Diademhochzeit

Heute ist der 48. Hochzeitstag von Oma und mir. Das wird hierzulande Diademhochzeit genannt, weil besagtes Diadem sehr teuer und wertvoll ist. Und wertvoll ist es in der Tat, dass wir eine so lange Zeit gemeinsam und vor allem gesund verbringen durften – wie wertvoll, haben wir jetzt leidvoll erfahren (müssen). Dennoch schauen wir voller Zuversicht in die Zukunft und genießen jeden Tag. Was soll ich sagen? Die positive Lebenseinstellung von Oma wirkt – jedenfalls bei mir – mittlerweile ansteckend – ganz nach dem Motto: Selbst wenn man aus einem halb leeren Glas einen Schluck nimmt, hat man immer noch etwas zu trinken. 

Eine echte Liebesgeschichte

Heute genau vor 50 Jahren haben Oma und ich uns kennengelernt – und sofort, wie es in politischen Kreisen mittlerweile wohl heißt, entschieden, eine Verbindung einzugehen. Allerdings war das bei uns erst der Anfang der Liebe auf den ersten Blick. Und damit auch keine Unklarheiten aufkommen konnten, habe ich Oma gleich beim übernächsten Treffen, also beim dritten Mal, bei dem wir uns gesehen haben, gefragt, ob sie meine Frau werden möchte. Das hat sie damals so vom Barhocker gehauen, dass sie erst einmal aufs Örtchen verschwunden und mir insofern seinerzeit irgendwie die Antwort schuldig geblieben ist. Dennoch nahm das Ganze seinen Lauf, und vor allem Fahrt auf – sozusagen im Jahresrhythmus: Verlobung, Hochzeit, Kinder. Nachdem die Familie gegründet und Nachwuchs gekommen war, folgten in Summe sieben Umzüge, die uns von Münster, unserer ersten gemeinsamen Station, über den Großraum München und Bad Heilbrunn im Loisachtal bis nach Berlin verfrachtet haben. Hier an der Spree sind wir dann am längsten geblieben, mittlerweile sind es schon über 30 Jahre. Passiert ist in den fünf Jahrzehnten eine Menge und natürlich hat es, wie in jeder Ehe, neben den vielen Höhen auch die eine oder andere Tiefe gegeben. Ungeachtet dessen blicken wir, und hier darf ich auch in Omas Namen sprechen, auf 50 glückliche Jahre zurück, in denen wir zudem mit zwei super Töchtern und zwei einzigartigen Enkelsöhnen einschließlich ihrer tollen Väter beschenkt wurden. Was soll ich sagen? Oma und ich sind unendlich dankbar dafür, dass wir unseren bisherigen Weg gemeinsam gehen durften und dabei vom Schicksal in den allermeisten Fällen ziemlich gnädig behandelt wurden. Und die Herausforderungen, die jetzt noch vor uns liegen, werden wir – nicht zuletzt mit Hilfe unserer Familie – auch noch meistern. Ob wir unseren 50. Verlobungstag oder unsere Goldene Hochzeit werden zusammen begehen können, weiß nur Gott allein und ist an sich auch nicht wichtig. Wichtiger ist die Zeit, die uns noch gemeinsam bleibt. Vor diesem Hintergrund stammt das wohl schönste Zitat von Marie von Ebern-Eschenbach: „Wahre Liebesgeschichten gehen nie zu Ende.“

Ihr seid nicht allein!

Jährlich erkranken in Deutschland rund 230.000 Mädchen und Frauen neu an Krebs. Infolge der Behandlung leiden die meisten Betroffenen an starken Hautirritationen und daran, dass ihnen die Haare, Wimpern und Augenbrauen ausfallen. Auch Oma hat dieses Schicksal ereilt. Doch unsere Töchter wären nicht unsere Töchter, wenn sie sich nicht gleich nach der Diagnose auf die Suche nach Hilfe und Unterstützung gemacht hätten. Und unsere Jüngste ist dabei u.a. auf die DKMS LIFE gestoßen, die seit mehr als 25 Jahren Krebspatientinnen in Therapie mit ihrem look good feel better Programm unterstützt. Vor Corona waren es jährlich bis zu 10.000 Patientinnen, die an einem von rund 1.600 Kosmetikseminaren teilnahmen. Seit Mitte 2020 bietet DKMS LIFE das look good feel better Patientenprogramm auch virtuell in Form von Online-Seminaren an. Mehr als 12.000 Patientinnen konnten seitdem daran teilnehmen. Darunter war auch Oma, die wie alle anderen Teilnehmerinnen die benötigten Pflege- und Kosmetikprodukte vorab kostenlos zugeschickt bekommen hatte. In dem ebenfalls kostenlosen Online-Seminar gab es dann Tipps zu Gesichtspflege, Make-up und dem Thema Kopfbedeckung. Eine geschulte, ehrenamtliche Kosmetikexpertin zeigte in dem rund zweistündigen Mitmach-Workshop beispielsweise besondere Techniken, um Augenbrauen und Wimpern natürlich nachzuzeichnen. Ein weiteres Thema waren Tücher und Kopfschmuck. Für die Teilnahme war lediglich ein PC, Laptop oder ein Tablet (inklusive Webcam, Mikrofon und Lautsprecher oder Kopfhörer) mit einer stabilen Internetverbindung nötig. Was soll ich sagen? Nicht nur Oma war ausgesprochen angetan. Denn es ging um viel mehr als Hautpflege und Make-up. Das Online-Kosmetikseminar schenkte ein paar unbeschwerte Stunden, war interaktiv und schaffte einen Platz zum ungezwungenen Austausch unter Betroffenen. Es zeigte den Patientinnen: „Ihr seid nicht allein!“

(Familien-)Diagnose Krebs

Über drei Monate habe ich hier nichts mehr von mir hören lassen. Das hat seinen Grund. Denn wenn in einer Familie die Diagnose Krebs einschlägt, ist nichts mehr, wie es einmal war. Dem Erkrankten reißt es, insbesondere wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, den Boden unter den Füßen weg. Aber auch Partner und gegebenenfalls Kinder und Enkelkinder leiden. Denn alte Gewissheiten lösen sich in Wohlgefallen auf. Pläne für jedwede Zukunft sind nur noch Makulatur. Der Alltag steht von einer Sekunde auf die andere Kopf. Das alles liegt nicht zuletzt daran, dass es, wie es eine Journalistin jüngst in der Welt formulierte, im relativen Wohlstand unseres Landes im Alltag nur noch wenig Begegnungen mit Alter, Krankheit und Tod gibt. So gesehen ist unsere Familie eine Ausnahme, wurden besagte Themen eben nicht ausgeblendet, sondern immer offen angesprochen und angegangen. Dennoch leben wir alle, nachdem Oma die Diagnose ereilt hat, mehr oder weniger in einem psychischem Ausnahmezustand. Dabei zeigt insbesondere sie als unmittelbar Betroffene jedoch eine mentale Robustheit, die es uns allen leichter macht, die neue Realität zu akzeptieren. Was soll ich sagen? Oft stimmt es ja: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Aber bei einer Krebsdiagnose ist es genau anders herum. Oder wie es eine Psychotherapeutin sagt: „Eine offene, ehrliche und altersgemäße Kommunikation hilft allen.“ Und deshalb reden wir – auch in diesem Blog – jetzt auch darüber.

Erster Schluck ist der leckerste

Das hat gezischt! Am Wochenende haben sich Oma und ich nach vielen, vielen Monaten der pandemiebedingten Enthaltsamkeit das erste frisch gezapfte Bier auf der Terrasse unseres Haus- und Hofrestaurants gegönnt. Dabei haben wir wieder einmal festgestellt: Der erste Schluck ist der leckerste. Dennoch, es ist natürlich nicht bei einem Bier geblieben. Auf einem Bein kann man ja bekanntlich nicht so gut stehen. Und da wir nicht mit dem Auto unterwegs waren, haben wir uns trotz der nachmittäglichen Uhrzeit gedacht: Was soll’s! Und während wir so da saßen und die wiedergewonnene Freiheit genossen haben, ist uns auch noch ein mehr oder weniger hoch aktuelles politisches Problem untergekommen. Auf dem Bierdeckel, auf dem unsere Biere standen, mahnt die Brauerei: SAVE THE PLANET! Da Oma und ich als liberale Freigeister schon umweltbewusst waren, als es die Grünen noch gar nicht gab, und heute sicherlich umweltbewusster handeln, als viele Grüne bzw. Grünen-Wähler dies tun, rennt der Bierhersteller bei uns offene Türen ein. Die Begründung allerdings war für uns dann doch ein wenig überraschend: ITS THE ONLY ONE WITH BEER. Was soll ich sagen? Wenn ich ehrlich sein soll, dann hatte ich über diesen Aspekt bislang noch nicht nachgedacht. Aber als Bayer ist mir ja sozusagen in die Wiege gelegt worden: I hob no nia ned koa Bia ned drunga! Aber um den Umweltgedanken nicht ganz aus dem Blickfeld zu verlieren, sei an dieser Stelle der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zitiert: “Man könnte froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.” So isses!

Frau am Steuer

Es gibt Schätze, die schlummern lange im Verborgenen. Neulich, beim Aufräumen, entdeckte Oma alte Schulhefte und Aufsätze, die sie im zarten Alter von 14 Jahren zu Papier gebracht hat. Ein Thema dabei: Die Frau am Steuer – im Niederländischen heißt es übrigens hinterm Steuer. Wie auch immer: Der Text von Oma aus dem September 1968 ist ein wahres Zeitdokument, das ich meinen Lesern und der Welt – natürlich ins Deutsche übersetzt – nicht vorenthalten will. Und los geht’s:

Heutzutage muss man sich nicht mehr wundern, dass man in den vorbeirauschenden Autos ebenso viele Frauen wie Männer am Steuer sieht. Hierzu hat u.a. die Emanzipation der Frau beigetragen. Oft schafft sich eine Frau auch ein Wägelchen an, um, wenn ihr Mann mit seinem eigenen Wagen zur Arbeit gefahren ist, in der großen Stadt einzukaufen oder die Kinder zur Schule zu bringen. Wenn der Nachbar ein Auto hat, möchte man auch eins haben. Der Wohlstand dieser Zeit „fordert“ das ein. Weil man heute alles auf Kredit kaufen kann, ist die Anschaffung eines Autos auch für Leute mit kleinerem Einkommen möglich.

Wenn man einen Mann hinterm Steuer sieht, sieht man einen Brocken Selbstvertrauen. Er sitzt nämlich mit dem linken Arm aus dem offenen Fenster gelehnt und lenkt angeberisch mit zwei Fingern der anderen Hand. Die Frau dagegen hat „Verantwortungsgefühl“: Sie lenkt ihren Wagen gut – das Lenkrad von ihren transpirierenden Händen umklammert. Sie fährt langsam und vorsichtig, so dass ein Autofahrer hinter ihr auch schon mal sagen könnte: „Sicher eine Frau am Steuer“.

Im Verkehr kann eine Frau zuweilen auch schon mal lästig sein. Zum Beispiel: Die Frau und der Herr haben beide einen Führerschein. Der Göttergatte fährt gerade und zu seinem großen Ärger fährt die Dame auch noch mit. Bereits nach wenigen Kilometern kann er die Kommentare seiner Frau zu allem, was er tut, nicht mehr ertragen. Er hält an und sagt den berüchtigten Satz: „Fährst Du oder fahre ich?“ Er kriecht zähneknirschend und innerlich kochend auf die Rückbank. Somit ist seine Frau gezwungen, seinen Platz am Steuer einzunehmen. Weil ihr Tag jetzt verdorben ist, macht sie eine Kehrtwende. Und nach viel zu eng genommenen Kurven und zu festem Bremsen kommen sie – via Gartenzaun – in der Garage zum Stehen.

Dennoch werde ich, wenn ich achtzehn bin, auch meinen Führerschein machen und versuchen, den Männern zu zeigen, dass wir Frauen auch etwas vom „Fach des Chauffeurs“ verstehen.

Was soll ich (von Oma) sagen? Sie parkt ein wie ein Mann. Und das stimmt wirklich!

Omas erstes Auto: Ein Ami 8 von Citroën.

Vitaritus. Vita was?

Vitaritus. Vita was? Oder haben Sie das Wort schon einmal gehört? Nein, können Sie nicht. Denn Vitaritus ist ein Kunstwort, das Studenten zu Beginn ihres Projektes zugeteilt wurde. Aufgabe war und ist es, in einer Gruppenkonstellation, die sich die Studenten nicht selbst aussuchen durften, einen Blog zu kreieren. Das Thema indes war frei wählbar. Um es an dieser Stelle kurz zu machen – wer die ganze Geschichte lesen will, wird hier fündig -, der Blog heißt Jung & Alt – Oma und Opa erzählt doch mal! Damit wollen die Studenten den Austausch zwischen Jung und Alt fördern und Senioren eine Plattform im Internet geben. Dazu interviewen sie sie und stellen deren Geschichten online. Der jüngste Beitrag geht über … ja wen wohl? Über mich, Opa Detlef: Der bloggende Großvater. Und demnächst soll noch ein weiterer Beitrag erscheinen, bei dem es dann um KINDER | KOCHEN gehen wird. Was soll ich sagen? Da haben die fünf Studenten eine wirklich gute Idee gehabt. Und nicht nur das – wenn ich mir die Umsetzung so ansehen, muss man sagen: TOP! Dabei lohnt die Lektüre sowohl für Alt und Jung. Wäre ich der zuständige Professor, hätten die vier jungen Damen und der junge Herr schon jetzt bestanden. Denn eines weiß ich aus eigener Erfahrung: Blogger werden ist nicht schwer, Blogger sein dagegen sehr.

Genie und Wahnsinn

Heute mal was Kurzes: Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht und wie Sie so drauf sind. Ich für meinen Teil fühle mich manchmal wie Albert Einstein, dem der Satz zugeschrieben wird: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Was soll ich sagen? Ich kann das gut nachempfinden. Oma indes sagt: “Bei Dir merkt man, wie dicht Genie und Wahnsinn beieinander liegen können.” Ich weiß ja nicht. Aber irgendwie fühle ich mich doch ein wenig verkannt.

… noch lange nicht Schluss

Und wieder ist ein Jahr vergangen. Oma hat heute Geburtstag. Und da der Tagesspiegel Checkpoint ihr sozusagen als Erster gratuliert hat (ziemlich weit unten in der Rubrik Berliner Gesellschaft), ist auch ihr Alter kein großes Geheimnis mehr – obwohl sie wie schon seit geraumer Zeit einmal mehr 59 Jahre alt geworden ist. Dementsprechend habe ich ihr einen schönen Strauß Rosen geschenkt, natürlich 59 Stück und ein paar auf Vorrat, falls welche zu früh den Kopf hängen lassen. Was soll ich sagen? Die allerherzlichsten Glückwünsche für die allerbeste Oma, Mama und Ehefrau, bei der es jetzt nach einer bekannten Weise von Udo Jürgens heißt:

“Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an
Mit sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran
Mit sechsundsechzig Jahren, da kommt man erst in Schuss
Mit sechsundsechzig ist noch lange nicht Schluss.”

Na denn mal los! Ich bin gerne dabei.

The time is out of joint

Wenn ich in diesen Tagen die Zeitung aufschlage, wird mir, wenn ich an meine Enkel denke, ganz anders. Manchmal glaube ich, die Welt tickt nicht mehr sauber. Nur ein paar Beispiele aus dieser Woche: Die Berliner SPD will die Bundeswehr aus den Schulen verbannen, eben die Bundeswehr, die demokratisch legitimiert und vom Grundgesetz gedeckt ist. Der Kiez in Kreuzberg kämpft für, ja Sie haben richtig gelesen, für Aldi, also den Inbegriff für Discounter und ihre Geschäftspraktiken. Die Umweltaktivistin Greta Thunberg findet Atomenergie als Übergangslösung doch nicht so schlimm, die Atomenergie, bei der es ansonsten immer heißt: Nein, danke. Und in London begehen die Briten gerade Selbstmord aus Angst vor dem Tod und steuern ungebremst auf einen harten Brexit zu – mit dem Nebeneffekt, dass sich die Mutter aller Demokratien gerade bis auf die Knochen blamiert. Wer mir das alles vor ein paar Jahren angekündigt hätte, der wäre von mir stante pede ins politische Irrenhaus eingewiesen worden. Doch heute scheint das alles ganz normal, wobei mir völlig klar ist, dass diese Einschätzung ganz wesentlich vom Standpunkt abhängt – Point of View eben. Was soll ich sagen? The time is out of joint, um mit Shakespeares Hamlet zu sprechen, was gewiss nicht heißt, dass früher alles besser war. Ganz im Gegenteil. Da war nämlich alles noch aus Holz, sogar die Gummistiefel, die in Holland „klompen“ heißen.

Bequem laufen fühlt sich sicher anders an: Unser ältester Enkel in “klompen” von Oma.