Die Sekunde eines Klebers

Unsere Begehung des Baumkronenpfades war jetzt noch einmal Gesprächsthema zwischen Oma und unseren Enkeln. Der Kleine, so seine Aussage, fand die Exkursion ganz spannend. Und der Große hätte, wie er sagte, es noch spannender gefunden, wenn kein Geländer da gewesen wäre. Abgesehen davon, dass Opa dann wohl nicht in die luftigen Höhen gestiegen wäre, meinte Oma, dass das aber nicht erlaubt sei, weil man dann ja herunterfallen könnte. Dem wollten die beiden Buben mit Sekundenkleber vorbeugen, was Oma keine so richtig gute Idee fand, weil man dann ja sofort festklebe und nicht mehr weitergehen könne. “Wieso?”, fragten beide übereinstimmend, “der klebt doch nur eine Sekunde!?!” Was soll ich sagen? Kinder nehmen eben alles wörtlich. Aber sie machen das nicht absichtlich. Wie Psychologen der Ohio State University herausgefunden haben, ist es geradezu ein Kennzeichen kindlicher Sprachentwicklung, zunächst alles wörtlich aufzufassen.

IMG_3428 KopieDer Baumkronenpfad in Beelitz-Heilstätten: Gott sei Dank ist da ein Geländer!

“Ich bin sein Croissant!”

Wenn man mit seinen Enkelkindern auf Achse ist, verschlägt es einem manchmal die Sprache. So war Oma jetzt mit unseren beiden Buben unterwegs, als unser Jüngster mit Blick auf unseren Ältesten gefragt wurde: „Das ist sicher Dein Bruder!“ – „Nein“, antwortete der Kleine, „ich bin sein Croissant!“ – „Sein was?“, wollte der Fragesteller wissen, „Du meinst sicher Cousin!“ – „Genau“, entgegnete unser Jüngster mit geballter Selbstironie, „aber ich kann Cousin nicht so gut aussprechen wie Croissant!“ Was soll ich sagen? Also, wenn das mit Jan Böhmermann schief geht und der länger aus dem Verkehr gezogen werden sollte, wüsste ich schon einen Ersatz. Bei dem bleibt in der Regel nämlich auch kein Auge trocken.

Ostern kommt der Ostermann?

Weihnachten kommt der Weihnachtsmann und Ostern? Na klar: Der Ostermann. So jedenfalls antwortete, ohne lange nachzudenken, spontan in kleiner Runde einmal einer unserer Enkelsöhne, um dann doch innezuhalten: “Das stimmt doch nicht! Das ist der Osterhase”, belehrte er sich und die anderen unter schallendem Gelächter, in das er freudig mit einstimmte. Gar nicht zum Lachen ist einem allerdings, wenn man sich die sogenannten Straßenumfragen der privaten Fernsehsender antut, bei denen sich die Befragten beispielsweise mit der Aussage blamieren, dass an Ostern der Osterhase Geburtstag hat. Hat er aber nicht. Insofern wiederhole ich gerne das, was ich schon einmal auf diesem Blog geschrieben habe: Die “Kar”-Woche leitet sich ab von dem Wort “Kara”, das im Althochdeutschen Klage, Kummer oder Trauer bedeutet. Die Woche beginnt mit dem “Palmsonntag”, dem Tag, an dem Jesus begeistert und mit Palmen in Jerusalem empfangen wurde. Am Donnerstag, dem “Gründonnerstag”, gedenken die Christen des letzten Abendmahls, das Jesus und seine Jünger hielten. Am “Karfreitag” wird der Kreuzigung gedacht, der “Karsamstag” ist der eigentliche Trauertag, bevor Ostern, am “Ostersonntag” und “Ostermontag”, die Auferstehung Christi im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht. Das ist in aller gebotenen Kürze das, worum es in der Karwoche und an Ostern geht. Was soll ich sagen? Wenn jetzt doch jemand in diesen Tagen einen Hasen durch seinen Garten hoppeln sieht, kann das trotzdem eine österliche Bewandtnis haben.

Neue Leidenschaft

Unsere Enkel haben eine neue Leidenschaft entdeckt: Prickeln. Was das ist? Das ist eine Bastelltechnik, bei der mit einer Nadel Formen ausgestochen werden. Dies geschieht meist auf einer Schaumstoff- oder Pappunterlage, auf der sich die Prickelnadel besser durch die Pappe oder das Papier durchstechen lässt. Vor allem in Kindergärten wird diese Methode dem Schneiden mit einer Schere gerne vorgezogen, weil sie nicht so gefährlich ist. Was soll ich sagen? Unsere beiden Enkel haben das Prickeln jetzt sogar noch weiterentwickelt. Da werden nicht nur Formen ausgestochen, sondern gemalte Bilder mit Löchern ergänzt und verfeinert.

PrickelnNeue Leidenschaft unserer Enkel: Prickeln. Da wird gelöchert, was das Zeug hält.

Lapsus linguae?

Unsere Enkel sind ja begnadete Bäcker vor dem Herrn. So hat mir unser ältester zum Geburtstag einen Marmorkuchen gebacken, der leckerer nicht hätte sein können. Und unser jüngster kam dieser Tage mit Plätzchen zu uns, die er mit seinem Vater gebacken hatte und nun großzügig verteilte. Ein Plätzchen für Oma, eines für Opa, eines für seinen Cousin und eines für seine Mutter. Als sein Cousin bemängelte, sie seien ein bisschen hart, konterte er ganz selbstbewusst. “Die schmecken aber viel besser, als die gekauften Schokolatius.” Als Oma vorsichtig zu bedenken gab, da sei doch gar keine Schokolade drin und ob er vielleicht Spekulatius meinte, gestand er: “Ich kann mir das Wort einfach nicht merken.” Was soll ich sagen? Lapsus linguae – vielleicht handelt es sich bei den Schokolatius ja um eine Freudsche Fehlleistung und der Wunsch war Vater des Gedanken.

Wer viel fragt …

Bei der Kommunikation mit Kindern muss man höllisch aufpassen. Jedenfalls ist man gut beraten, auch das zu sagen, was man meint. Andernfalls kann es einem so ergehen wie Oma, die, als sie mit unserem jüngsten Enkel vom Kindergarten nach Hause kam, meinte: “Wollen wir uns jetzt nicht erst mal die Hände waschen?” “Nein”, schallte es zur Überraschung von Oma zurück, woraufhin sie sagte: “Doch, das machen wir doch immer, wenn wir nach Hause kommen!” Der kleine Mann seinerseits konterte nun: “Aber du hast mich doch gefragt, und ich hab’ nein gesagt!” Was soll ich sagen? Tja, wer viel fragt … Aber die Hände haben sie sich dann doch gewaschen.

Ein kleiner Moment beim Arzt

Arztbesuche sind in aller Regel nicht gerade das, was zur Aufhellung der Stimmung beiträgt. Allerdings sind manche so unfreiwillig komisch, dass es für eine ganze Woche reicht. So jedenfalls erging es unserer älteren Tochter, die mit ihrem Filius den Kinderarzt aufsuchen musste. Nachdem die Sprechstundenhilfe die beiden aufgerufen und in das Vorbehandlungszimmer gelotst hatte, um schon mal den Blutdruck zu messen und die sonstige Vorbereitungen für die Untersuchung zu treffen, bat sie noch um „einen kleinen Moment“ Geduld, dann werde es weitergehen. Die Sprechstundenhilfe war noch nicht ganz aus dem Raum, das sagte unser Enkel zu seiner Mutter: „Na mal sehen, wie lange der kleine Moment dieses Mal dauert.“ Als unsere Tochter ihren Sohn ganz verdutzt anschaute, klärte dieser sie auf: „Das hat sie beim letzten Mal auch gesagt und wir haben eine Ewigkeit gewartet.“ Was soll ich sagen? Erstaunlich, was Kinder so alles behalten.

Ein ganz schöner Husten?

Kinder nehmen alles wörtlich. Das kann manchmal etwas lästig sein. In aller Regel aber ist es einfach nur lustig. Ein gutes Beispiel dafür war eine der letzten Begegnungen von Oma mit unserem jüngsten Enkel, der an diesem Tag ziemlich viel husten musste. “Du hast aber einen ganz schönen Husten”, bemitleidete Oma den Kleinen, der allerdings ganz erbost reagierte: “Das ist überhaupt nicht schön”, gab er energisch zurück und verstand gar nicht, dass Oma seinen Husten auch noch schön fand. Was soll ich sagen? Warum nennen wir Erwachsenen die Dinge nicht einfach nur beim Namen, sondern benutzen Redewendungen, die alles andere als eindeutig sind. Die Welt könnte doch so einfach sein.

Mülleimer nur für Nackte?

Kinder sind ziemlich gut im Beobachten und nehmen es auch ausgesprochen genau. Als Oma jüngst mit unseren Enkeln in der Stadt unterwegs war, entdeckte der Kleine einen Mülleimer, der ihn dann doch etwas irritierte: “Da darf man ja nur nackt etwas reinwerfen!?!”, stellte er erstaunt fest. Als dann eine Frau vorbeikam und etwas in den Mülleimer tat, konstatierte der Große nur lapidar: “Und die hat sich noch nicht einmal ausgezogen!” Was soll ich sagen? Wie gut, dass nicht alle Erwachsenen das immer so ganz genau nehmen …

MülleimerDas kann man in der Tat mit etwas Fantasie so sehen: Ein Mülleimer nur für Nackte.

Fernsehen für Fernwärme

Unsere beiden Enkel gehen mit ausgesprochen offenen Augen durch die Welt. So wollte unser ältester Enkel jetzt von seiner Mutter wissen, was denn die Tankwagen transportieren, die er nunmehr vermehrt im Straßenverkehr ausmacht. „Öl“, antwortete sie und erläuerte ihm, dass die Menschen derzeit Vorsorge für den bevorstehenden Winter träfen. „Sind wir denn schon mit Öl versorgt“, wollte er daraufhin wissen. „Wir brauchen kein Öl“, beruhigte sie ihn, „weil wir Fernwärme haben.“ Mit einem verschmitzten Lächeln fragte er dann: „Müssen wir dann jetzt mehr fernsehen?“ Was soll ich sagen? Die pragmatischen Ansätze meiner Enkel verblüffen mich doch immer wieder.