres Haus- und Hofrestaurants gegönnt. Dabei haben wir wieder einmal festgestellt: Der erste Schluck ist der leckerste. Dennoch, es ist natürlich nicht bei einem Bier geblieben. Auf einem Bein kann man ja bekanntlich nicht so gut stehen. Und da wir nicht mit dem Auto unterwegs waren, haben wir uns trotz der nachmittäglichen Uhrzeit gedacht: Was soll’s! Und während wir so da saßen und die wiedergewonnene Freiheit genossen haben, ist uns auch noch ein mehr oder weniger hoch aktuelles politisches Problem untergekommen. Auf dem Bierdeckel, auf dem unsere Biere standen, mahnt die Brauerei: SAVE THE PLANET! Da Oma und ich als liberale Freigeister schon umweltbewusst waren, als es die Grünen noch gar nicht gab, und heute sicherlich umweltbewusster handeln, als viele Grüne bzw. Grünen-Wähler dies tun, rennt der Bierhersteller bei uns offene Türen ein. Die Begründung allerdings war für uns dann doch ein wenig überraschend: ITS THE ONLY ONE WITH BEER. Was soll ich sagen? Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich über diesen Aspekt bislang noch nicht nachgedacht. Aber als Bayer ist mir ja sozusagen in die Wiege gelegt worden: I hob no nia ned koa Bia ned drunga! Aber um den Umweltgedanken nicht ganz aus dem Blickfeld zu verlieren, sei an dieser Stelle der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zitiert: “Man könnte froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.” So isses!

Unnützes Wissen

Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen. Egal, von wem die Erkenntnis stammt – zugeschrieben wird sie u.a. Goethe, Luther und Tucholsky -, spätestens das bevorstehende Weihnachtsfest und der sich anschließende Jahreswechsel werden sie wieder bestätigen und viele Familien vor große Herausforderungen stellen. Doch es besteht noch Hoffnung. Denn in jeder Familie gibt es Redensarten, die dazu geeignet sind, jede Eskalation im Keim zu ersticken. Bei Oma und Opa hat sich die Frage bewährt: „Habt Ihr schon einen Weihnachtsbaum?“ Vor allem, wenn dessen Kerzen das Wohnzimmer erleuchten, bringt besagte Frage alle aus dem Konzept. Wer so einen Satz nun nicht kennt, wird in „Unnützes Wissen Deutschland“ aus dem Dudenverlag fündig, das 888 „spannende, aufschlussreiche, kuriose, absurde, verrückte“ Dinge auflistet, die es „zwischen deutschem Himmel und deutscher Erde“ gibt. Jahreszeitbedingt dürften die Nummern 246 und 377 gut angekommen, die da lauten: „Eine durchschnittliche Nordmanntanne in deutschen Wohnzimmern ist 1,64 Meter groß.“ und „Für 50 Prozent der Deutschen sind Gutscheine oder Geld die liebsten Weihnachtsgeschenke.“ Interessant und diskutabel ist auch Nummer 308: „Der Alkoholkonsum der Deutschen steigt im Dezember um durchschnittlich 36 Prozent.“ Um Platz- und Zeitprobleme geht es bei den Nummern 509 und 844: „Der Schuhschrank der deutschen Durchschnittsfrau enthält 13 Paar Schuhe.“ und „Durchschnittlich 35 Stunden verbrachten deutsche Autofahrer 2013 im Stau.“ Wer mit hellseherischen Fähigkeiten trumpfen will, kann das mit den Nummern 606 und 828 tun: „Die Trefferquote von Wahrsagungen liegt einer deutschen Studie zufolge bei vier Prozent.“ und „Der Buchstabe Q kommt in deutschen Texten mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,02 Prozent vor.“ Wem das alles nicht zusagt, kann ja auf Nummer 839 zurückgreifen: „Die Angst vor langen Wörtern heißt Hippopotomonstrosesquippedaliophobie.“ Was soll ich sagen? Wenn Sie keine Diskussion abwürgen, sondern eine erst so richtig anfachen wollen, dann sollten Sie zu Nummer 799 greifen, die dem über 80 Jahre alten Klassiker „Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn“ grundsätzlich widerspricht – von wegen „Ich legte jeden Tag ein Ei. Und sonntags auch mal zwei“: „Eine deutsche Hochleistungshenne legt etwa 300 Eier im Jahr.“

Duden – Unnützes Wissen Deutschland                                                           Dudenverlag, Berlin, 2015, 128 Seiten, 8,99 Euro, ISBN: 978-3-411-74835-8

PS: Das Büchlein gibt es leider nur noch vereinzelt im Onlinehandel.

Glas immer halb voll

Eine Freundin von Oma hatte im Herbst letzten Jahres ihren Schlüsselbund verloren, als sie mit ihr unterwegs gewesen war. Oma hat denn auch in unserem Auto sofort nachgeschaut, ob er sich vielleicht dort irgendwo versteckt hat, war aber nicht fündig geworden. Gestern nun plötzlich hörte sie – im übertragenen Sinne – eine Stimme, die rief: „Hier bin ich.“ Und siehe da: Völlig unversehrt und erwartungsvoll lag der Schlüsselbund da und strahlte Oma unschuldig an – war er doch unter den Sitz gefallen und dort immer wieder unbemerkt hin- und hergeschoben worden. Ihren Fund berichtete sie denn auch sofort ihrer Freundin, die seinerzeit alle Schlüssel hatte nachmachen lassen. Unser jüngster Enkel, der bei dem Fund anwesend war, gab ihr für diese Korrespondenz auch gleich eine gute Argumentationslinie mit, um der Freundin das Positive dieses Fundes schmackhaft zu machen: „Jetzt hat sie wenigsten für jeden Schlüssel ein Ersatzschlüssel.“ Was soll ich sagen? Um den kleinen Mann muss man sich keine Sorgen machen. Denn mit so einer Einstellung kommt der locker und leicht durchs Leben. Jedenfalls ist sein Glas nie halb leer, sondern immer halb voll.

Was sich liebt, das neckt sich

Opa ist jetzt fix und fertig. Als ich nach dem Mittagessen so in der Sonne saß und mir die warmen Sonnenstrahlen genüsslich auf den Pelz scheinen ließ, schlug Oma zu: “Jetzt wirst Du aber richtig grau”, tönte es aus dem Schatten, wenig später gefolgt von: “Und weniger Haare hast Du mittlerweile auch.” Das hatte gesessen. Da ist man noch nicht einmal 65 Jahre alt und schon fallen sie aus dem Familienrudel über einen her. Wenn meine Töchter auch noch da gewesen wären, wäre es vermutlich auch nicht viel glimpflicher. Was soll ich sagen? Altwerden ist wirklich nichts für Feiglinge bzw. Weicheier. Wenigstens kam Oma später doch tröstend zu mir und meinte mit leicht säuselnder Stimme: “Was sich liebt, das neckt sich.”

“Der sieht ja aus wie Opa!”

Heute ist bei Oma (und Opa) volles Programm. Unser ältester Enkel ist schon seit dem Vormittag bei uns, der jüngere für den Nachmittag angekündigt. Das Kinder-Unterhaltungs-Programm ist gewaltig: Lesen, Schreiben, Rechnen, Spielen, Kochen nicht zu vergessen. Das Beste aber sind die Gespräche zwischen Oma und den Kleinen. So versuchte die ergebene Untertanin ihres Königs ihrem Nachwuchs das niederländische Königshaus näher zu bringen. “Zur Hälfte hast Du auch einen König”, sagte Oma zu unserem Ältesten, der ganz interessiert in dem Buch blätterte, dass jeder Haushalt in unserem Nachbarland zur Amtseinführung des neuen Königs im Jahr 2013 kostenlos bekommen konnte. Während Oma noch grinsend hinzufügte: “Nur Opa hat keinen König”, entdeckte der kleine Mann Willem-Alexander in dem Buch und stellte ganz erstaunt fest: “Der sieht ja aus wie Opa!” Was soll ich sagen? Ich habe zwar keinen König, dafür seh’ ich aus wie einer. Man kann eben nicht alles haben.

Oma – im Oranje-Jackett versteht sich – vor einem Bild ihres Königs Willem-Alexander.

Sprich doch mal den Ball an …

Menschen nehmen viel zu viel wörtlich. Ich habe mal von einem Erwachsenen gehört, die, als der Trainer ihr auf dem Golfplatz auf der Drivingrange sagte: “Sprich doch mal den Ball richtig an”, dem Ball zurief: “Hallo Ball!” Wie dem auch sei. Bei Kindern ist das nicht anders. Der eingebettete Film spricht Bände. Was soll ich sagen? Die schönsten Geschichten schreibt eindeutig das Leben.

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Icke, dette, kieke mal …

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, schreibt Zwiebelfisch-Autor Bastian Sick. Doch man gewöhnt sich ja an allem, auch am Dativ – heißt es. Dennoch tun sich Oma und Opa da ein wenig schwer, zumal unsere Enkel erste Anzeichen der Berlinischen Grammatik erkennen lassen. Den Unterschied von „mir“ und „mich“ kennen sie (noch). Auch „wegen die Hitze“ gehört nicht gerade zu ihrem Grundwortschatz. Aber die neuerdings gebräuchlichen „drinne“ und „ebent“ tun Oma und Opa regelrecht in den Ohren weh. Da sind wir auch ziemlich konsequent und korrigieren sie jedes Mal. Fehlt nur noch, dass sie „jetzte“ auch noch mit „icke“ und „ditte“ anfangen. Defintiv Schluss mit lustig wäre aber, wenn einer der beiden der „Oma seine Haare“ raushaut. Was soll ich sagen? Lang lebe Zille: Icke, dette, kieke mal, Oogen, Fleesch und Beene – nein, mein Kind so heißt das nicht, Augen, Fleisch und Beine.

“Habe doch gar kein Ei gelegt!”

Großeltern sind ja immer besorgt, vor allem wenn es um die Enkel geht. So auch die anderen Großeltern von unserem ältesten Enkel. Jedenfalls äußerte die andere Oma, als der kleine Mann selbst mit Jacke drinnen fror, die Sorge: “Hoffentlich brütet der nichts aus.” Das irritierte unseren Enkel denn doch, der ihr vehement entgegenhielt: “Ich habe doch gar kein Ei gelegt!” Was soll ich sagen? Das beweist doch einmal mehr, dass Kinder mehr Humor haben können als so manche Erwachsenen.

Kleine Geschichte – große Stadt

DER TAGESSPIEGEL in Berlin, mit dem Opas Blog ja kooperiert, erfreut seine Leser in seiner Sonntag-Beilage immer mit “Kleinen Geschichten aus unserer großen Stadt”, zu denen es heißt: “Wäre doch schade, wir hätten sie nicht aufgeschrieben.” Letzten Sonntag nun gab’s eine Geschichte, die kaum besser zu Opas Blog passen könnte – also: “In der Stadtbibliothek Lankwitz wird Osterbasteln angeboten, auch für Omas mit Enkel”, stand da unter der Überschrift “Enkel gesucht”. Und weiter: “Eine Rentnerin fragt die Angestellte: ‘Sagen Sie, kann ich auch alleine kommen, ohne Enkel?’ – ‘Ja, gerne.’ Aus dem Hintergrund ruft der Ehemann: ‘Elfriede, so schnell würden wir das ja anders auch nicht mehr hinbekommen!’ Was soll ich sagen? Wäre tatsächlich schade gewesen, die Redakteure hätten die Geschichte nicht aufgeschrieben.